12. Januar 2023, 6:02 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Sie gelten für viele Menschen als ruhige Urzeitreptilien ohne große Ansprüche. Die Haltung von Landschildkröten ist jedoch anspruchsvoller als gedacht. Was zu beachten ist, wenn Interesse an den gepanzerten Reptilien besteht, erklären zwei Schildkröten-Experten.
Sie wirken sanft, freundlich und sehen stets aus, als würden sie intensiv grübeln. Immer mehr Menschen halten Landschildkröten als Haustiere in Gärten und Gehegen. Aber ist das überhaupt artgerecht und mit einem ruhigen Gewissen vereinbar? PETBOOK hat bei Experten nachgefragt und erklärt Wichtiges zu Haltung, Verhalten, Fütterung und mehr.
Übersicht
- Wie Experten das Halten von Landschildkröten einschätzen
- Welche Landschildkröten sind als Haustiere geeignet?
- Was Sie vor dem Kauf einer Schildkröte beachten sollten
- Um Landschildkröten artgerecht zu halten, gibt es einige Voraussetzungen
- Was fressen Landschildkröten?
- Wie viele Landschildkröten sollte man halten?
- Was bei der Winterruhe von Schildkröten zu beachten ist
- Gibt es eine Meldepflicht für die Haltung von Landschildkröten?
- Wo bekommt man Landschildkröten?
Wie Experten das Halten von Landschildkröten einschätzen
Viele Tierschutzorganisationen raten davon ab, Landschildkröten zu halten, denn die Panzerträger sind, obgleich sie genügsam wirken, sehr anspruchsvoll in ihren Bedürfnissen. Wie die Tierschutzorganisation „Peta“ auf ihrer Homepage mitteilt, sterbe ein Großteil der Schildkröten, die in Privathaushalten leben, früh an den Folgen falscher Haltung und Ernährung.
„Wer Schildkröten halten möchte, sollte sich vor dem Kauf unbedingt intensiv über die Bedürfnisse hinsichtlich Gehege, Futter, Temperatur und Winterschlaf der jeweiligen Art informieren“, so auch Uwe Wünstel, Schildkrötenexperte des Reptilienzoos „Reptilium“, im rheinland-pfälzischen Landau. In diesem Fall sehe er die Haltung nicht so kritisch. Informationen gibt es im Internet, etwa bei der AG Schildkröten der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde, bei Fachhändlern und spezialisierten Tierärzten.
Allerdings: Schildkröten sind keine Spieltiere, sondern nur zum Beobachten geeignet. „Sie möchten nicht gestreichelt, bespielt oder hochgehoben werden“, sagt Thorsten Geier, Schildkrötenfachmann und Buchautor. Für Kinder seien sie daher eher nicht geeignet. Das Fallenlassen einer Schildkröte gehe oft tödlich aus. Denn Schildkrötenpanzer sind – obgleich sie robust aussehen – nicht als Sturzfänger ausgelegt.
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Welche Landschildkröten sind als Haustiere geeignet?
„Am weitesten verbreitet sind griechische und europäische Landschildkröten“, erklärt Schildkrötenexperte Thorsten Geier. Diese Tiere, deren Verbreitungsgebiet sich von der Türkei über Bulgarien und Serbien, bis nach Italien und Frankreich erstreckt, können unter bestimmten Voraussetzungen auch in deutschen Gärten gehalten werden. Allerdings benötigen sie dazu ein Freigehege oder Gewächshaus. Als Haustiere im engeren Sinn sind sie also nicht geeignet.
Was Sie vor dem Kauf einer Schildkröte beachten sollten
Manche Landschildkröten können problemlos 80 Jahre oder älter werden. Die Tiere sind also ein Mehrgenerationen-Projekt. In Auffangstationen landen viele Exemplare, die ungewollt „vererbt“ wurden. Potenzielle Halter sollten sich zudem vor dem Kauf darüber informieren, welche Schildkrötenart es werden soll – danach richten sich Behausung und Bedürfnisse an Umgebung, Temperatur und Futter, so Experte Thorsten Geier.
