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Studien zeigen

Von wegen 3 Sekunden! Goldfische haben ein viel besseres Gedächtnis

Zwei Goldfische schwimmen im Aquarium
„Hey, hier war ich doch schon mal!“ Viele denken, dass Goldfische kein Langzeitgedächtnis haben und alle drei Sekunden ihre Erinnerung verlieren – was Studien jedoch widerlegen Foto: picture alliance / imageBROKER | Reinhard, H.
Louisa Stoeffler
Redakteurin

2. August 2024, 16:53 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Die Annahme, dass Goldfische nicht besonders schlau sind oder kein gutes Gedächtnis haben, ist weitverbreitet. Allerdings konnten Wissenschaftler diese bereits anhand vieler Studien widerlegen und man weiß auch, warum Goldfische häufig dasselbe Verhalten zeigen, was zu der Überzeugung geführt hat, sie könnten sich nichts länger als drei Sekunden merken.

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Mit dem Spruch „Du hast aber ein Gedächtnis wie ein Goldfisch“ spielt man darauf an, dass manche scheinbar über ein schlechtes Erinnerungsvermögen oder Auffassungsgabe verfügen. Denn es ist ein gängiges Vorurteil, dass die Erinnerung von Goldfischen nur drei Sekunden lang anhält, sodass sie ihre Umgebung stets neu erkunden. Allerdings sind sich Fischexperten mittlerweile einig, dass dies Unsinn ist.

Wie der Irrglaube über das schlechte Gedächtnis von Goldfischen entstand

Die Vorstellung, dass Goldfische – oder auch Fische allgemein – ein schlechtes Gedächtnis haben, basiert auf dem Mythos, dass sie sich nur etwa drei Sekunden lang Dinge merken können. In der Popkultur ist er so verbreitet, dass er es auch in Animationsfilme wie „Findet Nemo“ geschafft hat, in dem eine Fischdame mit Gedächtnisschwund auftritt.

Betrachtet man das Gehirn von Goldfischen, könnte man tatsächlich auch glauben, dass an der Annahme etwas dran ist. Denn die Tiere verfügen über keinen Hippocampus, der im menschlichen Gehirn wahrscheinlich maßgeblich an der Verwertung von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis beteiligt ist.

Doch deswegen anzunehmen, dass Fische sich durch die von Säugetieren unterschiedliche Struktur des Gehirns nichts merken können, wäre falsch. Denn auch bei Fischen finden sich Strukturen wie Telencephalon und Pallium, die als Äquivalent für den Hippocampus bei Säugetieren angesehen werden.1

Goldfische zeigen stereotypes Verhalten durch falsche Haltung

Ein weiterer Grund, weshalb man das Gedächtnis von Goldfischen häufig als nicht besonders gut bezeichnet, sind sich wiederholende Verhaltensweisen, die sie häufig im Aquarium zeigen. Zum Beispiel schwimmen sie immer wieder dieselbe Bahn oder suchen dieselben Ecken im Becken auf. Diese immer gleichen Verhaltensmuster erwecken entsprechend den Eindruck, dass sie sich nicht an Vergangenes erinnern können.

Allerdings sind sie vielmehr ein Anzeichen für stereotypes Verhalten durch falsche Haltungsbedingungen. Denn wenige Fische wurden lange so verkehrt gehalten wie Goldfische. Ein winziges, rundes Becken, in dem ein einziger Fisch schwimmt, ist immer noch ein populäres Bild, wenn man an Goldfische denkt. Allerdings benötigen die Tiere mindestens einen bis zwei Artgenossen und ein Becken mit mindestens 120 Litern Fassungsvermögen, um sich artgerecht entfalten zu können.

Das Bild eines einsamen Fisches, der die immer gleichen Runden in einem winzigen Becken schwimmt, hat also wenig mit seiner Gedächtnisleistung zu tun. Vielmehr ist es seiner Unterforderung und daraus resultierenden zwanghaften Verhaltensstörungen geschuldet.

Auch interessant: Führende Wissenschaftler mahnen: »Auch Tiere haben ein Bewusstsein

Wissenschaft holt Forschung über Goldfisch-Gedächtnis nach

Auch in der Forschung hat man sich der Intelligenz von Goldfischen lange nur sporadisch gewidmet. Allerdings gibt es immer mehr Forschungsarbeiten zu dem verkannten „Anfängerfisch“.

