16. August 2024, 16:36 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Unerwünschte Schwangerschaften gibt es auch im Tierreich. Daher kommt es gelegentlich auch zu Abtreibungen bei Hunden. Die Gründe können von lebensbedrohlichen Risiken für die werdende Mutter bis zu schwersten Behinderungen der Föten reichen, die ein Überleben der Tiere oft unmöglich machen. PETBOOK sprach mit einem Experten über dieses Tabuthema.
Eine unerwünschte Trächtigkeit kann es bei Hunden aus den unterschiedlichsten Gründen geben. So passiert es nicht selten, dass eine Hündin in einem unbeaufsichtigten Moment von einem Hund einer viel größeren Rasse gedeckt wird. Die Geburt würde sie nicht überleben. Es können aber noch andere medizinische Gründe vorliegen, die Schwangerschaft beim Hund durch eine Abtreibung abzubrechen.
Eine chemische Abtreibung ist nur innerhalb der ersten zwei Drittel der Schwangerschaft möglich
Die Trächtigkeit dauert bei Hunden im Schnitt etwa 60 bis 65 Tage, erklärt Veterinär Dr. Marco Antonio Fragoso im Gespräch mit PETBOOK. „In den ersten zwei Dritteln der Trächtigkeit entwickelt der Embryo alle Organe und im letzten Drittel wächst er nur noch.“ Dies sei wichtig zu wissen, um das Verfahren eines Schwangerschaftsabbruchs zu verstehen. Denn eine chemische Abtreibungsmethode kann man nur innerhalb der ersten zwei Drittel der Schwangerschaft anwenden. Also in etwa bis zum 40. Trächtigkeitstag. „Eine chirurgische Methode kann im Zweifelsfall jederzeit durchgeführt werden“, so der Tierarzt weiter.
Der häufigste Grund für einen Schwangerschaftsabbruch bei Hunden sei eine angeborene Fehlbildung der Föten, welche die Lebensqualität der Welpen beeinträchtigen kann oder wird. „Oder wenn sie mit dem Leben unvereinbar ist“, so Fragoso weiter. Beispielsweise bei Hydrocephalus, einer Erkrankung, die beim Menschen umgangssprachlich „Wasserkopf“ genannt wird, sowie der unvollständigen Ausbildung von Wirbelsäule oder Gliedmaßen.
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Viren wie Herpes oder Staupe können während der Schwangerschaft lebensgefährlich sein
Weitere Gründe für eine Abtreibung beim Hund können aber auch Kranioschisis – ein unvollständiger Verschluss des Schädels – sowie schwere Herzerkrankungen sein, erklärt Dr. Fragoso. Je nach klinischer Vorgeschichte der Hündin kann man diese Fehlbildungen durch
Ultraschall oder Röntgen diagnostizieren.
Aber auch bestimmte Infektionen in der Schwangerschaft können lebensgefährlich für die Tiere sein. „Wenn bei der Hündin während der Trächtigkeit ein Virus wie Herpes oder Staupe diagnostiziert wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Welpen – wenn sie es schaffen – mit einer aktiven Krankheit oder Missbildungen geboren werden“, sagt Dr. Fragoso. „Sobald der Tierarzt feststellt, dass ein Risikofaktor vorliegt, werden die Welpen je nach Stadium der Trächtigkeit entweder chemisch oder chirurgisch abgetrieben.“
„Die Pille danach“ kann für Hunde lebensgefährliche Folgen haben
Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Schwangerschaft zu beenden. Je nach Umstand der Hündin kann die Trächtigkeit mit einer Kastration, einer Östrogen-Behandlung, sowie „wegspritzen“ mittels Prostaglandinen oder der Gabe von Antigestagenen vom behandelnden Tierarzt beendet werden. So kann bis zu drei Tage nach einer ungewollten Verpaarung eine Östrogen-Behandlung erfolgen, die in etwa vergleichbar mit der „Pille danach“ beim Menschen ist.
Allerdings birgt diese Methode auch einige Risiken. Beispielsweise kann es hierbei zu einer Gebärmuttervereiterung kommen, die im Zweifelsfall lebensbedrohlich werden kann. Zudem kann der Einsatz von Östrogenen bei Hündinnen zu Knochenmarksschädigungen führen.1
Vereinzelte Föten können trotz Schwangerschaftsabbruch in der Gebärmutter überleben
„Bei den chemischen Methoden wird die Trächtigkeit mit Medikamenten unterbrochen, die in die normale Physiologie eingreifen, wie Anti-Progesteron-Medikamente“, erklärt Tierarzt Dr. Fragoso. So sei Progesteron das wichtigste Hormon für die Trächtigkeit. Die Gabe von Antigestagenen blockiere die körpereigenen Nervenrezeptoren und sorge somit zum Abbruch der Trächtigkeit.
Eine hundertprozentige Erfolgschance besteht jedoch nicht. Zwar sorgt der Einsatz von Medikamenten und Hormonen bei Hunden zu einem Abbruch der Schwangerschaft von bis zu 95 Prozent. Allerdings besteht das Risiko, dass einzelne Föten in der Gebärmutter überleben und dann ganz natürlich ausgetragen werden.
Kastration ist unter bestimmten Umständen bis zum 40. Trächtigkeitstag möglich
Es ist möglich, eine schwangere Hündin noch bis zum 40. Trächtigkeitstag zu kastrieren. Doch allein schon aus ethischen Gründen sollte man die OP möglichst früh durchführen. Denn bei dem Eingriff entfernt der Veterinär auch die Föten mit.
Zudem kann es nach dem 40. Schwangerschaftstag vermehrt zu Komplikationen kommen. Denn das Gewebe der Gebärmutter ist stark durchblutet und es kann zu Blutungen im Bereich der Eierstöcke kommen.
Abtreibungen sollten grundsätzlich möglichst früh bei Hunden erfolgen, empfiehlt auch Dr. Fragoso. Auf jeden Fall jedoch in den ersten zwei Dritteln der Schwangerschaft. „Allerdings ist es in einigen Fällen möglich, dass in diesem Stadium der Schwangerschaft keine Fehlbildungsdiagnose gestellt werden kann. Daher wird die chemische Methode vor allem in den Fällen angewandt, in denen es zu einer ungewollten Schwangerschaft gekommen ist“, führt der Experte aus.
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In diesen Fällen rät der Experte zu Kastration oder Sterilisation
„Bei Krankheiten würde ich sagen, dass es besser ist, direkt eine Kastration oder Sterilisation durchzuführen. Aufgrund der zukünftigen Ergebnisse ist das die beste Option für Tierhalter.“ So sei die Kastration in der Regel von Vorteil und gut für die Kontrolle der Hundepopulation.
Sollte es zu einer Abtreibung kommen, sei es wichtig, den körperlichen Zustand der Hündin vor der Behandlung zu beurteilen. Bei einer alten Hündin sei es wahrscheinlicher, dass sie schwerwiegende unerwünschte Folgen hat, erklärt der Experte. „Die Genesung nach einem chirurgischen Eingriff ist in der Regel genauso gut wie nach jeder anderen einfachen Operation. Das Risiko einer Infektion oder von Komplikationen ist gering, wenn die Wunde gut versorgt wird“, erklärt Dr. Fragoso abschließend.