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Interview

„Totales Chaos!“ Das sagt eine Listenhunde-Halterin über ihre Erfahrungen beim Wesenstest

Hundehalterin Jeanette musste mit ihrer American-Staffordshire-Hündin Missy zum Wesenstest, da diese in ihrem Bundesland als „Listenhund“ gilt.
Hundehalterin Jeanette musste mit ihrer American-Staffordshire-Hündin Missy zum Wesenstest, da diese in ihrem Bundesland als „Listenhund“ gilt. Foto: Amstaff Missy
Dennis Agyemang
Redakteur

29. Dezember 2023, 16:45 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Beim Wesenstest werden sowohl Hunde, die zu bestimmten Listenhunde-Rassen gehören, sowie Vierbeiner auf Gefährlichkeit getestet, die bereits mit aggressiven Verhalten aufgefallen sind. Doch ganz unkritisch werden diese Wesenstests nicht gesehen, da sie deutschlandweit nicht einheitlich sind und es regional viele Unterschiede gibt. Doch wie stehen eigentlich betroffene Halter zu diesen Wesenstests? PETBOOK hat nachgefragt.

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Seit Jahren müssen in Deutschland Hunde, die bestimmten Rassen angehören, regelmäßig einem Wesenstest unterzogen werden. Dabei soll das Gefahrenpotenzial, das von diesem Tieren ausgeht, eingeschätzt werden können. Allerdings ist deutschlandweit nicht einheitlich geregelt welche Rassen und aus ihnen entstandene Mixe überhaupt als gefährlich gelten. Daher unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland welche Hunde dort als Listenhunde gelten und unter welchen Auflagen sie dort gehalten werden dürfen.

Auch interessant: Was passiert bei einem Wesenstest für Hunde? 

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„In meinen Augen wird das Thema falsch angegangen“

PETBOOK wollte wissen was betroffene Halter von den Wesenstests halten und wie sie diese erleben. Listenhundhalterin Jeannette aus der Nähe von Frankfurt, die als Petfluencerin „staffygirl.missy“ bei Instagram über ihr Leben mit ihren Hunden berichtet, gibt im Interview Einblicke in ihre Erfahrungen beim Wesenstest mit ihren Hunden.

PETBOOK: Deine Hunde müssen zum Wesenstest. Warum?
Jeannette: „Weil unsere Hunde – American-Staffordshire-Hündin ‚Missy‘ und American Bully ‚Nugget‘ – auf der sogenannten Liste der ‚gefährlichen Hunde‘ stehen. Der American Bully steht zwar auf keiner Liste, da die Rasse in Deutschland noch immer nicht anerkannt wird. Aber wegen seiner äußerlichen Ähnlichkeiten mit American Staffordshire oder Pitbull wird er trotzdem als ‚gefährlicher Hund‘ eingestuft – total grundlos. Und das, ohne seinen Charakter oder sein Wesen zu kennen. Meiner Erfahrung nach beschäftigen sich die Ämter – bis auf wenige Ausnahmen – nicht ausreichend mit dem Thema. Hauptsache, die Staatskasse klingelt.“

Wie nimmst du als betroffene Halterin sie Wesenstests wahr?
„In meinen Augen wird das Thema falsch angegangen. Ich finde es falsch, dass nur bestimmten Rassen einen Wesenstest ablegen müssen. Wie kann es sein, dass selbst auffällig gewordene ‚normale‘ Hunde ihn nicht ablegen müssen? Es gibt genug Hunde ‚normaler‘ Rassen, die so einen Wesenstest nicht mal ansatzweise bestehen würden. Das ist ein ziemlich großes Durcheinander, da es nicht einheitlich durchgeführt wird.“

Hündin Missy ist recht unsicher und mag es daher nicht von jedem angefasst zu werden. Für viele Prüfer ein No-Go, sagt Halterin Jeanette.
Hündin Missy ist recht unsicher und mag es daher nicht von jedem angefasst zu werden. Für viele Prüfer ein No-Go, sagt Halterin Jeanette. Foto: Amstaff Missy

