13. September 2023, 6:03 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Es ist der Albtraum für alle Beteiligten: Der Hund hat gebissen – ein anderes Tier oder sogar einen Menschen. Das Opfer hat Schmerzen, vielleicht eine Wunde und steht unter Schock, und auch an Hundehaltern geht ein solcher Vorfall nicht spurlos vorüber.
Nicht nur der Schreck darüber, dass ihr Tier zugebissen hat, sitzt tief, für Halter stellt sich nun auch die Frage, welche Konsequenzen ihnen drohen. Muss man sich selbst bei der Polizei anzeigen, bekommt der Hund einen Maulkorb verpasst und muss der Halter eine Geldstrafe zahlen? PETBOOK hat einen Rechtsanwalt gefragt.
Inhaltsverzeichnis
- Warum beißt der Hund?
- Was ist zu tun, wenn der Hund gebissen hat?
- Muss man es selbst der Polizei melden, wenn der eigene Hund zugebissen hat?
- Welche rechtlichen Folgen drohen, wenn mein Hund zugebissen hat?
- Auch strafrechtliche Konsequenzen möglich
- Was droht meinem Hund?
- Ab wann gilt mein Hund als gefährlich?
- Wie werde ich behördliche Auflagen wieder los?
- Quellen
Warum beißt der Hund?
Wenn ein Hund plötzlich beißt, kann es viele Gründe dafür geben. Meist geschieht es, um sich zur Wehr zu setzen, etwa während einer Auseinandersetzung mit einem anderen Hund. Geht der Hund jedoch plötzlich auf ein anderes Tier oder sogar einen Menschen los, ist das keine Bagatelle. Aus welchen Gründen auch immer das Tier sich aggressiv gezeigt hat, einen Beißvorfall sollte man niemals ignorieren. Zwar gibt es einen Unterschied zwischen dem Knapsen eines Welpen und dem gezielten Biss eines erwachsenen Hundes. Dennoch sollte am besten schon ein Welpe lernen, dass Menschen und andere Tiere nicht gebissen werden dürfen.
Für ausgewachsene Hunde gilt diese Regel erst recht. Denn wenn sich das ausgewachsene Tier nicht gegen einen Angriff gewehrt hat, besteht ein hohes Risiko, dass es erneut zubeißt. Oft stecken eine falsche oder unzureichende Sozialisation, schlechte Erziehung oder ein extrem ausgeprägter Beschützerinstinkt hinter solchen Vorfällen. Mitunter entwickeln Hunde auch erst später ihre Bissigkeit, etwa, weil sie gelernt haben, dass sie damit durchkommen. So dürfen sie etwa ihren Platz im Bett behalten, wenn sie nach ihren Haltern schnappen, die sie herausheben wollen. Mit konsequenter Erziehung sollten Halter dieses Verhalten unterbinden. Holen Sie sich am besten Hilfe von einem professionellen Hundetrainer, damit Ihr Hund erst gar nicht zum Beißer wird.
Was ist zu tun, wenn der Hund gebissen hat?
Wichtig ist, nach einem solchen Vorfall nicht in Panik oder Wut zu verfallen. Bleiben Sie ruhig und leinen Sie Ihren Hund an, falls nicht bereits geschehen. Suchen Sie das Gespräch mit dem Opfer oder Halter des anderen Hundes, aber hüten Sie sich vor reflexhaftem Kleinreden des Vorfalls oder gar Schuldzuweisungen, das Opfer sei „doch selbst schuld“, weil es einen Fehler gemacht habe. Bedenken Sie, dass Sie für die Folgen des Bisses geradezustehen haben. Das Opfer direkt nach dem Vorfall zu verärgern, indem Sie ihm die Schuld dafür geben, trägt nicht zur Entspannung der Lage bei, ganz im Gegenteil.
Auch schreien, wild gestikulieren oder gar weglaufen sollten Sie nicht. Kümmern Sie sich stattdessen um das Opfer, schauen Sie, ob es verletzt ist. Braucht es einen Arzt, ist eine blutende Wunde entstanden, die versorgt werden muss? Wichtig: Kämpfen zwei Hunde miteinander, gehen Sie niemals dazwischen – nicht nur, weil Sie im Eifer des Gefechts selbst gebissen und verletzt werden könnten.
