9. September 2024, 14:39 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Bestimmten Hunderassen wie Pittbull, Bullterrier oder American Staffordshire Terrier haftet noch immer das gefährliche Kampfhunde-Image der 1990er-Jahre an. Daher dürfen sogenannte Listenhunde in einigen Bundesländern nur unter besonderen Auflagen gehalten werden – wenn überhaupt. Kiez-Größte und TV-Promi Daniel Schmidt setzt sich für ihre Rechte ein.
Einige Hunderassen haben ein besseres Image als andere. So gelten Pudel als intelligent, Golden Retriever als freundlich und Rottweiler als gefährlich. Daher haben es einige Hunderassen mit ähnlichem Image hierzulande besonders schwer – auch rechtlich! Allerdings gibt es mittlerweile viele Studien, die belegen, dass es keine Hunderassen gibt, die grundsätzlich gefährlicher sind als andere. Daher setzen sich viele Organisationen und Tierschützer für die Belange der sogenannten Listenhunde ein. Hamburger Kiez-Größe und Gastronom Daniel Schmidt ist einer von ihnen. PETBOOK-Autorin und Hundetrainerin Katharina Marioth sprach im Rahmen des „Listimania“ – einem Listenhunde-Festival – mit ihm.
„Ich habe selbst erlebt, wie Polizisten mit scharfer Waffe auf mich und meinen Hund zukamen“
PETBOOK: Daniel, du setzt dich für Listenhunde ein. Wie kam es dazu?
Daniel Schmidt: „Ich habe das erste Mal den Drang verspürt, irgendwie etwas machen zu müssen und laut zu werden, weil ich selbst Halter eines Blue Line Pitbull-Terriers war. Das ist eine Glaubensfrage. Ich war etwa 17, als er zu mir kam. Damals war er ganz klein, vier Wochen alt und viel zu früh von seinen Eltern getrennt worden. Jedenfalls habe ich diesen Umschwung in Hamburg miterlebt, als gerade diese Hundegesetze kamen. Somit habe ich live miterlebt, wie die Menschen in Hamburg frei gedreht sind. Die Hunde wurden als die Schuldigen für all die misslichen Dinge, die da passiert sind, gesehen. Das war ein schlimmer Vorfall, als der kleine Volkan totgebissen wurde. Aber das, was danach passiert ist, war unfassbar.“
Was ist denn passiert?
„Ich habe selbst erlebt, wie Polizisten mit scharfer Waffe entsichert auf mich und meinen Hund zukamen und mich angehalten haben. Sie haben mich angebrüllt und als ‚scheiß Kampfhundbesitzer‘ bezeichnet. Ich hatte vorher eine entspannte Zeit mit meinem Hund. Meiner Meinung nach sind das entspannte Tiere.“
Auch interessant: TV-Star Matthias Mangiapane: „Ich wachte eines Morgens neben Pitbull im Bett auf“
Darum hat Daniel Schmidt heute keine Listenhunde mehr
Hast du immer noch einen „Listi“?
„Nein, heute bin ich Besitzer von drei Jack Russell-Mischlingen. Das liegt aber daran, dass wir – also meine Lebensgefährtin und ich – uns für kleine Hunde entschieden haben, weil das mit unserem gemeinsamen Kind einfacher ist.
Ich habe damals mitbekommen, wie ungerecht diese Tiere behandelt werden. Das hat mich tierisch genervt, dementsprechend wollte ich da immer schon was machen. Irgendwann habe ich dann in einer Reality-Show Ingrid Pavic kennengelernt, die sich schon eine ganze Weile für Listenhunde engagiert und auch beim Institut für Listenhundeforschung selbst Mitglied ist.“
»Mich stört, dass diese Listenhunde anders behandelt werden
Welche drei Dinge würdest du in Deutschland in Bezug auf Hunde und Hundehaltung ändern, wenn du könntest?
„Es gibt eigentlich nur eine Sache, die mich stört. Und zwar die Tatsache, dass diese Hunde anders behandelt werden. Es wird immer alles auf das Tier geschoben. Ich würde am liebsten ändern, dass der Mensch zur Rechenschaft gezogen wird – beziehungsweise ein Hundeführerschein eingeführt wird. Gemeint ist damit ein Sachkundenachweis, der zeigt, wer Ahnung und Interesse hat, wer eventuell auch noch Möglichkeiten anhand eines großen Gartens oder ähnlichem hat. Dementsprechend würde dann auch dieser ganze Mist nicht mehr passieren.“
Angenommen, du wärst Lehrer an einer Grundschule und dürftest das Fach Tierschutzethik unterrichten. Was würden die Kinder bei dir lernen?
