13. Dezember 2023, 18:33 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
In den Innenstädten sind Obdachlose in Begleitung von Hunden eigentlich kein seltener Anblick. Doch in letzter Zeit hört man immer wieder von Bettlern, die ihre Hunde extra hungern lassen, um mehr Geld zu bekommen. Was ist dran und stecken wirklich organisierte Banden dahinter? PETBOOK sprach mit Stefanie Hinrichs von der „Initiative Pro Bella“, die gegen die tierquälerische Bettelmasche vorgehen will.
Es sind Szenen, die vermutlich jeder aus seinem Stadtbild kennt: Eine bettelnde Person, die gemeinsam mit ihrem Hund in der Fußgängerzone sitzt und die Vorbeilaufenden um Almosen bittet. In den meisten Fällen handelt es sich um Obdachlose, die sich gemeinsam mit ihrem Vierbeiner etwas dazuverdienen möchten, um über die Runden zu kommen. Allerdings gibt es auch Personen, die nur vorgeben, auf der Straße zu leben und die Hunde nur dafür benutzen, um Mitleid zu erregen, um somit mehr Geld zu bekommen. Das sagt jedenfalls Stefanie Hinrichs von der „Initiative Pro Bella“. PETBOOK sprach mit der Aktivistin über die Bettelmasche, bei der Hunde missbraucht und gequält werden sollen.
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Bettelmasche vor allem in Rheinlandpfalz beobachtet
In Städten wie Trier oder Koblenz sollen sie immer mehr auffallen: Bettler mit Hunden, die auffällig kostümiert und auffällig abgemagert sind. Die Tiere sollen sich nicht hinlegen oder ausruhen dürfen, damit sie präsent sind und Leute animieren, mehr Geld zu geben. Zuletzt berichteten unter anderem die Rhein-Zeitung und der SWR über die Bettelmasche mit Hunden.
Bisher beruht dies größtenteils auf Beobachtungen, doch die Initiative „Pro Bella“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, aktiv Beweise zu sammeln, um herauszufinden, ob Hunde von sogenannten „Bettelmafias“ missbraucht und evtl. gequält werden, heißt es auf der Facebook-Seite der Gruppe.
»Man kann mit Hunden sehr viel Geld verdienen
Im Gespräch mit PETBOOK erklärt die Aktivistin Stefanie Hinrichs: „Problematisch daran ist, dass die Tiere auf jeden Fall nicht artgerecht gehalten werden können, wenn sie bis zu zwölf Stunden in Städten oder vor Supermärkten zum Betteln ausgestellt werden.“ Dabei sei das Missbrauchspotenzial besonders hoch,weil man so viel Geld mit Hunden verdienen könne – im Vergleich zu betteln ohne Hund. Beim Anblick eines süßen Hundes ließen sich mehr Herzen erweichen – gerade die von Tierfreunden.
Problematisch sei daran zudem, dass diese Bettelgruppen das Bild von Obdachlosen mit ihren Hunden imitierten, erklärt Hinrichs. So würde der Eindruck eines Obdachlosen vermittelt, der quasi mit seinem Hund, vielleicht als letzten Freund und Familienangehörigen, auf der Straße lebe und keine andere Wahl habe. Oft steckten Menschen dahinter, die zum Betteln hier einreisen, ist sich Hinrichs sicher. Das sei eine Masche, mit der sich recht einfach Geld verdienen lasse. „Das haben uns viele Beobachter berichtet und das macht das Ganze so verführerisch.“
Bettler mit Hunden dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden
Dennoch sei an dieser Stelle klar gesagt, dass man nicht alle bettelnden Personen mit Hund unter Generalverdacht stellen kann oder sollte. Die meisten von ihnen hängen nämlich sehr an ihren Tieren und würden alles für sie tun. Das betont auch Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund: „Auf der einen Seite sind Hunde für Obdachlose oft treue Begleiter und eine letzte Brücke hinein in die Gesellschaft. Viele der Hunde haben eine enge Bindung zu ihren Besitzern und unter Umständen ein schöneres Leben als mancher Vierbeiner, der vielleicht ohne engen Kontakt zu seinem Besitzer im Zwinger gehalten wird.“
Auf der anderen Seite gäbe es tatsächlich organisierten Bettlerbanden, die Hunde missbrauchen, um durch sie mehr Geld zu bekommen, wie Schmitz auf PETBOOK-Nachfrage mitteilt. „Wenn Tiere als Werkzeug zum Almosensammeln verwendet werden, ist das natürlich verwerflich. Nur allzu oft wird Mitleid bei Tierfreunden erregt, die glauben, die Spende werde für Futter verwendet, was aber nicht immer der Fall ist“, so die Sprecherin vom deutschen Tierschutzbund. Wenn junge Tiere zum Erzielen eines besseren Sammelergebnisses angeschafft würden und stundenlang an zügigen Unterführungen oder U-Bahnhöfen liegen müssen, sei dies sicherlich nicht tiergerecht.