Professor Culum Brown von der Macquarie University in Sydney in Australien plädierte schon 2015 dafür, Goldfischen dasselbe Maß an Mitgefühl und Pflege zuzugestehen wie anderen Wirbeltieren. „Aus Sicht des Tierschutzes würden die meisten Forscher sagen, dass, wenn ein Tier empfindungsfähig ist, es höchstwahrscheinlich auch leiden kann und daher sollte ihm in irgendeiner Form Schutz geboten werden. Seit Jahrzehnten gibt es eine Debatte über das Wohlergehen von Fischen, die sich um die Frage dreht, ob sie empfindungsfähig sind oder ein Bewusstsein haben.“2

In seiner Überprüfung der Studienlage verweist der Wissenschaftler auf Ergebnisse, die belegt haben, dass Goldfische ein exzellentes Langzeitgedächtnis haben. Sie können sich bis zu elf Monate lang Wege durch ein Aquarium oder ein Labyrinth merken.3 Sie können komplexe Traditionen entwickeln, können Artgenossen erkennen und mit ihnen kooperieren. Außerdem scheinen sie sogar in der Lage zu sein, Werkzeuge zu gebrauchen und chemische Alarmsignale zu geben. Sie können sogar ein Roboterfahrzeug bedienen.4

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Welchen Vorteil sollten Goldfische ohne Gedächtnis haben?

Auch Adelaide Sibeaux, Expertin für Verhaltensökologie, erforscht an der englischen Oxford-Universität seit Jahren Goldfische. 2022 konnte sie anhand von Linien und Kartografierung nachweisen, dass die Tiere Unterwasser-Landkarten verinnerlichen und gelernte Wege wieder schwimmen können.5

Dies widerlegt klar die Annahme, dass Goldfische ein schlechtes Gedächtnis haben, wie viele immer denken. Wenn sich die Tiere in freier Wildbahn nicht merken könnten, ob sie gerade einem Fressfeind oder einem freundlichen gesinnten Artgenossen begegnen, wären sie mit Sicherheit längst ausgestorben. Doch eine Untersuchung konnte zeigen, wie unterschiedlich Goldfische auf dreidimensionale Objekte in Form von Schildkröten und Artgenossen reagieren.6

Auch wenn sie keine Erinnerungen an Futtergründe und die Strukturen im Wasser speichern könnten, wären Goldfische in der Natur wohl kaum überlebensfähig. Dies konnte jedoch in einer weiteren Studie aus dem Mai 2024 bestätigt werden. Sie können sogar die kürzesten und effektivsten Wege vorab im Geiste planen, ohne sie je geschwommen zu sein.7 Wie schlau Goldfische also tatsächlich sind, wird sich hoffentlich anhand des erwachten wissenschaftlichen Interesses bald noch genauer sagen lassen.

Themen Fische

Quellen

  1. Spektrum.de, „Pallium“ (aufgerufen am 2.8.2024) ↩︎
  2. Brown, C. (2015). Fish intelligence, sentience and ethics. Animal cognition, 18(1), 1-17. ↩︎
  3. „Rnz.co.nz“, „Culum Brown: Fish are way smarter than you think“ (aufgerufen am 2.8.2024) ↩︎
  4. Givon, S., Samina, M., Ben-Shahar, O., & Segev, R. (2022). From fish out of water to new insights on navigation mechanisms in animals. Behavioural Brain Research, 419, 113711. ↩︎
  5. Sibeaux, A., Karlsson, C., Newport, C., & Burt de Perera, T. (2022). Distance estimation in the goldfish (Carassius auratus). Proceedings of the Royal Society B, 289(1984), 20221220. ↩︎
  6. Wegman, J. J., Morrison, E., Wilcox, K. T., & DeLong, C. M. (2022). Visual Perception of Photographs of Rotated 3D Objects in Goldfish (Carassius auratus). Animals, 12(14), 1797. ↩︎
  7. Sibeaux, A., Newport, C., Green, J. P., Karlsson, C., Engelmann, J., & Burt de Perera, T. (2024). Taking a shortcut: what mechanisms do fish use? Communications Biology, 7(1), 578. ↩︎
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