31. Oktober 2024, 18:01 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Für viele Hunde ist die Zeit zwischen den Jahren der blanke Horror. Schuld daran ist das Feuerwerk, das bereits Tage vor Silvester und oft auch bis in den Januar hinein gezündet wird. Durch die lauten Knallkörper geraten viele Tiere in blanke Panik. Und auch die Halter leiden mit, denn der Anblick des verängstigten Haustieres ist nur schwer zu ertragen.
Wenn ich an meinen Hund Splash zurückdenke, dann hätte ich mir gewünscht, so etwas wie Gehörschutz für Hunde hätte es damals schon gegeben. Denn an Silvester war mein Windhund-Mix, den ich aus dem Tierschutz hatte, nur ein verängstigter Schatten seiner selbst. Sobald in der Nachbarschaft die ersten Knaller zuhören waren, flüchtete er panisch ins Badezimmer oder unter mein Bett. Dort zitterte er am ganzen Körper und ließ sich kaum beruhigen. Es war jedes Jahr aufs neue herzzerreißend.
An Gassirunden war tagelang nicht zu denken, seine Notdurft verrichtete er mit müh und not kurz auf der Terrasse. Weiter ließ er sich nicht bewegen. Seither habe ich ein etwas gestörtes Verhältnis zu Silvester und Feuerwerkskörpern im Allgemeinen.
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Halter leiden oft mit ihren Haustieren mit
Mit diesem Erlebnisse bin ich bei weitem nicht der einzige. Viele Haustiere leiden unter dem Silvesterlärm Höllenqualen und dadurch leiden ihre Halter automatisch mit. Im Internet finden sich daher viele verschiedene Tipps, was man tun kann, um seinem Vierbeiner bei Feuerwerk bestmöglich beizustehen. Neben fragwürdigen Praktiken, wie Sedierungen, Beruhigungsmittel oder gar der Gabe von Eierlikör, liest man immer wieder von Gehörschutz für Hunde. Dem offensichtlich kleineren Übel für das Tier.
Lisa Frankenberger ist Pressesprecherin bei der Tierschutzorganisation Tasso e.V. und hat mit ihrer Hündin Dottie ein Gehörschutz-Training im Selbsttest gewagt. „Der Gehörschutz ähnelt den großen ‚Micky-Maus-Ohren‘, die Kinder auf Konzerten tragen. Es gibt ihn in einer Variante mit Klettbändern oder als Schlauchschal mit integrierten schützenden Muscheln über den Ohren“, erklärt Frankenberger im Gespräch mit PETBOOK. „Wie viel der Gehörschutz dämpft, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Hundetyp, Gehörschutz-Modell, Sitz des Schutzes und Nähe zum Geräusch.“
„Meine Hündin hört mich kaum, wenn sie den Gehörschutz trägt“
Wie sehr so ein Gehörschutz für Hunde Geräusche dämpfen kann, könne sie nicht sagen, doch sie habe die Erfahrung gemacht, dass ihre Hündin sie nur schwer hören könne, wenn sie die Kopfhörer trägt. „Ich muss dann schon immer sehr laut sein“, so ihr Fazit. Zudem könne ihre Vierbeinerin mit dem Gehörschutz auf ganz prima entspannen, sagt Lisa Frankenberger. Während des Gehörschutztrainings habe es sogar mal einen spontanen Vorfall gegeben, der sie nachhaltig beeindruckt habe, wie die Halterin verrät.
„Genau am Abend des zweiten Trainingstages, als wir wirklich gerade erst angefangen haben und sie mit dem Gehörschutz auf in ihrem Körbchen lag, gab es ein lautes Feuerwerk – unangekündigt! Ich habe nicht mitbekommen, dass nebenan im Nachbarort Kirmes ist.“ Da habe sie erschreckt zu ihrer Hündin geschaut, doch die war „immer noch entspannt mit ihrer Kaustange zugange.“ Lisa Frankenberger habe die Rollläden heruntergelassen, den Fernseher laut aufgedreht und für Dottie eine Leberwurst-Schleckmatte fertig gemacht.