„Ich wurde viermal zum Wesenstest gebeten und das grundlos!“

Viele Halter von sogenannten Listenhunden bemängeln, dass die Wesenstests nicht einheitlich sind und regional teils stark abweichen können. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
„Es unterscheidet sich massiv von Bundesland zu Bundesland und sogar von Prüfer zu Prüfer. Leider teilweise sogar auch von Hund zu Hund. Es gibt zwar Richtlinien wie ein Wesenstest ablaufen soll und was kontrolliert werden sollte. Ich hatte bereits 13 Jahre lang einen sogenannten Listenhund, einen American Staffordshire Terrier. Mit ihm musste ich dreimal einen Wesenstest ablegen. Wäre er nicht Anfang des Jahres verstorben, dann hätte er sogar einen vierten machen müssen – und das mit 13 Jahren! Da ist es auch egal wie fit der Hund ist, ob blind, taub, stumm, kerngesund oder was auch immer mit ihm ist.“

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Nicht einmal das Ordnungsamt wusste, weshalb der 13-jährige Hund noch zum Test sollte

Kannst du dich noch an den ersten Wesenstest erinnern?
„Ja, Ceccos erster Wesenstest galt damals zwei Jahre, die nächsten beiden jeweils vier Jahre. Danach wurde ich erneut zum Wesenstest gebeten und zwar grundlos! Gesetzlich sieht es so aus: in der Regel drei Wesenstests in Folge ohne Unterbrechung und die bis maximal zum 10. Lebensjahr. Ab dem 10. Lebensjahr gibt es keine Pflicht mehr. Wieso ich mit einem 13-jährigen ‚Listenhund‘ erneut aufgefordert wurde, kann mir keiner erklären. Nicht einmal das Ordnungsamt.“

Was genau wurde bei diesem Wesenstest gemacht?
„Ceccos erster Wesenstest war mit etwa 15 Monaten und fand in einem Einkaufszentrum statt. Es wurde geschaut wie er auf Kinder, die dort herumliefen, reagiert, sowie auf diverse Menschen. Manche hatten zufällig einen Hund dabei, dann wurde natürlich geschaut wie er darauf reagiert. Aber auch auf Bälle. Der Prüfer hat während des Tests mit einem Ball hinter ihm herumgespielt. Dann sind wir mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage gefahren. Dort wurde er an ein Rohr angebunden und ich musste außer Sichtweite gehen.“

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„Der Prüfer ist gegen den Hund gelaufen und hat ihn angerempelt“

Und was ist dann passiert?
„Der Prüfer ist zum Hund hin, ist gegen ihn gelaufen, hat ihn angerempelt, hat ihn gestreichelt und hat gegen das Rohr geschlagen. Er hat rumgeschrien, geklatscht, getrampelt. Hat einen Regenschirm geholt, mit damit auf den Boden geschlagen, was wohl bedrohlich wirken sollte. Er hat auch den Regenschirm schlagartig vor meinem Hund aufgespannt. Dann sind wir wieder hoch aus der Tiefgarage und haben uns kurz in ein Café gesetzt und dort den Sachkundenachweis gemacht. Das ist quasi die Prüfung für den Hundehalter. Und das war’s. Im Anschluss wurde dann vom zuständigen Ordnungsamt die Haltererlaubnis für zwei Jahre ausgestellt.“

Was hattest du für einen Eindruck von dem Sachkundenachweis?
„Den Sachkundetest muss der Hundehalter einmal pro Listenhund absolvieren, um überhaupt eine Haltererlaubnis zu bekommen. Auch der Sachkundetest ist unterschiedlich. Je nachdem worauf der Prüfer grade Wert legt und welche Fragen er stellt. Manche machen es auch schriftlich zum Beispiel mit Ankreuzen.“

Der zweite Wesenstest kam dann nach zwei Jahren?
„Ja, genau. Wir sind über einen Wochenmarkt gelaufen und sind dabei nicht mal einen Hund begegnet. Das ging damals alles knapp 15 Minuten. Danach wurde dann die Haltererlaubnis für weitere vier Jahre ausgestellt.