Gebrüll, das Zerren am Halsband oder Herumfuchteln könnte die Tiere zudem noch wilder machen. Mitunter ist zu lesen, es helfe, die kämpfenden Tiere mit Wasser zu bespritzen, damit sie aufhören. Was auch immer Sie machen, bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr, denn meist hören die Tiere von selbst auf, sobald sich einer der Beteiligten zurückzieht.
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Muss man es selbst der Polizei melden, wenn der eigene Hund zugebissen hat?
Meist wird sich das Opfer von sich aus an die Polizei oder die Ordnungsbehörden wenden, wenn es von einem Hund gebissen wurde. Für die Halter des Hundes, der zugebissen hat, besteht jedoch keine Meldepflicht, sie müssen die Behörden nicht von sich aus über den Zwischenfall informieren, wie Uwe J. Badt, Rechtsanwalt für Tierrecht aus Ganderkesee in Niedersachsen, erläutert. „Bei Hunden ist nicht wie bei einem Parkrempler mit dem Auto, den man selbst melden muss.“
Sich einfach aus dem Staub machen sollte man jedoch auch bei einem Beißzwischenfall nicht. „Sie sind verpflichtet, Ihre Personalien anzugeben und wahrheitsgemäße Angaben gegenüber dem Opfer zu machen“, sagt der Jurist. Sollten Sie dennoch versuchen, mit Ihrem Hund zu flüchten, hat Ihr Opfer sogar das Recht, Sie festzuhalten, bis die Polizei eintrifft. Darauf sollten Sie es nicht ankommen lassen. Dokumentieren Sie stattdessen den Vorfall, Zeit und Ort, machen Sie unter Umständen ein paar Fotos mit Ihrem Handy und notieren Sie sich ebenfalls Namen und Adresse des Opfers.
Ist das Opfer schwerer verletzt oder steht es unter Schock, lassen Sie es keinesfalls in diesem Zustand zurück. Rufen Sie notfalls einen Rettungswagen. Nach einem Tierbiss wird der Hundehalter – sollte der Vorfall gemeldet worden sein – Post vom Ordnungsamt erhalten. Darin wird er zu einer Stellungnahme aufgefordert, zu der er jedoch nicht verpflichtet ist. Wer Angaben macht, sollte am besten auch Zeugen des Vorfalls benennen und Angaben zu eventuellen Verletzungen des eigenen Tiers machen. Ist man sich beim Ausfüllen unsicher oder der Ansicht, der eigene Hund habe nichts falsch gemacht, sollte man darüber nachdenken, einen Rechtsanwalt zu informieren.
Welche rechtlichen Folgen drohen, wenn mein Hund zugebissen hat?
Grundsätzlich müssen Hundehalter für Schäden, die ihr Tier verursacht hat, einstehen, betont Rechtsanwalt Uwe J. Badt. Dabei kommt es darauf an, welche Folgen der Biss für Mensch oder Tier hat und welche Schritte das Opfer ergreift. Gebissenen stehen je nachdem Schmerzensgeld, Schadenersatz und andere Ansprüche zu. Dazu können die zerbissene Hose oder die zerstörten Schuhe gehören, die Halter ersetzen müssen. Aber auch die Fahrt zum Arzt, Medikamente oder Hilfsmittel wie Krücken müssen Sie oder Ihre Hundeversicherung zahlen.
Ebenso kann, wie bereits erwähnt, Schmerzensgeld fällig werden. Die Höhe richtet sich unter anderem nach Art der Verletzung beim Opfer. Bei einer kleineren, oberflächlichen Wunde dürfte sie geringer ausfallen als, wenn das Opfer eine tiefe Wunde erlitten hat, die womöglich genäht werden musste oder sich sogar infiziert hat. Kann das Opfer wegen des Hundebisses eine Weile nicht arbeiten, werden Sie ihm unter Umständen den Verdienstausfall ersetzen müssen. Wurde ein anderer Hund verletzt, müssen Sie zumindest die Tierarztkosten übernehmen.