„Habe echt 20 Minuten lang selber in totaler Panik verbracht“
„Ich konnte ihr in dieser Situation unmöglich den Gehörschutz abnehmen, weil dann hätte sie das Feuerwerk gehört und hätte es natürlich mit dem Gehörschutz verknüpft“, erklärt Frankenberger ihr Dilemma. „Ich habe echt 20 Minuten lang selbst in totaler Panik verbracht, während mein Hund mega entspannt war. Entweder hat Dottie dieses Feuerwerk wirklich nicht mitbekommen, oder es war für sie einfach so leise, dass es nicht den Punkt überschritten hat, an dem sie Angst bekommt.“ In jedem Fall fühlt sich Lisa Frankenberger jetzt für Silvester und jedes weitere Feuerwerk zwischendurch gewappnet.
Doch wie hat sie Dottie an den Gehörschutz gewöhnt? „Im ersten Schritt haben wir den Gehörschutz hingelegt und Leckerlis darauf gelegt, damit Dottie ihn in ihrem eigenen Tempo erkunden konnte. Sie sollte merken, dass von dem Gehörschutz keine Gefahr ausgeht. Dottie ist sehr neugierig und furchtlos, also hat sie den Gehörschutz schnell akzeptiert“, erinnert sich die Halterin zurück.
Ein Kinderstirnband kann beim Training nützlich sein
„Danach haben wir ein Kinderstirnband benutzt, um sie daran zu gewöhnen, etwas über den Kopf gezogen zu bekommen, was viele Hunde ja nicht mögen. Mit einem Leckerli habe ich sie durch das Stirnband gelockt und sie jedes Mal belohnt. Schließlich haben wir den Gehörschutz wieder eingebracht und sie Schritt für Schritt mit Leberwurst dazu gebracht, ihn zu akzeptieren.“
Hier müsse mit viel Geduld, positiver Bestätigung und Leckerli gearbeitet werden, weiß die Expertin. Nach zwei Trainingseinheiten habe sie Dottie den Gehörschutz bereits anziehen können, was sie noch heute mit Leberwurst belohne. Pro Trainingseinheit habe sie versucht, die Tragedauer von Mal zu Mal immer weiter zu steigern.
Lisa Frankenberger benutzt den Gehörschutz immer dann, wenn sie das Gefühl hat, dass er ihrem Hund hilft. „Unsere Hauptsorge sind Feuerwerke. Gewitter machen ihr nichts aus, aber Feuerwerke sind ein Problem, vor allem, weil es in unserer Gegend viele gibt. Wenn ich weiß, dass ein Feuerwerk bevorsteht, setze ich ihr den Gehörschutz auf und wir bleiben drinnen.“ Dann bekomme ihr Hund eine Schleckmatte, einen Schnüffelteppich oder etwas zum Kauen. „Das hilft ihr, sich zu entspannen, und sie legt sich oft ganz ruhig neben mich“.
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Halter sollten schon frühzeitig mit dem Training beginnen
Die Kopfhörer können übrigens auch von ängstlichen Hunden bei der Gassirunde getragen werden. Allerdings sollte der Vierbeiner bereits an den Gehörschutz gewohnt sein sowie an der Leine geführt werden. Denn zum einen kann der Vierbeiner je nach Gehörschutz weniger von der Umwelt hören oder falls ein Feuerwerkskörper in seiner Nähe explodiert, sich erschrecken und in Panik weglaufen.
Allerdings empfiehlt Lisa Frankenberger schon früh mit dem Training zu beginnen. Denn wenn der Hund während eines Feuerwerks, das ihn ohnehin schon erschreckt, auch noch etwas auf die Ohren bekommt, kann das die Situation für das Tier noch verschlimmern.