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Abgabewelle von Exoten

Reptilienhalter wollen Tiere wegen hoher Energiekosten loswerden

Aufgrund der gestiegenen Energiekosten trennen sich viele Halter von ihren exotischen Haustieren. In vielen Fällen sind auch Netzpythons davon betroffen.
Aufgrund steigender Energiekosten geben viele Menschen ihre exotischen Haustiere in Tierheimen und Auffangstationen ab. Foto: Getty Images
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PETBOOK Redaktion

7. Dezember 2022, 19:19 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Die Energiekosten steigen immer weiter – für viele Halter anscheinend ein Grund, ihre exotischen Haustiere abzugeben. Doch auch die Tierschützer können mittlerweile die Tiere nicht mehr aufnehmen und wissen nicht, wie es weitergeht.

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Wegen steigender Energiekosten geben viele Menschen Exoten, die sie als Haustiere gehalten haben, in Tierheimen und Auffangstationen ab. Diese sind aber bereits überfüllt und auch die Betreiber wissen nicht, wie sie die Stromkosten im Winter noch stemmen sollen. Viele Tierheime können daher keine Reptilien mehr aufnehmen. Auch ihnen machen die hohen Energiekosten zu schaffen. Doch die Zahl der Anfragen bleibt groß. Wohin also mit Echse, Schildkröte und Co.?

Tierschützer und Tierheime sind im Alarmzustand, weil immer mehr Tiere weg sollen

„Die Rückmeldung aus vielen Tierheimen ist einhellig, dass sich in den vergangenen Wochen immer mehr Halter gemeldet haben, die ihre exotischen Tiere abgeben wollen“, sagte Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbunds. Grund seien die gestiegenen Energiepreise. Gleichzeitig erhalte der Tierschutzbund aus Tierheimen die Information, dass diese keine weiteren Exoten mehr aufnehmen könnten.

Das Tierheim Berlin etwa muss derzeit die meisten exotischen Tiere ablehnen. „Aufgrund der Energiekrise gab es bereits im frühen Herbst einige Abgabeanfragen“, sagte Ute Reinhardt, Sprecherin des Tierheims. Diese hätten sie bereits ablehnen müssen, weil das Exotenhaus voll sei. Das Haus ist zu 90 Prozent ausgelastet – nur noch in Terrarien für Notfälle ist Platz.

Dabei leidet das Tierheim selbst unter den hohen Energiekosten. Der Gasabschlag für das gesamte Heim habe sich im November verdreifacht. „Wir sparen, wo es geht – und bei den Exoten geht es halt einfach nicht“, so Reinhardt. Gerade die Reptilien bräuchten ein warmes Gehege zwischen 25 und 28 Grad, eine Schlange benötige es mit 30 Grad noch wärmer, sonst sterbe sie.

Insgesamt 206 Reptilien, darunter Schlangen, Echsen, Geckos und 160 Schildkröten, befinden sich derzeit im Tierheim der Hauptstadt. Deren Vermittlung sei nicht einfach, so Reinhardt.

Gefährliche Exoten werden wegen hoher Energiepreise vor Tierheimen abgestellt

Auch in München ist die Lage bereits im November kritisch gewesen. Aus einer Ecke seines Terrariums beobachtete ein Netzpython aufmerksam das Geschehen in der Reptilien-Auffangstation in der Landeshauptstadt Bayerns. Immer wieder schnellt die schwarze Zunge aus dem Mund der drei Meter langen Würgeschlange hervor. Vor einigen Wochen sei das Tier in einer Kiste vor einem Tierheim einfach abgestellt worden, erklärt der Tierarzt und Leiter der Station, Markus Baur. „Der Netzpython ist in der Regel eher unfreundlich, das sind impulsive Schlangen“, sagt er. Die Leiterin des Tierheims, die die Kiste vor der Tür fand, habe Glück gehabt – „der hätte sie töten können“.