Auch strafrechtliche Konsequenzen möglich
Unter Umständen ist das aber noch nicht alles. Hat Ihr Hund etwa beim Gassigehen einen Menschen gebissen, müssen Sie damit rechnen, dass wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt wird, wie Rechtsanwalt Uwe J. Badt sagt. Um sich dem Vorwurf der Fahrlässigkeit ausgesetzt zu sehen, müssen Halter im Umgang mit Ihrem Hund die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ außer Acht gelassen haben, wie es juristisch heißt.
Das Landgericht Oldenburg etwa verurteilte einen Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe, weil sein nicht angeleinter Schäferhunde in einem Wohngebiet auf eine Frau zugesprungen war, die gerade vom Einkaufen kam. Der Mann rief nach dem Hund, dieser reagierte jedoch nicht. Die Frau versuchte, den Hund mit ihren Einkaufstaschen abzuwehren, wobei sie stürzte und sich verletzte. Das Gericht war der Auffassung, dass der Angeklagte seine Sorgfaltspflicht verletzt hatte, weil er seinem großen Hund frei in einem Wohngebiet laufen ließ, obwohl dieser nicht gehorchte. Er habe wissen müssen, dass sein Hund Menschen anspringen könnte und diese sich dadurch womöglich verletzen könnten.
Lassen Sie Ihren Hund also ohne Leine herumstreunen, obwohl er nicht auf Zuruf zurückkommt, kann das bereits ausreichen. Auch wenn Ihr Hund immer wieder von Ihrem Grundstück türmt, kann Ihnen im Fall des Falles Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Fahrlässige Körperverletzung und Sachbeschädigung, etwa an Kleidungsstücken oder einem anderen Hund, sind allerdings sogenannte relative Antragsdelikte, ihnen wird in der Regel nur nachgegangen, wenn sich das Opfer dazu entscheidet, Strafantrag zu stellen. Doch Achtung: Schadensersatzpflichtig sind Sie auch dann, wenn das Opfer keinen Strafantrag stell. Denn die Ansprüche des Gebissenen sind unabhängig von eventuellen Ermittlungen wegen Körperverletzung oder anderen Delikten entstanden. Und auch für den Hund hat das fahrlässige Verhalten seiner Halter Folgen.
Was droht meinem Hund?
Hat Ihr Hund einen Menschen oder auch ein anderes Tier angefallen, kann ihn die zuständige Behörde an Ihrem Wohnort als gefährlich einstufen – mitunter schon nach dem ersten Vorfall. Dann können weitere Auflagen wie etwa eine Maulkorbpflicht oder einen Wesenstest auf Ihren Vierbeiner zukommen. Welche Auflagen genau zu erfüllen sind, wenn ein Hund als gefährlich gilt, hängt unter anderem von den jeweiligen Hundegesetzen Ihres Bundeslandes und weiteren Regelungen, etwa Gefahrenabwehrverordnungen und kommunalen Satzungen, ab. Eine deutschlandweit einheitliche Regelung dazu gibt nicht. Zehn von 16 Bundesländern, darunter Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, verfügen derzeit über eigene Hundegesetze. Demnach gelten je nach Bundesland unter anderem solche Hunde als gefährlich, die:
- einen Menschen oder ein Tier gebissen haben
- ein anderes Tier gehetzt oder gewildert haben
- einen Menschen (auf gefährliche Weise) angesprungen haben
- als aggressiv bekannt sind, auch wenn es noch zu keinem Beißvorfall gekommen ist
Die Einstufung eines Hundes als gefährliches Tier nach einem der genannten Vorfälle ist im Übrigen rasseunabhängig. Sie betrifft nicht nur sogenannte Listenhunde, die in zahlreichen Bundesländern bereits wegen ihrer Rasse als gefährlich eingestuft sind und deswegen nur unter Auflagen oder sogar überhaupt nicht gehalten werden dürfen.
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Ab wann gilt mein Hund als gefährlich?
