21. August 2024, 5:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Hunde gelten als des Menschen bester Freund. Allerdings legt eine Studie nahe, dass sich die Tiere dafür nicht bewusst entscheiden, sondern dass dies in ihrer DNA festgeschrieben ist. So sehr, dass ihr „Freundschaftsgen“ bereits an eine genetische Anomalie erinnert.
Dass Hunde sich seit der Domestizierung sehr weit von ihren Verwandten, den Wölfen, entfernt haben, sieht man Rassen wie Dackel oder Chihuahua optisch bereits an. Doch die genetischen Veränderungen reichen noch viel tiefer, wie eine Studie nun belegt. Denn es gibt wohl ein „Freundschaftsgen“, das keinem anderen Zweck dient, als Hunde freundlich und anhänglich gegenüber Menschen zu machen. Forscher gehen sogar davon aus, dass die Veränderungen einer genetischen Anomalie entsprechen.
Bestimmte Stellen der DNA von Hunden enthalten „Freundschaftsgen“
Durch die Domestizierung durch den Menschen entwickeln sich Tiere schneller, als es in der Natur möglich wäre. Ein Beweis dafür sind die über 350 unterschiedlichen Hundearten, die von verschiedenen Zuchtorganisationen anerkannt sind. Dabei verändert sich aber nicht nur das Aussehen, auch bestimmte Verhaltensweisen werden durch Zucht gefördert. Zum Beispiel ist ein Weimaraner sehr auf die Jagd getrimmt, während andere Hunde vom Verhalten her zum Begleit- und Familientier geworden sind.
Aber egal, welche Aufgaben Hunde für den Menschen erfüllen sollten. Wichtig war, dass sie dem Zweibeiner gegenüber freundlich gesinnt waren. So scheint vielen Hunden eine grundsätzlich auf den Menschen gemünzte Kontaktfreudigkeit oder Geselligkeit innezuwohnen. Diese zeigt sich in einer Studie bei sieben von zehn domestizierten Hunden, nicht aber bei ihren Verwandten, den Wölfen. Laut der Untersuchung einer US-amerikanischen und ungarischen Forschungsgruppe kann man dieses soziale Verhalten sogar an spezialisierten „Freundschaftsgenen“ sehen, die sonst keinen weiteren Zweck erfüllen. Dadurch zeigen Hunde ein verstärktes Interesse an der Interaktion mit Menschen, was auch als Hyper-Sozialität bezeichnet wird.
Um diese Zusammenhänge zu untersuchten, nutzten die Wissenschaftler Material von der Hirn- und Gewebebank für Hunde der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest. Die dort untersuchten Tiere wurden nach ihrem Tod der Wissenschaft zur Verfügung gestellt, um komplexe Hirnstrukturen erstmals analysieren zu können. Die Studie erschien im Fachmagazin „BMC Genomics“.1
„Freundlichkeitsgen“ bei Hunden hat weitreichende Folgen
Anhand von Beobachtungen, die den Forschern am Hirnstamm der Tiere auffielen, konnten sie zeigen, dass bestimmtes genetisches Material nur dem Zweck dient, dass Hunde sich freundlich zeigen. Genauer gesagt befinden sich diese Merkmale auf dem Chromatin. Dies ist dafür verantwortlich, DNA-Verbindungen dreidimensional zu verdichten und vor Mutationen zu schützen. Allerdings scheinen sich auf diesen Molekülen selbst auch genetische Informationen zu finden.
„Dieses Gen spielt eine Rolle bei der neuronalen Entwicklung und den Bahnen, die mit Angst und Geselligkeit zusammenhängen, und ist wahrscheinlich eine Schlüsseldeterminante für das freundliche Verhalten, das durch die Domestikation geprägt wurde“, sagte Hauptautorin Dr. Bridgett von Holdt in einer Pressemitteilung. „In unserer aktuellen Studie wollten wir untersuchen, wie genetische Varianten die 3D-Struktur der DNA, die dieses Gen enthält, beeinflussen.“
Konkret handelt es sich dabei um ein Gen mit dem Namen GTF2I. Dieses löst durch seine Strukturveränderungen auch Prägungen im Verhalten der Tiere aus. Bereits seit einigen Jahren gehen Forscher der Theorie nach, dass dies Hyper-Sozialität, extreme Freundlichkeit, aber auch Veränderungen in Gesicht und Schädel bewirkt.
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Ist das „Freundschaftsgen“ eine DNA-Anomalie bei Hunden?
Besonders spannend war die Erkenntnis, dass die genetischen Veränderungen, die die Forscher bei Hunden gefunden haben, dem bei Menschen bekannten Williams-Beuren-Syndrom (WBS) entsprechen. Bei dieser genetischen Anomalie auf Chromosom 7 kann es zu Veränderungen des Kopfes sowie verschiedenen Erkrankungen der inneren Organe kommen. Zudem können Menschen mit WBS auch unterschiedliche kognitive Fähigkeiten entwickeln. Während sie zwar schnell Lesen lernen, ausdrucksstark und kontaktfreudig sind, bleiben sie in anderen Bereichen intellektuell zurück. So haben Personen mit WBS einen durchschnittlichen IQ von 56.2
Bei Hunden haben Forscher eine parallele Struktur zu dieser genetischen Anomalie gefunden. Dr. Dhriti Tandon, Erstautorin der Studie, verglich in der Pressemitteilung die Ähnlichkeiten der genetischen Strukturen miteinander. „Im Wesentlichen berichten wir über eine mögliche molekulare Konvergenz zwischen hyper-sozialem Verhalten bei Hunden und dem Williams-Beuren-Syndrom beim Menschen.“
Diese Zusammenhänge müssen nun noch weiter untersucht werden. Allerdings scheinen sie schon jetzt nahezulegen, dass Hunde im Laufe der Domestizierung eine spezielle Art der sozialen Intelligenz angezüchtet wurde, die sich auch in ihrer DNA zeigt. Diese könnte aber auch weitreichende körperliche Folgen wie verkürzte Köpfe und anders geformte Gesichter haben.