Erwachsene Tiere benötigen zudem recht viel Platz im Freien. Ein Gehege auf dem Balkon sollte nur bei entsprechender Größe und Einrichtung in Betracht gezogen werden. Gut zu wissen: Schildkröten können, wie viele andere Reptilien, Salmonellen übertragen, die auch Menschen krank machen können. Hygiene ist im Umgang mit den Tieren also besonders wichtig.
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Um Landschildkröten artgerecht zu halten, gibt es einige Voraussetzungen
Wer Landschildkröten halten möchte, sollte das keinesfalls in einem Terrarium oder einem Käfig im Wohnzimmer tun – auch nicht für kurze Zeit. Die Reptilien benötigen ein großes, naturnah eingerichtetes Freigehege oder Gewächshaus mit verschiedenen Untergründen wie Sand, Rasen und Steinchen. Denn sie legen in der freien Natur große Strecken zurück. Pro erwachsener Schildkröte sollten mindestens 15 bis 25 Quadratmeter Grundfläche zur Verfügung stehen.
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Wichtig: „Den Tieren müssen unbedingt Schattenplätze zur Verfügung stehen, um nicht zu überhitzen“, erklärt Uwe Wünstel. Zudem benötigen sie Wurzeln, Höhlen, Wasserschalen und Pflanzen. Das Freigehege sollte sicher vor Füchsen, Mardern, Greifvögeln und anderen Fressfeinden sein und so gebaut, dass die Tiere nicht ausbrechen können. Eine stabile Umzäunung, die von den Tieren nicht umgedrückt werden kann, ist ein Muss. Besonders im Frühjahr und Herbst ist zudem die richtige Temperatur im Gehege wichtig, die sich mithilfe von Wärmelampen und Zeitschaltuhren regulieren lässt. Nur so können Schildkröten, die wechselwarme Tiere sind, ihre „Vorzugstemperatur“ erreichen, wie Schildkrötenfachmann Thorsten Geier betont.
Spezielle Pflege ist für die Tiere dagegen nicht notwendig: Das Einölen des Schildkrötenpanzers sollte sogar tunlichst unterlassen werden, sagt Uwe Wünstel. „Das verstopft die Poren und verhindert den Gasaustausch über den Panzer.“ Ist er schmutzig, kann der Panzer mit Wasser abgebraust und gegebenenfalls mit einem Bürstchen leicht geschrubbt werden.
Was fressen Landschildkröten?
Wildkräuter, Wiesenheu und gräserähnliches Grünzeug sind für die Tiere am besten geeignet, denn sie benötigen Rohfasern. Uwe Wünstel vom „Reptilium“ warnt daher vor der Verfütterung von Obst, Salat und Gurken. Salat habe „Null Nährwert“, Obst sei sogar ungesund für die Reptilien. Denn „europäische Landschildkröten können den darin enthaltenen Fruchtzucker nicht verstoffwechseln“, so Wünstel.
Schildkrötenfachmann Thorsten Geier rät außerdem dazu, gelegentlich Sepiaschalen zur Kalziumversorgung zu geben. Frisches Trinkwasser sollte stets zur Verfügung stehen. Der Napf sollte stabil sein und nicht umfallen können, wenn die Tiere über den Rand krabbeln. Wichtig sei ebenso, dass der Napf so flach sein sollte, sodass die Tiere nicht hineinfallen können.
Wie viele Landschildkröten sollte man halten?
Wer sich für mehrere (Jung-)Tiere entscheidet, sollte unbedingt darauf achten, dass nur ein einzelnes Männchen darunter ist. „Sonst gibt es Stress unter den Jungs“, weiß Uwe Wünstel. Am besten gesellen Schildkrötenhalter zu einem Männchen mindestens drei bis vier Weibchen, keinesfalls weniger. Der Grund dafür: Schildkrötenmännchen gelten als sehr paarungsfreudig und gehen dabei hartnäckig und ruppig vor. „Ein Männchen kann ein Weibchen dadurch sogar zu Tode paaren“, mahnt Wünstel.