Halterin Jeanette mit ihrer American-Staffordshire-Hündin Missy.
Halterin Jeanette mit ihrer American-Staffordshire-Hündin Missy. Foto: Amstaff Missy

„Wir hatten eine riesige Diskussion mit dem Ordnungsamt!“

Der dritte Wesenstest verlief ebenfalls sehr ruhig. Wir saßen wieder in dem gleichen Café wie beim ersten Wesenstest. Mein Hund sollte einfach nur ruhig liegen bleiben während wir uns unterhalten. Dann sind wir nochmal vor die Tür gegangen und mein Hund musste sich absetzen und es lief jemand mit einem anderen Hund vorbei. Dann sind wir noch die Straße hoch und runter gelaufen – mit und ohne Leine. Mein Hund sollte natürlich ordentlich bei mir laufen. Das war’s. Danach wurde dann wieder eine vierjährige Haltererlaubnis ausgestellt.“

Aber dann hättest du noch einen vierten Test machen sollen?
„Genau, im Normalfall hätte nach dem Dritten eigentlich eine unbefristete Haltererlaubnis erteilt werden müssen. Wurde es aber nicht. Das war damals wohl ein Fehler vom Ordnungsamt. Daher wurde ich dann Anfang des Jahres wirklich dazu aufgefordert, mit meinem todkranken Listenhund, der nur noch schlecht laufen konnte, erneut einen Wesenstest abzulegen! Wir hatten eine riesige Diskussion mit dem Ordnungsamt, jedoch waren die sich wegen des Fehlers bei der Austellung keiner Schuld bewusst. Denen war es egal, was mit dem Hund ist oder wie es ihm geht.“

Wie sieht es aktuell mit den Wesenstest bei Missy und Nugget aus?
„Bei beiden verliefen die ersten Wesensprüfungen – trotz gleichem Prüfer – ziemlich unterschiedlich. Die Prüfungen von meinem ersten Listenhund sind nicht mal ansatzweise vergleichbar mit den anderen beiden. Meine Missy ist beispielsweise ein eher unsicherer Hund, was dem Prüfer auch bekannt war. Daher hat er auch Rücksicht darauf genommen: Es wurde weder an ihr rumgefummelt noch wurde sie bedrängt oder ähnliches. Es wurde geschaut wie sie reagiert, wenn zum Beispiel Kinder vorbeilaufen, rennen oder mit einem Fahrrad an ihr vorbeifahren.

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„Es gibt Prüfer, die wollen gefühlt einfach nicht, dass der Hund die Prüfung besteht“

Auch hier musste ich sie wieder anbinden und außer Sichtweite gehen. Der Prüfer ist dann mehrmals an ihr vorbeigelaufen und ihr dabei auch näher gekommen. Die Kinder ebenfalls, aber nicht so wie damals bei meinem ersten Listenhund.

Bei Nugget war die Prüfung ähnlich. Er wurde ebenfalls angebunden, der Prüfer hat versucht ihm gegenüber etwas bedrohlich zu wirken, in dem er sehr zielstrebig auf ihn zugerannt ist, hat herumgeschrien, und in die Hände geklatscht hat und versucht hat ihn mit dem Lärm zu provozieren. Wir sind auch eine kleine Runde mit ihm durch den Ort gelaufen. Dabei gab es eine Hundebegegnung und einen Hund hinter einem Zaun. Das war’s. Ich bin echt dankbar das wir so einen Prüfer haben, der nicht nur aufs Geld aus ist und ‚seinen Job‘ macht. Sondern auch einfach menschlich und einfühlsam gegenüber den Hunden ist.“ 

Was nervt dich als betroffene Halterin an den Wesenstests?
„Man merkt wie unterschiedlich die Prüfungen ablaufen. Es gibt Prüfer, die wollen gefühlt einfach nicht, dass der Hund die Prüfung besteht und es gibt Prüfer, die sehen nicht nur die Prüfung allein. 

