2. November 2023, 5:48 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Die meisten Zierfische werden generell nur wenige Jahre alt, meist zwischen drei und fünf. Wenn sie jedoch im Becken früher sterben als sie sollten, kann das verschiedene Ursachen haben. Fast immer jedoch ist der Mensch daran schuld.
Vor allem Aquarien-Neulinge dürften das kennen: Da hat man mit viel Mühe und Liebe ein Becken eingerichtet und schöne Fische hineingesetzt, doch die Freude an den Tieren währt nur kurz: Plötzlich sterben die Tiere, obgleich doch wenige Tage zuvor noch alles in Ordnung schien. Der Schreck ist groß, die Sorge auch. Woran hat es gelegen, an Pflegefehlern oder waren die Tiere krank? Und wie lässt sich verhindern, dass Aquarienfische überhaupt zu früh sterben? PETBOOK sprach mit Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde über die möglichen Ursachen.
Übersicht
Zu früher Besatz mit Fischen
„Der größte Fehler wird meist schon zu Beginn gemacht“, sagt Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde (Gesfa). Rutz ist Fischexperte, die Gesfa betreibt in Duisburg unter anderem Schaubecken und klärt über die Haltung von Fischen und anderem Aquarienbewohnern auf. Die Annahme, ein Aquarium sei ruckzuck eingerichtet, koste viele Fische das Leben, weiß der Fachmann.
„Die Leute kaufen ein Becken, Zubehör, kippen Wasser rein und dann sofort die Fische“. Doch genau das sei falsch. „Bevor Fische eingesetzt werden können, muss sich erst die Biologie des Beckens bilden.“ Unter anderem müssen nützliche Bakterien und Organismen wachsen, um das Habitat für Fische bewohnbar zu machen. „Das heißt, nach dem Einrichten des Aquariums mit Bodengrund, Pflanzen, Filtertechnik, Beleuchtung und Wasser passiert erst einmal nichts“, sagt Rutz. Und zwar für Wochen. Denn für Fische ist noch nicht die richtige Zeit.
Allerdings kann man kleine Mengen Filterschlamm eines bereits „eingefahrenen“, also funktionierenden Beckens, zugeben. Er enthält bereits wichtige Bakterien für das Wasser. Zwar gibt es im Handel zahlreiche Mittel wie etwa Starterbakterien in Flaschen, die helfen sollen, dass sich der Lebensraum Aquarium einfacher und rascher entwickelt. Dennoch gilt Abwarten immer noch als die beste Wahl, laut Rutz. Er rät zudem: Lieber ein größeres Becken wählen statt ein kleineres, sofern es die Statik des Hauses erlaubt. Ein großes Becken ist leichter zu pflegen und der Lebensraum entwickelt sich besser. Zudem haben Tiere und Pflanzen mehr Platz, unterschiedliche Zonen können leichter geschaffen und abgegrenzt werden.
Falsche Temperatur und Wasserwerte
Wasser ist nicht gleich Wasser – vor allem nicht, wenn Fische darin leben sollen. Oft sterben Aquarienbewohner, weil sie unter ungeeigneten Bedingungen leben müssen. Besonders bei einem neu eingerichteten Aquarium sind die Wasserwerte anfangs nicht fischtauglich. Deswegen gilt: „Erst müssen die Werte stimmen, dann dürfen Fische hinein“, sagt Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde.
Im Fachhandel findet man einfach anzuwendende Tests zur Bestimmung der Wasserqualität. Sie zeigen unter anderem, wie viel Nitrat, Nitrit und Phosphor im Wasser ist und welche Wasserhärte vorliegt. Besonders Nitrit ist für Fische gefährlich, in neu eingerichteten Becken ist der Wert oft zu hoch. Außerdem hat nahezu jede Fischart individuelle Bedürfnisse bezüglich Wasserqualität und -werten.
Manche, wie etwa die beliebten Guppys, bevorzugen härteres Wasser, Neonfische dagegen vertragen dies nicht. Deswegen solle man ausschließlich Fische vergesellschaften, die ähnliche Lebensbedingungen haben. „Am besten wählt man Fische aus, die auch in freier Wildbahn zusammenleben“, rät Rutz. Denn auch auf die richtige Temperatur muss geachtet werden. Fische, die aus tropischen Gefilden stammen, benötigen wärmeres Wasser als etwa Goldfische, die es gerne kühler mögen.
Wichtig: Um die Temperatur halten zu können, darf die Aquariumsheizung nicht einfach abgeschaltet werden, auch nicht über Nacht oder wenn es im Sommer draußen warm ist. Fische können sehr empfindlich auf Temperaturschwankungen reagieren und daran sterben.