„Mir ist aufgefallen, dass da irgendwas nicht stimmt“
Solche Beobachtung habe Stefanie Hinrichs gemacht, woraufhin ihre „Initiative Pro Bella“ im Juni dieses Jahres entstanden sei, erklärt sie im Gespräch mit PETBOOK. So hätte sie in der Leipziger Innenstadt mehrfach ein Bettler mit einem jungen Malteser-Welpen beobachtet. „Mir ist aufgefallen, dass da irgendwas nicht stimmt. Der Mann hatte überhaupt keine Bindung zu dem Hund und war auch recht ruppig zu ihm. Ich habe dann Fragen zum Tier gestellt, aber das hat ihn überhaupt nicht interessiert. Er hat mir nur gedeutet, dass er Geld und Zigaretten will.“
Hunde dürfen nicht zur Ruhe kommen
Sie habe daraufhin in Hundegruppen in den sozialen Netzwerken herumgefragt, ob andere auch Bobachtungen zu diesem Mann und dem Malteser-Welpen gemacht hätten. „Da kam dann quasi raus, dass der Mann seinen Hund nicht liegen lässt, dass er den ganzen Tag da sitzen muss.“ Für Hunde eine echte Qual, gerade bei kühlen Temperaturen. Da sie ohne Bewegung bei Kälte schnell auskühlen und krank werden können.
„Daraufhin haben wir uns ans Veterinäramt gewendet, die dann Dokumentation von uns gefordert haben.“ Dabei seien Videos entstanden, die zeigen, wie der Hund mehrere Stunden dort sitzen musste und dabei mehrfach eingeschlafen und beinahe umgefallen wäre. „Dieser Mann hat dann wirklich mit der Leine gedroht und durch Rucken an der Leine auch dafür gesorgt, dass der Hund sich immer wieder hinsetzt.“ Für die Tierschützerin ein schlimmer Zustand.
»Überall wurde eine ähnliche Masche beobachtet
Eines Tages sei der Hund plötzlich verschwenden, erinnert sich die Aktivistin. „Ich habe dann im Internet Postings gemacht, wo dieser Hund geblieben ist und daraufhin ging die Lawine los. Plötzlich waren kleine weiße Malteser mit Bettlern in ganz Deutschland und auch in Österreich. Überall wurde quasi eine ähnliche Masche beobachtet, wobei sich die Hunde nicht hinlegen dürfen.“
Warum die Hunde nicht liegen, aber dafür stundenlang sitzen müssen, weiß die Aktivistin nicht genau. Doch sie hat Vermutungen: Zum einen sehe es vermutlich süßer aus, wenn die weißen Hunde die Passanten direkt ansehen und nicht einfach vor sich hindösten. „Zum anderen gab es ja diese Schlagzeilen, dass die Bettel-Hunde oft sediert sind. Ich persönliche denke, dass das der Versuch ist, von vornherein klarzustellen: ‚Mein Hund ist wach, mein Hund ist nicht sediert, hier ist alles in Ordnung.’“
Stecken Banden hinter der Bettelmasche mit Hunden?
