18. Dezember 2024, 14:23 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Feuerwerke, Gewitter, Tierarztbesuche oder Autofahrten können für manche Hunde Stress bedeuten und Ängste auslösen. Anti-Stress-Halsbänder sollen hier Abhilfe schaffen und die betroffenen Hunde beruhigen. Doch ist das wirklich so? PETBOOK sprach mit Hundetrainerin Katharina Marioth.
Laute Geräusche, neue Orte oder ungewohnte Situationen können bei Hunden enormen Stress auslösen. Hierbei können sogenannte Anti-Stress-Halsbänder Abhilfe verschaffen, die mit für Hunden beruhigenden Duftstoffen und Pheromonen arbeiten. So zumindest das Versprechen der Hersteller. Doch halten diese Anti-Stress-Halsbänder wirklich das, was sie versprechen? PETBOOK hat mit Hundetrainerin Katharina Marioth über das Thema gesprochen.
Anti-Stress-Halsbänder enthalten synthetische Pheromone, die das natürliche Beruhigungssignal einer Mutterhündin imitieren
PETBOOK: Wie wirken Anti-Stress-Halsbänder auf Hunde und was sind die Hauptbestandteile, die die beruhigende Wirkung erzeugen?
Katharina Marioth: „Anti-Stress-Halsbänder setzen auf natürliche Wirkstoffe, die eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem des Hundes haben. Typische Bestandteile sind pflanzliche Extrakte wie Lavendel oder Kamille sowie synthetische Pheromone, die das natürliche Beruhigungssignal einer Mutterhündin imitieren. Einer der bekanntesten Wirkstoffe in diesem Zusammenhang ist das Dog Appeasing Pheromon (DAP).
DAP ist ein synthetisch hergestelltes Pheromon, das dem Beruhigungssignal nachempfunden ist, welches Hündinnen nach der Geburt ihrer Welpen absondern. Es signalisiert den Welpen eine sichere und geschützte Umgebung. Dieses Pheromon hat eine beruhigende Wirkung, die auch auf ausgewachsene Hunde übertragbar ist. In Anti-Stress-Halsbändern wird DAP kontinuierlich über die Haut und die Atemwege des Hundes aufgenommen. Dadurch wird eine konstante und langanhaltende Wirkung erzielt, die dem Hund in stressigen Situationen wie lauten Geräuschen oder fremden Umgebungen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelt.“
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„Anti-Stress-Halsbänder können bei akuten Stressoren wie Feuerwerk, Gewitter oder lauten Geräuschen helfen“
Für welche Arten von Stress oder Angstzuständen sind diese Halsbänder besonders geeignet (z. B. Trennungsangst, Feuerwerk, Tierarztbesuche)?
„Anti-Stress-Halsbänder können bei einer Vielzahl von Stress-Situationen eingesetzt werden. Besonders hilfreich sind sie bei akuten Stressoren wie Feuerwerk, Gewitter oder lauten Geräuschen. Sie eignen sich aber auch bei langfristigen Belastungen wie Trennungsangst, Umzügen oder leichten Formen von Umweltunsicherheit. Hunde, die generell schreckhaft oder nervös auf ungewohnte Situationen reagieren, können ebenfalls von der Anwendung profitieren.“
Wie lange dauert es normalerweise, bis ein solches Halsband Wirkung zeigt?
„Die Wirkung von Anti-Stress-Halsbändern setzt in der Regel innerhalb weniger Stunden nach dem Anlegen ein. Bei Pheromon-Halsbändern kann es jedoch 24 bis 48 Stunden dauern, bis der maximale Effekt erreicht ist. Pflanzliche Wirkstoffe wie Lavendel oder Kamille entfalten ihre Wirkung oft etwas schneller.“
Kann ein Anti-Stress-Halsband allein ausreichen, um Stress zu reduzieren, oder sollte es mit anderen Maßnahmen kombiniert werden?