Selbst wenn Ihr Hund nicht zugebissen hat, kann ein Fehlverhalten bereits zu Konsequenzen führen, betont Rechtsanwalt Uwe J. Badt aus dem niedersächsischen Ganderkesee. Mitunter reiche es, dass ein Hund eine Person anspringt und dadurch „die Gefährdung eines Menschen“ zu befürchten ist. So entschied unter anderem ein Gericht in Nordrhein-Westfalen: Ein angeleinter Hund hatte ein Kind angesprungen, woraufhin es umfiel und zwei Quetschungen am Bein davontrug. Gebissen wurde das Kind nicht. Dennoch befand das Gericht, dass bereits dieses Anspringen ausreiche, um den Hund als gefährlich einzustufen.
Die zuständige Behörde erließ daraufhin eine sogenannte Ordnungsverfügung gegen die Hundehalterin, nach der für den Hund ab sofort ein Leinen- und Maulkorbzwang galt. Zudem musste die Halterin zum Führen des nun gefährlichen Hundes eine Haltererlaubnis beantragen. Solche Genehmigungen beinhalten meist einen Wesenstest für den Hund und einen Sachkundenachweis sowie die persönliche Zuverlässigkeit des volljährigen Halters. Manche Bundesländer verlangen auch eine Hundehaftpflichtversicherung, ein Zuchtverbot oder ähnliches. Ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen beurteilte auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Niedersachsen) die Gefährlichkeit eines Hundes. Demnach reiche schon der bloße Verdacht, ein Hund könne gefährlich sein, um das Tier auch nach nur einem Vorfall als gefährlich einzustufen.
Im vorliegenden Fall hatte ein Boxermischling ein Grundstück verlassen, auf dem er zu Besuch war, und einen Terrier gebissen, der über die angrenzende Straße gelaufen war. Der Terrier wurde am Ohr verletzt, die Wunde musste geklammert werden. Die Einstufung des Hundes als gefährlich wurde mit diesem einmaligen Vorfall begründet. Zu berücksichtigen sei laut Gericht „grundsätzlich jede Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Hundes unabhängig von der Schwere; außer Betracht bleiben nur ganz geringfügige Verletzungen wie etwa einzelne herausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer“.
Wie werde ich behördliche Auflagen wieder los?
Ist der Hund als gefährlich eingestuft worden, wird das den Haltern schriftlich mitgeteilt. Am Ende dieses Schreibens findet sich regelmäßig eine sogenannte Rechtsmittelbelehrung. Diese belehrt den Halter dahingehend, dass er etwa Widerspruch gegen die Einstufung des Hundes einlegen kann. Die genannte Vier-Wochen-Frist sollte man nicht verstreichen lassen, wenn man gegen diese Einstufung vorgehen möchte, rät Rechtsanwalt Uwe J. Badt aus Niedersachsen. „Denn wenn man nichts macht, wird die Verfügung rechtskräftig.“ Nach Fristablauf dagegen vorzugehen, ist wenn überhaupt nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich.
Den Hund nach einer Verfügung rasch wieder von Maulkorb oder Leinenzwang zu befreien, gehe in aller Regel ebenfalls nicht so schnell. Unter Umständen könne ein Halter nach rund zwei Jahren einen Antrag stellen. Inwieweit die Behörde dem Antrag folgt, liegt in ihrem Ermessen. „Der Halter muss der Behörde dazu zeigen, dass der Hund nun friedlich ist“, so Badt. Denn durch den Vorfall, wegen des der Hund als gefährlich eingestuft worden ist, stehe schließlich zunächst einmal das Gegenteil fest.
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Quellen
- rechtsanwaeltin-goelzer.de, „Angriff durch nicht angeleinten Hund kann Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung nach sich ziehen“, (aufgerufen am 12.09.2023)
- der-tieranwalt.de, „Hunderecht“, (aufgerufen am 12.09.2023)
- openjur.de, „Zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG reicht es regelmäßig aus, dass er einen anderen Hund gebissen hat.“ (aufgerufen am 12.09.2023)