„Tierschutzethik ist ein toller Begriff, den ich so in dem Kontext noch nicht gehört habe. Tatsächlich bin ich ein bisschen Lehrer, denn ich habe einen 13-jährigen Sohn. Ich bin in der glücklichen Lage – und auch stolz darauf – dass ich vier andere Bengel großgezogen habe, die alle aus heftigen, unterschiedlichen sozialen Umfeldern kommen und wirklich krasse Situation erlebt haben. Einer ist dabei, der hat zweimal mit angesehen, wie seine Mutter von unterschiedlichen Männern hart auf die Fresse bekommen hat. Der ist emotional verhärtet seitdem.
Einer leidet unter dem Asperger-Syndrom und einer der Jungs hat ADHS und kriegt sehr viel Ritalin. Ich kann mich damit gut identifizieren, weil ich das auch als Kind hatte und kein Ritalin bekam. Diese Jungs bringe ich seit dem ersten gemeinsamen Tag mit Hunden in Kontakt, wir gehen gemeinsam in den Wald und unternehmen viel. Sie lernen dadurch, dass wir alle gleich sind – von der Natur über das Tier zum Menschen. Ich bringe Ihnen bei, dass es immer nur darauf ankommt, wie man mit seinem Gegenüber umgeht. Wie man in den Wald ruft, so schallt es eben wieder heraus. Das würde ich auch anderen beibringen.“
»Ich habe Freunde, die nur wegen der Listenhunde-Gesetze Hamburg verlassen haben
Lass uns noch mal auf Listenhunde zu sprechen kommen: Hamburg hat – ähnlich wie Berlin – eine Inselfunktion. Alle umliegenden Bundesländer haben keine Rasseliste mehr. Hamburg hat noch eine, Berlin ebenfalls. Wie siehst du das?
„Die Lage ist nach wie vor katastrophal. Ich habe selbst Freunde und Freundinnen, die nur aufgrund dieser Gesetze Hamburg verlassen haben. Die leben seit Jahren total unglücklich in Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen und wollen zurück zu ihrer Familie, ihrem Umfeld, da wo sie groß geworden sind. Das ist einfach absoluter Quatsch. Du übertrittst eine Grenze – das kann ja innerhalb von zehn Metern der Fall sein – und da ist dein Hund plötzlich gefährlich und im anderen Bundesland nicht. Ich fühle mich dabei an die Coronazeit zurückerinnert.“
So verlor er seine Angst vor Listenhunden TV-Star Matthias Mangiapane: „Ich wachte eines Morgens neben Pitbull im Bett auf“
Panel-Diskussion mit Katharina Marioth TV-Star Jochen Bendel »Hundeführerschein? War ja total für’n Arsch!
PETBOOK-Interview Gutachterin fordert Ende von Rasselisten und Wesenstests: »Grundsätzlich gefährliche Hunde gibt es nicht!
„Ich will neue Gesetze und dafür andere abschaffen“
Wie genau meinst du das?
Ich habe während der Coronapandemie mitbekommen, dass viele Bundesländer einfach nicht organisiert waren. Da waren die Länder einfach nicht untereinander vernetzt und wussten oft nicht, was das andere Bundesland macht.
Um mal ein Beispiel zu nennen: Wenn ich Bock auf einen Drink hatte, dann bin ich ab 22:00 Uhr nach Schleswig-Holstein gefahren, weil sie da eine Stunde länger aufhatten. Das ist beispielgebend für diesen Quatsch mit den Hunden. Es wäre doch einfach, auf die Menschen zuzugehen, sich die Halter anzuschauen und zu überprüfen, wer echt Bock auf einen Hund hat und vielleicht das nötige Kleingeld.
Bist du also für mehr Aufklärung statt neuer Gesetze?
„Definitiv will ich mehr Aufklärung. Gerne auch neue Gesetze, dafür aber andere abschaffen. Es gibt viele Gesetze, die absolut unsinnig sind. Ein Hundeführerschein wäre meines Erachtens zielführend.“
Treffen Sie PETBOOK-Autorin Katharina Marioth auf dem „PAWLOOZA – Das Hunde-Festival“ der TONY-Petfluencer Agentur. Dort hält die „Hundetrainerin des Jahres 2023“ einen Vortrag zum Hundeführerschein und beantwortet Fragen rund um das Thema Hundeerziehung am PETBOOK-Stand.