Was außerdem zu beachten ist: Das Geschlecht einer Landschildkröte zeigt sich erst ab einem Alter von etwa sechs Jahren. Daher ist der Kauf junger Tiere nicht ratsam. Ältere Tiere, etwa aus Auffangstationen oder Tierheimen, kommen allein meist besser zurecht – die Integration in eine bestehende Gruppe sorgt bei ihnen für Stress.
Was bei der Winterruhe von Schildkröten zu beachten ist
Die Winterruhe von Schildkröten sei für die Tiere wichtig, betont Thorsten Geier: „Nur diese Auszeit sorgt für gesundes Wachstum und gesunde Tiere.“ Oftmals halte sich jedoch die falsche Vorstellung, in Gefangenschaft lebende Tiere benötigten keinen Winterschlaf. Winterruhe sollten aber nur gesunde Tiere halten. Hat die tierärztliche Untersuchung einer Kotprobe keine Auffälligkeiten ergeben, steht der Überwinterung daher nichts im Weg. Die Tiere schlafen dabei bis zum Frühjahr durch und trinken und fressen nichts.
In einem Gewächshaus gehaltene Schildkröten vergraben sie sich meist zwischen Ende Oktober und Anfang November selbstständig im Erdreich. Alternativ können Landschildkröten in speziellen Kisten im Keller überwintern, der jedoch nicht mehr als fünf bis sechs Grad Celsius warm sein darf, oder in einem entsprechend temperierten Kühlschrank. Ansonsten sollten die Tiere bei auf die Überwinterung spezialisierten Stellen abgegeben werden, rät Uwe Wünstel vom Reptilienzoo Landau. Neben einigen Tierarztpraxen bieten auch Reptilien-Auffangstationen und Stellen wie das „Reptilium“ an, Schildkröten aufzunehmen.
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Gibt es eine Meldepflicht für die Haltung von Landschildkröten?
Landschildkröten unterliegen der Meldepflicht, jedoch ist ein spezieller Sachkundenachweis zur Haltung der Tiere nicht erforderlich. Daher ist die Vorlage eines Dokuments bei der zuständigen Behörde Pflicht, das den legalen Besitz belegt. Eventuell müssen auch Fotos von Brust- und Rückenpanzer beigefügt werden, die der Identifizierung dienen. Außerdem sucht man sich am besten schon vor der Anschaffung einen auf Reptilien spezialisierten Tierarzt, um im Bedarfsfall nicht lange suchen zu müssen. Denn nicht alle Veterinärmediziner kennen sich mit den besonderen Patienten aus.
Wo bekommt man Landschildkröten?
Die Tiere sollten nur von seriösen Züchtern, Tierheimen oder Auffangstationen gekauft oder aufgenommen werden. Uwe Wünstel rät außerdem, sich nach abgegebenen Tieren umzuschauen. „Die brauchen auch ein Zuhause und man kennt bereits ihr Geschlecht.“ Zudem könne man in diesem Fall meist davon ausgehen, ein untersuchtes, gesundes Tier zu erhalten. Auf Börsen werden oftmals sehr junge Tiere angeboten, deren Geschlecht noch nicht zu erkennen ist. „Kauft man dann mehrere Tiere und hat mehrere Männchen erwischt, kann das später zur Herausforderung werden.“ Obendrein sind Baby-Schildkröten sehr empfindlich. Deswegen sollte auf den Kauf sehr junger Tiere generell verzichtet werden. Im Internet kann man schneller auf „schwarze Schafe“ stoßen. Zudem ist aus Artenschutzgründen der Kauf auf zahlreichen Online-Plattformen ohnehin nicht möglich.
Landschildkröte
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Quellen
- Landschildkroeten.de, „Griechische Landschildkröte – Testudo hermanni“ (aufgerufen am 11.01.2023)
- Planet-Wissen.de, „Artgerechte Schildkrötenhaltung“ (aufgerufen am 11.01.2023)
- Schildkroeten.dght.de, „Arbeitsgemeinschaft Schildkröten“ (aufgerufen am 11.01.2023)