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Interview mit André Vogt

Hundetrainer: »Den Hund an Silvester zu ignorieren, ist keine Lösung

Silvester kann für Hunde besonders belastend sein, da sie ein viel empfindlicheres Gehör haben als Menschen.
Für viele Haustiere ist Silvester der blanke Horror. Die lauten Knallgeräusche von Feuerwerk lösen bei vielen Hunden Stress, Angst oder sogar Panik aus. Foto: Hundeschule Vogt

12. Dezember 2024, 11:56 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Die Zeit zwischen den Jahren ist für die meisten Tiere der blanke Horror. Grund dafür ist das Silvesterfeuerwerk, das vielerorts schon Tage vor dem Jahreswechsel gezündet wird und sie jedes Mal aufs Neue in Angst und Schrecken versetzt. PETBOOK fragte Hundetrainer André Vogt, wie Hundehalter ihrem Tier Silvester Sicherheit geben können.

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Während die meisten Silvester mit rauschenden Partys, einem Glas Sekt und der Vorfreude auf das kommende Jahr verbinden, verbinde ich den Jahreswechsel mit panischen Tieren und meinem Hund Splash. Dieser schreckte gerade zwischen den Jahren regelmäßig bei Knallgeräuschen auf, zitterte am ganzen Körper und war kaum zu beruhigen. Mit jedem Knall wurde er panischer, verkroch sich unter dem Bett oder flüchtete ins Badezimmer und zwängte sich unter den Toilettensitz. Ein Anblick, der kaum zu ertragen war.

Neben dem Gefühl der Hilflosigkeit, das viele Hundehalter in dieser Situation beschreiben, klagen viele auch über die Unwissenheit, was in einer solchen Situation zu tun ist. So hält sich seit Jahren die Theorie, den Hund am besten zu ignorieren, um ihn in seiner Angst nicht noch zu bestätigen. Doch ist das wirklich so? PETBOOK sprach mit Hundetrainer André Vogt darüber, was Hundehalter an Silvester beachten sollten, um ihrem Hund in dieser Situation bestmöglich beizustehen.

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Auch interessant: Wie ein Gehörschutz Angsthunden zu Silvester helfen kann

Halter sollten schon früh mit ihren Hunden arbeiten, um ihnen die Angst vor Silvester zu nehmen

PETBOOK: André, mein Hund Splash und auch unsere Redaktions-Hündin Yumi haben unglaubliche Angst vor Silvester. Das war aber bei beiden nicht immer so, sondern das hat sich mit der Zeit entwickelt. Allerdings wird hier in Berlin an Silvester heftig gebölllert, dass betroffene Hunde zum Jahreswechsel kaum vor die Tür können. Wie nimmst du die Situation als Hundetrainer wahr?
André Vogt: „Schwierig zu sagen, aber gefühlt sind das schon eine ganze Menge Hunde, die Angst zu Silvester haben. Vielleicht geht das schon in Richtung 50 Prozent. Es gibt Hunde, die sind panisch und überfordert, und dann gibt es solche, die sich einfach erschrecken. Viele Hunde haben ein Problem damit und es gibt Gründe, warum das so ist.“

Und was für Gründe sind das – abgesehen von den lauten Geräuschen?
„Es beginnt in der Welpenphase. Wenn Welpen das erste Mal Silvester erleben, können sie sich erschrecken, was zu Stress führt. Das kann jedes Jahr schlimmer werden.“

Gibt es etwas, was man als Halter tun kann, um das Problem zu vermeiden?
„Man kann einiges machen, jedoch sollte man nicht erst am Silvesterabend damit beginnen. Es ist sinnvoll, den Hund langsam an Geräusche zu gewöhnen, beispielsweise durch heruntergeladene Silvestergeräusche. Man kann unterstützend auch Kinderfeuerwerk nutzen, um den Hund vorsichtig an die Geräusche heranzuführen. Dabei aber bitte vorsichtig vorgehen.“

„Geräusche von Schüssen sind nicht vergleichbar mit den Silvestertönen“

Was hältst du von der Methode, zum Schützenverein zu gehen, um den Hund an das Geräusch von Schüssen zu gewöhnen?
„Das ist nicht verkehrt, dennoch sind die Geräusche von Schüssen nicht vergleichbar mit den Silvestertönen. Manche Hunde reagieren extrem auf Gewitter, aber bei Silvester nicht. Rassen spielen hier auch eine Rolle; einige sind empfindlicher gegenüber Geräuschen.“

Wann sollte man mit dem Training beginnen?
„Wenn man einen Welpen hat, dann auf jeden Fall in der Welpenphase. Wenn nicht, dann nicht erst zwei Wochen vorher damit anfangen. Es ist sinnvoll, schon früher mit leisen Geräuschen vorzutesten und zu schauen, wie der Hund reagiert. Vorbereitung ist das A und O.“

Wie kann ich meinen Hund an Silvester unterstützen?
„Man kann ihm Sicherheit geben, indem man körperlichen Kontakt und Nähe bietet. Ignorieren ist nicht hilfreich; man kann ihm auch einen sicheren Platz mit einer Ruhedecke einrichten, Musik abspielen und die Fenster sowie Jalousien schließen, um den Geräuschpegel zu minimieren.“