„Ein Anti-Stress-Halsband kann eine wirksame Unterstützung sein, sollte aber nicht als alleinige Lösung gesehen werden – insbesondere bei stärkeren Stresszuständen. Es empfiehlt sich, das Halsband mit weiteren Maßnahmen wie Training zur Verhaltensänderung, gezieltem Stressmanagement und gegebenenfalls der Unterstützung durch einen Tierarzt und einem qualifizierten Hundetrainer zu kombinieren.“
»Im Vergleich zu Beruhigungsmitteln wirken Anti-Stress-Halsbänder kontinuierlich
Wie unterscheidet sich die Wirkung von Anti-Stress-Halsbändern im Vergleich zu anderen Beruhigungsmethoden?
„Im Vergleich zu Beruhigungsmitteln, die oral verabreicht werden, bieten Anti-Stress-Halsbänder eine sanfte, kontinuierliche Freisetzung der Wirkstoffe. Während Tabletten oder Tropfen kurzfristig und punktuell wirken können, sorgt das Halsband für eine konstante Wirkung über längere Zeit. Es erfordert keine tägliche Gabe oder Kontrolle der Dosierung.“
Wie lange kann ein Hund ein solches Halsband tragen, und gibt es dabei etwas zu beachten?
„Die Tragedauer variiert je nach Produkt. Viele Anti-Stress-Halsbänder sind so konzipiert, dass sie rund um die Uhr getragen werden können. Die Wirkzeit reicht oft von 3 bis 4 Wochen, danach muss das Halsband ausgetauscht werden. Wichtig ist, darauf zu achten, dass das Halsband richtig sitzt — es sollte eng genug anliegen, um Hautkontakt zu gewährleisten, aber nicht so eng, dass es den Hund einengt.“
Gibt es Anzeichen dafür, dass ein Hund darauf auch negativ reagiert?
„In sehr seltenen Fällen können Hunde auf die Inhaltsstoffe des Halsbands empfindlich reagieren. Mögliche Anzeichen sind Hautreizungen, vermehrtes Kratzen oder Unwohlsein. In diesen Fällen sollte das Halsband sofort entfernt und ein Tierarzt konsultiert werden. Auch Unbehagen oder vermehrtes Ablegen des Halsbands durch den Hund kann auf Unverträglichkeiten hindeuten. Anders aber als Futterzugaben hört die Wirkung mit Abnahme des Halsbands auf und ist dadurch deutlich simpler.“
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„Das Allheilmittel gibt es nicht. Weder von außen noch von innen“
Gibt es Alternativen, die Du bei stressanfälligen Hunden besonders effektiv findest?
„Ja, es gibt verschiedene Alternativen zu Anti-Stress-Halsbändern. Beruhigungstabletten oder -tropfen mit natürlichen Wirkstoffen wie Baldrian oder Passionsblume können eine Möglichkeit sein. Auch spezielle Anti-Stress-Sprays mit Pheromonen oder ätherischen Ölen können helfen. Eine weitere Methode ist die Anwendung von speziellen Druck-T-Shirts (Thundershirt), die durch sanften Druck eine beruhigende Wirkung erzielen.
Ergänzend sollte man unbedingt ein Entspannungstraining und Desensibilisierungsübungen einbauen, um langfristig Stress abzubauen. Methoden wie Tellington Touch, Akupunktur, Musiktherapie können einen kleinen Beitrag leisten. Dies ist aber immer individuell vom Hund abhängig. Wie immer gilt: ‚das‘ Allheilmittel gibt es nicht. Weder von außen noch von innen.“
Dein Hund trägt ebenfalls ein solches Halsband. Wie kam es dazu? Und wie lautet Dein Fazit?
„Mein Hund Helmut begann ein Anti-Stress-Halsband zu tragen, um seine Umweltunsicherheit zu reduzieren. Er ist wie viele Hunde aus dem Tierschutz kein total souveräner Kandidat und leidet eher still bzw. zeigt z.B. Schuppenbildung im Fell als typisches ‚stilles‘ Stressanzeichen. Es hilft bei ihm als Unterstützung für eine spürbar entspanntere Grundstimmung. Für uns hat es sich als eine gute Ergänzung zum Gesamtkonzept bewährt.“