In einigen Bundesländern müssen Listenhunde verpflichtend einen Maulkorb tragen.
In einigen Bundesländern müssen Listenhunde verpflichtend einen Maulkorb tragen. Foto: Amstaff Missy

„Es gibt Prüfer, bei denen hätte ich mit Missy niemals den Wesenstest bestanden“

Es gibt Prüfer, bei denen ich mit Missy niemals den Wesenstest bestanden hätte. Allein schon, weil sie sich wegen ihrer Unsicherheit nicht von jedem anfassen lässt und für einige ist das Grund genug, den Hund durchfallen zu lassen! Da frage ich mich: Wieso muss mein Listenhund jeden anderen Menschen oder Hund mögen? Ihr mögt ja auch nicht jeden – geschweige denn – lasst euch von allen Menschen antatschen, oder? Wieso muss das der Hund wollen? Wenn ein Dackel den Dalmatiner von nebenan nicht mag, ist das doch auch egal für die Politik!

Nervig ist auch, dass es Unterschiede gibt, wie oft so ein Wesenstest abgelegt werden muss. Das ist wirklich von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Es kann sogar vorkommen, dass zwischen den jeweiligen Gemeinden nur 2 Kilometer liegen, aber in jeder etwas komplett anderes gilt! Da entscheidet scheinbar jede Gemeinde oder jedes Bundesland für sich selbst. Es ist ein ziemliches Durcheinander und kaum übersichtlich.“

Wie macht sich „dieses Durcheinander“ in deinem Alltag bemerkbar?
„Die einen schreiben trotz positiver Prüfung Leinenpflicht oder auch eine Maulkorbpflicht vor. Oft wissen nicht mal die zuständigen Ordnungsämter selbst Bescheid, was bei ihnen vorgeht. Auch wenn ich beispielsweise bei uns in der Gemeinde keine Auflagen habe, kann es passieren, dass ich in der nächsten Gemeinde Auflagen habe. Was total sinnfrei ist! Wenn ich mit meinem Hund einen positiven Wesenstest abgelegt habe, kann es passieren, dass die Gemeinde Auflagen fordert, obwohl beim Wesenstest keine festgelegt wurden. Wer soll denn da durchblicken?

Die Kosten für Sachkunde- und Wesenstest variieren übrigens auch! Ob man zwei Jahre oder vier Jahre Haltererlaubnis bekommt variiert ebenfalls! Kommt auf den Sachbearbeiter an und scheinbar auch von seiner Tagesform! Man kann Glück haben, oder aber eben auch Pech!“

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„Wesenstests sollte es nicht nur für bestimmte Hunderassen geben – stattdessen sollten die Menschen getestet werden“

Wie sinnvoll sind deiner Meinung nach Wesenstests?
„Ich finde, dass es so einen Wesenstest nicht nur für bestimmte Rassen geben sollte. Stattdessem sollte vorher erstmal der Mensch geprüft werden, denn es kann sich gefühlt jeder x-Beliebige einen Hund zulegen. Ich sage immer: Der Mensch ist schuld am Verhalten des Hundes – zumindest in den meisten Fällen!

Außerdem sollte es einen einheitlichen Ablauf geben. Es gibt genug Hunde, die ein auffälliges Verhalten haben und da passiert einfach nichts. Das wird immer unter den Teppich gekehrt. Wenn es da zu einem Vorfall kommt passiert ‚nichts‘. Kommt es aber bei Listenhunden zu einem Vorfall ist die Hölle los und die Leidtragenden sind dabei dann die Hunde. Sie werden aus ihrem Umfeld gerissen, oft sogar einfach eingeschläfert. In der Öffentlichkeit werden diese Hunde immer ins schlechte Licht gestellt, anstatt dass die Schuld mal bei den Menschen gesucht wird.“

Wie läuft das mit dem Prüfer. Kann man sich den aussuchen?
„Ja, zu welchen Prüfer man geht, bleibt einem in der Regel selber überlassen! Er muss aber aus dem gleichen Bundesland kommen wie man selbst. Es gibt eine Liste dafür, die man in der Regel vom Ordnungsamt bekommen kann. Es kommt aber auch vor, dass diese Listen einem nicht zur Verfügung gestellt werden. Genauso wie bei manchen die Unwissenheit ausgenutzt wird und das Ordnungsamt einem den Prüfer zuweist! Den muss man aber nicht nehmen. Keine Gemeinde oder Stadt darf vorschreiben wo man hingeht! Daher macht es Sinn sich mit anderen Listenhund-Haltern auszutauschen.“

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