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„Es ist wichtig, dem Hund Sicherheit zu geben, auch wenn er Angst hat“

Du hast es gerade angesprochen. Den Hund in solchen Situationen zu ignorieren, um die Angst nicht zu verstärken. Das wird ja noch immer von vielen geraten. Was hältst du davon?
„Das ist eine veraltete Sichtweise. Es ist wichtig, dem Hund Sicherheit zu geben, auch wenn er Angst hat. Ich muss ihn jetzt nicht bemuttern und sagen ‚Ach, du armer‘ oder Ähnliches. Insgesamt hat Sicherheit viel mit Nähe und unter Umständen auch mit Körperkontakt zu tun. Den Hund einfach bewusst zu ignorieren …? Der gesunde Menschenverstand sollte einem sagen, dass es nicht ideal ist, den Hund einfach alleine zu lassen. Man sollte den Hund während dieser Zeit begleiten und für ihn da sein.

Man kann sich aber schon recht gut im Vorfeld vorbereiten. Ich kann beispielsweise schauen, wo sich mein Hund dann aufhalten wird und überlegen, wo der beste Ort für ihn sein kann. Ich kann eine Decke, also eine sogenannte Ruhedecke zum Beispiel, etablieren und aufbauen. Das heißt ein Ort, an dem mein Hund sich vielleicht besonders gut und sicher fühlt. Ansonsten können aber auch Dinge helfen, wie die Rollos im Haus herunterziehen und natürlich die Fenster zuschließen. Alleine schon was das Thema Gerüche angeht.“

Was ist, wenn mein Hund immer sehr gerne in seiner Höhle oder unter dem Sofa ist? Ist das okay oder muss ich den Körperkontakt aufrechterhalten?
„Nein, das ist natürlich okay. Ich muss ja nicht den ganzen Silvesterabend meinen Hund streicheln. Wichtig ist, dass es kein Verbot ist und ich keine Unsicherheiten verstärke. Einige Hunde finden Nähe beruhigend, aber nur, wenn ich selbst entspannt bin.“

Sollte man an Silvester ständig in der Nähe des Hundes sein?

Verstehe. Aber wenn der Hund sich von sich aus zurückzieht, sollte ich dann trotzdem in der Nähe bleiben?
„Ja, ich sollte da sein, aber es ist nicht zwingend nötig, ständig in der Nähe zu bleiben. Ich sollte den Hund aber nicht komplett alleine lassen, während ich feiere.“

Hast du Erfahrungen mit Schallschutzkopfhörern für Hunde gemacht, die vor Silvester schützen sollen?
„Ja, die Idee ist nicht schlecht, aber viele Hunde könnten mit den Kopfhörern überfordert sein. Eine gute Gewöhnung daran ist wichtig und die kann nicht erst einen Tag vor Silvester beginnen. Wenn der Hund die Kopfhörer als angenehm empfindet, können sie durchaus hilfreich sein. Außerdem gibt es das Konzept des ‚braunen Rauschens‘, das bestimmte Geräusche unterdrücken kann, ähnlich wie weißes Rauschen für Babys. Man kann das auch im Vorfeld nutzen und den Hund daran gewöhnen.“

Was sollten Halter beachten, um ihren Hund bestmöglich auf die Silvestersituation vorzubereiten?
„Es gibt viele Möglichkeiten, den Hund vorzubereiten. Es ist wichtig, in den Tagen um Silvester mit dem Hund nicht ohne Leine zu gehen, besonders wenn er schreckhaft ist. Jedes Jahr verschwinden viele Hunde an Silvester aufgrund von Panik. Daher sollte man strategisch spazieren gehen, um Stresssituationen zu minimieren.“

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Sollte man Hunde mit CBD-Öl beruhigen?

Wie stehst du zu Hilfsmitteln wie CBD-Öl oder anderen Beruhigungsmitteln?
„CBD-Öl kann hilfreich sein, sollte aber Wochen vorher aufgebaut werden. Medikamente sollten das letzte Mittel sein, um negative Erfahrungen für den Hund zu vermeiden.“

Wie sollte man denn reagieren, wenn der Hund an der Leine ist und sich erschreckt?
„Das hängt von der Intensität der Reaktion ab. Bei Hunden, die in Panik verfallen, ist Training oft schwierig, und in solchen Fällen ist es besser, ruhig zu bleiben. Der Halter sollte dem Hund Sicherheit geben, ihn ermutigen und gegebenenfalls weitergehen. Man sollte die Ruhe bewahren, nicht ziehen oder schreien, und den Hund in seinem Tempo mitnehmen. Selbst wenn der Hund zögert, ist es wichtig, durch Bewegung Stress abzubauen. In Extremfällen kann es notwendig sein, nach Hause zu gehen, aber in den meisten Situationen kann man seinem Tier durch ruhiges Verhalten und Sicherheit helfen, die Situation zu bewältigen.“

Themen Hundeverhalten Interview
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