Doch wer sind eigentlich diese Leute, die Hunde fürs Betteln missbrauchen? Laut den Beobachtungen, welche die „Initiative Pro Bella“ gesammelt haben will, handelt es sich bei ihnen meist um größere Gruppen, von denen aber nicht alle mit Hunden betteln, sagt Stefanie Hinrichs. „Es handelt sich um einen größeren Verband, aber die Struktur dahinter kann man nur vermuten. In Rheinlandpfalz wird etwa häufiger beobachtet, dass die Leute mit Autos vorgefahren werden und dann quasi ihre Posten einnehmen.“
Hunde werden täglich zum Betteln gewechselt
Dabei gebe es regionale Unterschiede, sagt Hinrichs. „In Koblenz hat man beobachtet, dass die Hunde unter den Bettlern täglich durchgetauscht wurden. Da hat man also immer die gleichen Gesichter, aber mit einem anderen Hund. Dabei fiel auf, dass eine Obdachlose keine vier großen Retriever haben kann. Da stimmt also offensichtlich etwas nicht. Ein Mitglied aus unserer Initiative hatte auch Kontakt zu der Dame und die hat uns gegenüber geäußert, dass sie das wohl nicht freiwillig macht.“
„Seit Mitte November steht mein Handy nicht mehr still.“
Laut Hinrichs herrsche gerade jetzt in der Weihnachtszeit Hochkonjunktur in den Fußgängerzonen mit dieser perfiden Bettelmasche. „Seit Mitte November steht mein Handy nicht mehr still. Unser E-Mail-Postfach der Initiative wird mit Bildern von Beobachtungen überflutet. Da ist schon eine Masche dahinter zu erkennen“, so die Sprecherin der Bürgerinitiative. Denn in der Weihnachtszeit sei die Spendenbereitschaft der Menschen besonders hoch.
»Das Bild eines Obdachlosen, der mit seinem Hund kuschelt, sieht definitiv anders aus
Ob es in den letzten Monaten tatsächlich zu einer Zunahme solcher Bettel-Fälle mit Hunden kam, konnte der Tierschutzbund auf PETBOOK-Anfrage nicht bestätigen. Dennoch sollten Augenzeugen verdächtige Beobachtungen immer aufmerksam beobachten und gegebenenfalls dokumentieren. Nur so könne unnötiges Tierleid beendet werden.
Doch wie kann man die schwarzen Schafe enttarnen, die ihre Hunde nur zum Betteln missbrauchen? „Passanten, die selber Hunde haben, sind da natürlich im Vorteil“, erklärt Stefanie Hinrichs. Man müsse hier auf die Bindung zwischen Mensch und Hund achten. So sei es auffällig, wenn die Personen keinerlei Kontakt zu ihrem Tier hätte und auch keine Verbundenheit zu ihm ausstrahlte. „Das Bild eines Obdachlosen, der mit seinem Hund kuschelt, daliegt und sich wärmt, sieht komplett anders aus.“
Person im Zweifelsfall auf den Hund ansprechen
Im Zweifelsfall sollte man die Person auf den Hund ansprechen, rät Hinrichs. „Wir haben erlebt, dass die Leute teilweise nicht mal wussten, wie alt ihr Hund ist. Das wäre dann auch ein Indiz.“ Zudem sollte stets beobachtet werden, wie sich der Hund im Beisein der Person verhält.
„Uns wurde schon berichtet, dass Hunde versucht haben, bei Damen in die Handtaschen zu kriechen, da sie regelrecht Angst vor den Leuten hatten, mit denen die da saßen.“ Bei verdächtigen Beobachtungen sollten sich Augenzeugen an die Polizei richten und dies zur Anzeige bringen.
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Quellen
- swr.de, „Tierquälerei in Innenstädten: Die Masche der Hundebettler“, (aufgerufen am 13.12.2023)
- bild.de, „Die Bettelmafia und ihr Hunde-Trick“, (aufgerufen am 13.12.2023)
- shz.de, „Die Bettler-Hunde im Schleswiger Stadtweg: Wo sind sie hin?“, (aufgerufen am 13.12.2023)