8. April 2025, 5:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ihr Hund schleppt Bälle und Spielzeug an, sobald Sie bequem auf der Couch sitzen? Viele glauben, der Vierbeiner möchte damit zeigen, dass er spielen will. Doch das stimmt nicht immer. Hundetrainer Torsten Bencke verrät, was hinter dem Verhalten steckt.
Einen Ball, ein Stofftier oder der Lieblingsknochen – kaum kommen Sie nach Hause, bringt Ihnen Ihr Hund ein Spielzeug? Was viele Halter freut, ist vielleicht weniger süß und erfreulich als gedacht. Zumindest, wenn es nach der Londoner Hundetrainerin „Howl School for Dogs“ geht. In einem Instagram-Video erklärt sie Haltern, dass Hunde Spielzeug vor allem dann anschleppen, wenn sie gestresst sind: Das Apportieren diene weniger dem Spieltrieb als vielmehr der emotionalen Selbstregulation. Ist das wirklich so?
PETBOOK fragte bei Hundetrainer Torsten Bencke nach. Der Hamburger arbeitet seit über 20 Jahren mit Hunden und kann diese These nicht bestätigen. „Das ist für mich so ein typisches Beispiel, in dem jemand eine Theorie aufstellt, um Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagt er zu dem Video. „Der Hund, den man hier sieht, wirkt absolut nicht gestresst.“
„Sharing is caring“ – ein Zeichen der Zuneigung?
Laut Torsten Bencke ist das Bringen von Gegenständen tatsächlich häufig einfach nur ein Ausdruck von Freude und Verbundenheit: Hier werden die wertvollsten Dinge geteilt und dem Halter anvertraut. „Das ist genau das, was man eigentlich bei einem Hund erzeugen will“, erklärt er. Hunde seien von Natur aus soziale Wesen, die auf Kooperation ausgelegt sind. Viele Hunde bringen ihren Besitzern Dinge, weil sie gelernt haben, dass dies eine positive Reaktion hervorruft – sei es durch Aufmerksamkeit, Lob oder ein gemeinsames Spiel.
Die Bedeutung der „Bringtreue“
„Was man dabei sieht, ist eine Art von Bringtreue“, sagt Torsten Bencke. Die sogenannte Bringtreue spielt vor allem in der Jagdhundearbeit eine Rolle, wo sie die Fähigkeit eines Hundes bezeichnet, ein gefundenes Objekt zuverlässig zu seinem Halter zu bringen. Die meisten unserer heutigen Rassen stammen von Jagdhunden ab, die gezüchtet wurden, um geschossene Beute zu holen und unbeschädigt zurückzubringen, erinnert Torsten Bencke, der selbst Jagdhunde hält. „Hunde wie Pudel, Spaniels oder eben auch Labradore wurden über Jahrhunderte darauf selektiert, genau dieses Verhalten zu zeigen“, sagt der Hamburger Hundetrainer.
Diese Veranlagung ist auch heute noch tief in den Genen vieler Hunderassen verankert – nicht nur bei klassischen Jagdhunden, sondern auch bei vielen Mischlingen. Ein Labrador, der seinem Besitzer einen Ball bringt, folgt also einem angeborenen Verhalten und tut ganz einfach das, was der Hund tun soll und will.
Jagdhunde folgen beim Apportieren und Bringen von Gegenständen also ihrem Trieb und tun damit etwas ganz Natürliches. Wie aber steht es mit Hunden, die nicht speziell für das Apportieren gezüchtet wurden? Wahrscheinlich ähnlich, denn für Hunde ist das Bringen eines Gegenstandes eine sinnvolle Beschäftigung, die geistige und körperliche Auslastung bietet.
Kann hinter dem Verhalten dennoch auch Stress stecken?
Aber was ist mit der These, dass Hunde das Apportieren nutzen, um Stress abzubauen? Tatsächlich kann das in manchen Fällen zutreffen – aber nicht immer in einem negativen Sinn. Stress ist nicht automatisch schlecht, wie Bencke erklärt: „Dass Stress so negativ ist, liegt an der Bedeutung, die wir ihm als Mensch geben. Ein Hund, der eine Aufgabe hat – zum Beispiel ein Objekt zu suchen und zu bringen –, erlebt eine Form von positivem Stress. Er bekommt eine Aufgabe, die er erfüllen möchte, was ihn mental fordert und ihm eine Struktur gibt.“
Vielleicht können wir uns einen Hund, der beim Bringen seines Lieblingsspielzeugs etwas gestresst wirkt, vorstellen wie einen Menschen, der gerne Rätsel löst oder Sport treibt. Die kurzfristige Aktivierung ist förderlich für das Wohlbefinden, solange sie nicht in dauerhaften, negativen Stress umschlägt. Das klingt für ein Instagram-Video, von dem man hofft, dass es viral geht, nur vermutlich nicht dramatisch genug.
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Ist der Hund gestresst, wenn er ein Spielzeug bringt? So erkennen Sie es
Falls sie dennoch fürchten, dass Ihr Hund tatsächlich aus Unsicherheit oder Nervosität heraus Gegenstände bringt, sollten Sie auf weitere Symptome zeigen, zu denen diese hier gehören_
- Hecheln ohne körperliche Anstrengung
- Gähnen, obwohl der Hund nicht müde ist
- Übermäßiges Lecken der eigenen Lippen
- Eingeklemmte Rute oder geduckte Körperhaltung
Sollten Sie solche Anzeichen bei Ihrem Hund feststellen, könnte es sinnvoll sein, einen Experten hinzuzuziehen, um zu analysieren, ob das Verhalten tatsächlich auf Stress zurückzuführen ist.
Sollten man verhindern, dass der Hund Spielzeug bringt?
Ob Sie das Bringen von Gegenständen bestärken oder nicht, hängt von Ihrer persönlichen Vorliebe und dem jeweiligen Hund ab. Grundsätzlich ist das Verhalten weder problematisch noch muss es abtrainiert werden – im Gegenteil. Wenn Ihr Hund Ihnen voller Freude ein Spielzeug bringt, können Sie dies ruhig mit positiver Aufmerksamkeit oder einem gemeinsamen Spiel belohnen.
Sollte Ihr Hund jedoch exzessiv Gegenstände anschleppen und dabei nervös wirken, kann es sinnvoll sein, alternative Beschäftigungen anzubieten, um Stress abzubauen. Hier bieten sich unter anderem folgende Möglichkeiten an:
- Nasenspiele: Verstecken Sie Leckerlis oder Spielzeuge, damit Ihr Hund sie suchen kann.
- Zerrspiele: Manche Hunde bauen Spannungen durch Zieh- und Zerrspiele ab.
- Kauartikel: Längeres Kauen kann beruhigend wirken.
- Ruhige Streicheleinheiten: Manche Hunde entspannen durch Körperkontakt.

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Fazit
Dass ein Hund seinem Besitzer Spielzeug bringt, ist in den meisten Fällen ein Zeichen von Freude und sozialer Bindung und selten ein Anzeichen für Stress. Gerade Rassen mit einer Apportierveranlagung zeigen dieses Verhalten instinktiv. Auch wenn Hunde in stressigen Situationen gelegentlich Gegenstände ins Maul nehmen, bedeutet das nicht, dass sie im menschlichen Sinne „gestresst“ sind.