Falsche Gesellschaft
Ein weiterer Fehler ist, dass Einrichtung, Pflanzen und Fische nicht zusammenpassen, wie Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde erläutert. Aquarienfans kaufen Fische und Einrichtung mitunter ausschließlich nach der Optik. „Aber das passt meist nicht.“ Manche Fische benötigten Steine als Grund, andere weicheren Boden und spezielle Pflanzen, um sich wohlzufühlen.
Lebhafte Tiere, die schnell nach Futter schnappen, sind nicht die passende Gesellschaft für ruhigere, langsame Fische, die dann beim Fressen zu kurz kommen könnten. Auch müsse man darauf achten, ob die Fische natürlicherweise in einem Schwarm leben oder Einzelgänger sind. Schwarmfische fühlen sich alleine nicht wohl. Andere Fische wiederum, wie etwa die Männchen der Kampffische, sollten kein weiteres Männchen ins Aquarium zugesetzt bekommen, sagt Rutz. Räuberisch lebende Fische zu kleineren Schwarmtieren zu geben, die ihnen als Beute dienen können, ist ebenfalls keine gute Idee. „Daher sollten sich vor allem Anfänger zuerst darüber klar werden, welche Fische sie halten möchten und was die Tiere benötigen.“
Am besten zieht man Bücher, Fachhändler und Experten wie die der Gesfa zu Rate. Erst dann sollten Becken und Zubehör passend zu den Tieren gekauft werden. Ein Aquarium besteht zudem meist aus drei Ebenen, die von unterschiedlichen Lebewesen bewohnt werden. Manche Tiere eignen sich eher für den oberen Bereich, andere für den mittleren und wieder andere leben am Boden. Das sollte beim Besatz berücksichtigt werden, damit sich die Tiere nicht gegenseitig in die Quere kommen.
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Becken zu dicht besetzt
Grundsätzlich sollten Aquarien nicht zu dicht besetzt sein, sagt Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde. Eine Faustregel, die immer wieder zu lesen ist, lautet: Pro Zentimeter Fisch ein Liter Wasser. Allerdings hält Rutz nicht viel von pauschalen Aussagen, denn der Besatz richte sich auch nach den Fischarten und ihrer Lebensweise, der Einrichtung und der Form des Beckens. Lieber zu wenige als zu viel, lautet daher seine Devise.
Vor allem anfangs sollten nur wenige Fische zusammengesetzt und die Entwicklung des Lebensraums abgewartet werden, sagt er. Allerdings sind zu viele Fische grundsätzlich ein Problem, nicht nur, weil ihnen Platz fehlt. So kann der zu dichte Besatz etwa zu hohen Nitritwerten führen, ebenso wie zu viel Futter, das ins Becken gegeben wird. Generell sollte daher nur so viel Futter ins Becken gegeben werden, wie in rund drei Minuten gefressen wird, rät Rutz.
Zu viel Reinigung
Wasser raus, Bodengrund raus, Filterschwamm raus und alles gründlich schrubben und abkochen – für viele Aquarienfreunde gehören diese Arbeiten regelmäßig dazu. Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde allerdings warnt vor zu viel Enthusiasmus beim Putzen: „Wer den Filter regelmäßig auskocht, den Bodengrund schrubbt und die Scheiben blitzeblank wienert, zerstört damit lebenswichtige Bakterien und Organismen.“ Sie aber hielten das Wasser im Gleichgewicht und sorgten für den Abbau schädlicher Stoffe.
Den Bodengrund solle man daher im Becken lassen und höchstens bei Bedarf teilweise reinigen. Filter sollten am besten mit sauberem Aquariumswasser ausgewaschen und – ganz wichtig – niemals ausgeschaltet werden, um beispielsweise über Nacht Strom zu sparen oder die Geräusche nicht hören zu müssen, sagt Rutz. „Der Filter ist wie das Herz eines Aquariums, er muss laufen.“ Wird er ausgeschaltet und nicht mehr durchströmt, könnten die „guten“ Bakterien nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen und sterben schlimmstenfalls ab – fatal für das Gleichgewicht im Becken.
Tipp: Beim Aquarium auf die eigenen Sinne verlassen. Sieht alles gut aus, verhalten sich die Fische wie üblich? Schäumt irgendwo etwas, liegt eine Art Haut auf der Wasseroberfläche oder riecht das Wasser „komisch“? Der Geruch des Filters ist auch ein Indikator, ob im Becken alles in Ordnung ist, sagt Rutz. Wenn er beim Reinigen nach nasser, frischer Erde aus dem Wald riecht, ist alles gut. Ein stechender Gestank dagegen weise darauf hin, dass etwas nicht stimmt.
Stress und Krankheiten
Fische können, wie Menschen und andere Tiere, ebenfalls Stress empfinden – und an den Folgen sogar versterben. Zudem können Parasiten und andere Krankheitserreger gestresste Tiere leichter befallen, sodass auch die Erkrankung zum Tod der Fische führen kann. Allein der Transport und das Einsetzen ins neue Becken stresst die Wasserbewohner bereits. Um das zu vermeiden, sollte man die Tiere am besten nicht online bestellen, sondern bei Fachhändlern direkt kaufen, rät Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde.
