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Studie mit 43.000 Tieren

Alle Hunde haben mindestens ein Verhaltensproblem

Ein junger Hund kaut an einem Schuh
Ein Hund kann noch so gut erzogen sein, doch anscheinend finden alle Halter trotzdem Verhaltensauffälligkeiten bei ihren Tieren Foto: Getty Images
Louisa Stoeffler
Redakteurin

12. Dezember 2024, 15:07 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Hundehalter müssen mit ihren Tieren häufiger an kleinen Problemen arbeiten. Sei es, dass zu sehr an der Leine gezogen wird oder das Geheule groß ist, wenn der Besitzer das Haus verlässt. Einer großen Studie zufolge gibt es tatsächlich bei quasi allen Hunden das ein oder andere Verhaltensproblem.

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Das manchmal seltsam anmutende Verhalten von Tieren einzuordnen, ist für Halter nicht immer leicht. Denn Dinge, die uns seltsam vorkommen – wie dass Hunde sich zur Begrüßung am Hintern beschnuppern oder gern einmal Exkremente zu sich nehmen – können sich viele Halter zunächst nicht erklären. Dies zeigt auch eine Studie aus dem US-amerikanischen „Dog Aging Project“, einer für die Forschung äußerst wichtigen Langzeitstudie. Aus den erhobenen Daten konnte nun auch abgeleitet werden, dass es quasi keinen Hund gibt, der nicht das ein oder andere Verhaltensproblem zeigt.

99,74 Prozent aller Hunde zeigt unerwünschtes Verhalten – laut den Haltern

Professor Bonnie Beaver von der Texas-A&M-Universität hat sich in ihrer Studie der Frage gewidmet, wie viel Hundeerziehung wirklich nützt. Dazu wertete sie Daten von 43.517 in der Datenbank des „Dog Aging Projects“ hinterlegten Tieren aus. Bereits zuvor konnten durch diese Menge an Daten spannende wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden. Zum Beispiel, dass Hunde mit Freunden im Alter gesünder sind (PETBOOK berichtete), oder dass Rassehunde und Mischlinge zu denselben häufigen Erkrankungen neigen (wie PETBOOK ebenfalls berichtete).

In der neuen Untersuchung von Professor Beaver zeigte sich, dass fast alle Hundehalter einen kritischen Blick auf ihr Tier haben. 99,74 Prozent der Halter gaben an, dass ihre Tiere moderate bis schwerwiegende Probleme haben. Darunter fielen Auffälligkeiten im Bereich Trennungs- und Bindungsverhaltensprobleme, Angst- oder Furchtverhalten sowie Probleme mit Unsauberkeit. Weitere bemängelte Verhaltensweisen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

VerhaltenskategorieProzentsatz
Trennungs- und Bindungsverhalten85,9%
Häufiges Fressen von Kot72,9%
Aggressives Verhalten55,6%
Angst- und Furchtverhalten49,9%
Andauerndes Bellen46,8%
Flucht- oder Ausbruchverhalten29,5%
Häufiges Fressen von Gras28,7%
Kauen auf ungeeigneten Gegenständen17,7%
Hyperaktives/unruhiges Verhalten14,8%
Jagen des eigenen Schwanzes oder Hinterteils11,0%
Unsauberkeit4,1%
Alle unerwünschten Verhaltensweisen99,74%

Laut Daten haben alle Hunde in den USA ein unbehandeltes Verhaltensproblem

Bei den Fragen zur Aggression ging es um Anzeichen von Feindseligkeit gegenüber anderen Hunden beim Spaziergang, um das Wegnehmen von Spielzeug durch den Besitzer und um Bellen, wenn eine Person am Haus vorbeigeht. Zu den angstbezogenen Fragen gehörten Angst davor, wenn sich eine unbekannte Person nähert, beim Baden und bei lauten Geräuschen wie Feuerwerk.

Zu den Sauberkeitsproblemen im Haus gehören Urinieren und Stuhlgang, wenn Hunde allein gelassen werden. Als Beispiele für Trennungs- und Bindungsstörungen wurden Winseln, wenn man allein ist, Kauen auf Objekten, die nicht für den Hund bestimmt waren, und Hinterherlaufen angegeben. 1

„Im Wesentlichen haben alle Haushunde in den Vereinigten Staaten mindestens ein mittelschweres bis schwerwiegendes Verhaltensproblem, das in der Regel von Tierärzten nicht behandelt wird“, erklärt Beaver in ihrem Beitrag. Sie schreibt weiter, dass Tierärzte nur selten nach Verhaltensproblemen der Hunde fragten. Besitzer würden diese Informationen auch selten mit den behandelnden Veterinären teilen. Trotzdem empfänden sie diese im Alltag zwar als störend, aber nicht therapiebedürftig.

Halter sehen viele Verhaltensprobleme ihrer Hunde – doch sind es wirklich welche?

Die Gründe dafür können vielfältig sein. Angefangen bei den Kosten für eine Verhaltenstherapie, der Verfügbarkeit solcher Angebote oder auch der Einsicht, dass eine Behandlung nötig wäre. Auch reicht das Alter der Tiere von jung bis alt und viele seien vor der Pandemie erworben worden. Die Tatsache, dass die Halter diese Fragen anonym beantworten konnten, mache sie zudem höchstwahrscheinlich ehrlicher.

Wie hoch die Prozentzahlen der Befragung lagen, sei für Beaver jedoch eine Überraschung gewesen, schreibt sie. Doch ein großes Handicap bei dem Ergebnis bleibt. Die Daten seien solide, wie Daniel Mills, Professor für Veterinärmedizinische Verhaltensforschung an der Universität Lincoln, der nicht an der Studie beteiligt war, der Tageszeitung „The Telegraph“ erklärte. Aber einige der Fragen könnten zu einer Überschätzung führen.

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„Ich würde infrage stellen, ob das ein Problem ist“

Denn einige der Antwortmöglichkeiten werden von Menschen als Verhaltensprobleme bei Hunden empfunden – stellen allerdings völlig normales Verhalten der sozialen Tiere dar. Zum Beispiel, wenn Hunde ein Problem damit haben, allein zu bleiben, gern nahe beim Menschen sitzen oder ihm folgen. Auch die Abneigung gegen andere Hunde beim Gassigehen und sogar das Fressen von Kot sind nicht unbedingt ein pathologisches Verhaltensproblem.

Diese Verhaltensweisen könnten „überhaupt nicht problematisch angesehen werden“, sagte Professor Mills „The Telegraph“ daher weiter. „Das könnte die 85-prozentige Prävalenz der gemeldeten trennungsbedingten Probleme erklären, und ich würde infrage stellen, ob das ein Problem ist.“

Auch ist unklar, inwieweit die Daten nur auf die USA anwendbar sind und ob in anderen Ländern mehr Verständnis der Halter für das natürliche Verhalten ihres Hundes besteht.

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Quellen

  1. Beaver, B. V. (2024). The prevalence of behavior problems in dogs in the United States. Journal of Veterinary Behavior, 76, 34-39. ↩︎

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