Wohlige Temperaturen für Exoten verursachen hohe Energiekosten

Aussetzungen exotischer Tiere werden sich durch den Aufnahmestopp in Tierheimen wohl zukünftig noch häufen. Als Grund vermutet Baur, der seit über 30 Jahren in der Reptilien-Auffangstation mitwirkt, die steigenden Energiekosten. „Der Netzpython ist tropisch, er kommt aus Südostasien, er braucht ein dauerhaftes, zumindest Regenwald-ähnliches Klima“, sagt der 55-Jährige. Unter 25 Grad dürfe die Temperatur daher nicht fallen – sonst werde die Schlange krank. Solche Heizkosten müsse man sich aber erst einmal leisten können.

„Wenn der Strompreis auf 50 Cent pro Kilowattstunde steigt, wird bei der Haltung einer Bartagame allein die UV-Beleuchtung mit jährlich rund 230 Euro zu Buche schlagen“, rechnet Patrick Boncourt, Reptilienexperte beim Deutschen Tierschutzbund, vor. Mit zusätzlichen Kosten für Futter, Tierarztbesuche und den Betrieb von Tagesleuchten und anderem elektronischen Gerät fielen bei einer Echse schnell Kosten zwischen 500 und 800 Euro im Jahr an.

Da Tierheime sich schon jetzt oft nicht um die Exoten kümmern könnten, würden viele von ihnen in Auffangstationen landen, sagt Baur. Auch die Station in München kämpfe bereits mit Platzproblemen: „Wir sind rappelvoll“. Jeden Tag gingen dort etwa ein Dutzend Mails und Anrufe von Reptilienhaltern ein, die ihre Tiere abgeben möchten.

Durch hohe Energiekosten wollen viele ihre Exoten wieder loswerden

Im Internet würden normalerweise teuer gehandelte Reptilienarten derzeit zu extrem niedrigen Preisen zum Verkauf angeboten, sagt Baur. Erst kürzlich seien in der Auffangstation zudem zwei ausgesetzte Leopardgeckos angekommen, von denen einer aufgrund seiner gelb-gezüchteten Farbe Hunderte Euro wert sei.

Doch auch die mit Schildkröten, Echsen und Schlangen gefüllten Terrarien in der Auffangstation müssen beheizt und beleuchtet werden. Dass sie die hohen Energiekosten diesen Winter noch stemmen können, hält Baur für unwahrscheinlich. „Wir können nicht mehr schlafen, weil wir nicht wissen, wie wir das finanzieren sollen“, sagt er.

Nach Ansicht von ProWildlife-Vertreterin Katharina Lameter wird durch die Energiekrise ein Problem verstärkt, dass schon länger existiert – dass viele exotische Tiere nicht ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten würden. Nun sei man in einem Dilemma, denn zu Hause könnten viele Menschen die Standards für eine artgerechte Tierhaltung nicht einhalten, in den überfüllten Tierheimen und Auffangstationen abgeben, könnten sie die Tiere aber auch nicht.

Auch interessant: Abgabewelle von Haustieren befürchtet – Tierschutzbund schlägt Alarm!

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Fehlende Fachkenntnis und Versäumnisse der Politik

ProWildlife sehe das Versäumnis aufseiten der Politik. Die Tierschutzorganisation fordere bereits seit einiger Zeit eine sogenannte Positivliste für Deutschland. „Eine Positivliste würde vorgeben, welche Tierarten sich als Haustiere eignen und weiter gehandelt und gehalten werden dürfen“, sagt Lameter. Außerdem sollten Tierhalter vor der Anschaffung ihrer Tiere nötige Fachkenntnisse nachweisen müssen.

Auch Markus Baur sieht das Wohl der Exoten in den laufenden Wintermonaten gefährdet. „Das wird ein ganz großes Tierschutzproblem“, sagt er. Manch ein Tierbesitzer könne im Winter auf die Idee kommen, dem exotischen Haustier eine Energiesparlampe hinzuhängen, und diese dazu nur wenige Stunden brennen zu lassen. „Daran werden die Tiere zugrunde gehen“.

Mit Material der dpa

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