Zudem solle man auf Nachzuchten aus Deutschland setzen, da sie keine langen Flugreisen hinter sich haben. Die meisten Süßwasser-Aquarienfische seien inzwischen Nachzuchten, oft züchten Händler selbst, erklärt Rutz. Wildfänge gebe es kaum noch – bis auf die beliebten Neonfische, die sich nicht so leicht vermehren ließen und deshalb oft wild gefangen würden. „Am besten fragt man beim Händler nach, woher seine Tiere stammen“, rät Rutz. So ließen sich Wildfänge erkennen und vermeiden.
Die Tierschutzorganisation Peta allerdings weist darauf hin, dass zahlreiche Tiere, vor allem solche, die Meerwasseraquarien bewohnen, aus Wildfängen stammen und oft in großer Zahl den Transport zu Händlern nicht überleben. Besonders Korallenfische ließen sich demnach nicht in Gefangenschaft züchten, sondern würden dem Meer entnommen.
Aber auch Süßwasserfische müssen oft weite Strecken in engen Plastikbeuteln zurücklegen, bis sie bei Händlern und schließlich in Aquarien landen, wie Peta bereits in einem früheren PETBOOK-Beitrag hervorhob. Viele von ihnen überleben die Tortur ebenfalls nicht oder sterben infolge des Stresses schon bald im Wohnzimmer-Aquarium.
Vergiftungen und Sauerstoffmangel
Sterben viele Fische innerhalb weniger Stunden, sind meist Vergiftungen die Ursache. Besonders oft kommen Nitritvergiftungen vor, die auf Fehler bei der Pflege zurückzuführen sind oder in neuen Becken vorkommen, die zu früh mit Fischen besetzt wurden. Auch Ammonium- und Ammoniakvergiftungen sind oft die Folge falscher Pflege und von zu viel Futter, das etwa zu einer starken organischen Verschmutzung des Beckens führen kann.
Sauerstoffmangel kann ebenfalls zu einem Massensterben führen. Meist sind zu hohe Temperaturen im Becken die Ursache. Aber auch ein zu dichter Besatz mit Wasserpflanzen, die tagsüber zwar Sauerstoff produzieren, aber nachts CO₂, kann eine Ursache sein.
Tipp: Stehen die Tiere morgens an der Oberfläche und schnappen nach Luft, verhalten sich nach dem Einschalten der Beleuchtung aber rasch wieder normal, ist nächtlicher Sauerstoffmangel der Grund. Um herauszufinden, was die Ursache ist, muss man schnell handeln. Wassertests aus dem Fachhandel können helfen, das Problem zu erkennen.
Auch tote Tiere, die dem Becken nicht sofort entnommen werden, können eine Gefahr darstellen. „Starben sie an Parasiten, suchen diese sich nach dem Tod ihres Wirtstiers einen anderen Wirt und können so alle Aquarienbewohner befallen“, sagt Mario Rutz von der Gesellschaft für Aquarienkunde. Zudem zersetzen sich tote Fische und werden von Pilzen besiedelt, was zu einer Belastung des Aquariumwassers führen kann.
Fazit
Es gibt unzählige Ursachen, aus denen Fische im Aquarium früher sterben, als ihrer Lebenserwartung entspricht. Die meisten davon sind menschengemacht. Wer sich für ein Aquarium interessiert, sollte sich daher vor der Anschaffung genau über Beckengröße, Zubehör, Wasserwerte und Vergesellschaftung seiner Wunsch-Fische informieren und das Becken danach einrichten.
Zudem ist Geduld gefragt, bevor Fische eingesetzt werden dürfen. Übertriebene Sauberkeit schadet dem Lebensraum ebenso wie falsche Fütterung und nachlässiger Umgang mit kranken Tieren. Lassen Sie sich beraten, wenn Sie ein Fischaquarium einrichten möchten. Oder verzichten Sie ganz auf den Besatz mit Tieren und weichen stattdessen auf schöne Wasserpflanzen aus.
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Quellen
- drta-archiv.de, „Massensterben“ (aufgerufen am 31.10.2023)
- aquarium-wasser.de, „Sauerstoffmangel im Aquarium“ (aufgerufen am 31.10.2023)
- aquaristik.org, „Toter Fisch im Aquarium: Diese Maßnahmen sollten sie als erstes durchführen“ (aufgerufem am 31.10.2023)
- aquarium-fische-pflanzen.de, „Die Besatzdichte/Besatzstärke im Aquarium: Wie viele Fische kannst du einsetzen?“ (aufgerufen am 31.10.2023)
- aquascape-aquaristik.de, „Aquarium einfahren: So überstehst du die Einfahrphase“ (aufgerufen am 31.10.2023)