26. Februar 2024, 17:18 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
ADHS beim Menschen geht meist mit Konzentrationsstörungen und einem Übermaß an Aktivität einher. Aber können auch Hunde unter diesem Syndrom leiden? Ein neuer Fragebogen ungarischer Wissenschaftler soll genau diese Frage klären und liefert bereits in der ersten Studie einige interessante Erkenntnisse.
Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität sind wohl die ersten Begriffe, wenn man an ADHS beim Menschen denkt. Betroffene haben häufig Schwierigkeiten beim Lernen oder zeigen weitere Verhaltensauffälligkeiten. Während das Syndrom in der Humanmedizin bereits relativ gut erforscht ist, ist in der Veterinärmedizin oft noch ein großes Fragezeichen vorhanden. Können Hunde auch unter ADHS oder etwas Vergleichbarem leiden? Eine Gruppe Wissenschaftler der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest hat sich dieser Frage in einer Studie gewidmet.
Wann ist das Verhalten des Hundes auffällig und ein mögliches Anzeichen für ADHS?
Hyperaktiv, hibbelig und leicht abzulenken – so würde man wohl jemanden beschreiben, der mit dem Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom lebt. Allerdings trifft diese Beschreibung im Grunde genommen auch auf viele Hunde zu, sodass es gar nicht so leicht ist, zwischen Aufregung und ADHS-Symptomen bei den Tieren zu unterscheiden.
Zwar gibt es einschlägige Tests, die sich dem Phänomen widmen, allerdings unterscheiden diese häufig nicht zwischen den verschiedenen Formen der Verhaltensauffälligkeiten. Zum Beispiel zwischen impulsivem Verhalten und einer tatsächlichen Störung der Fähigkeit, aufmerksam zu sein.
Barbara Csibra, Doktorandin der Biologie, und ihr Team wollen genau an dieser Stelle mit ihrer Untersuchung endlich den Unterschied zwischen hundetypischer Aufregung und Verhaltensstörung aufzeigen. Dazu haben sie die Halter von 1100 Hunden gebeten, einen neuen Fragebogen zu ADHS auszufüllen. Die Studie erschien im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Vier verschiedene Verhaltensprobleme könnten bei Hunden für ADHS sprechen
Bei ADHS gibt es vor allem drei verschiedene Verhaltensweisen, die diese Diagnose nahelegen. In ihrem Fragenkatalog wollten die Wissenschaftler diese auch bei Hunden genauer unterscheiden und abfragen. Mithilfe von Hundetrainern, Biologen und Veterinären, die auf Verhalten spezialisiert sind, haben sie die Fragen entwickelt. Denn besonders Hundetrainer sind, wie Lehrer auch, am häufigsten mit den Problemen, die Lernfähigkeit einschränken, vertraut. So entstanden Fragen zu den Themenkomplexen Impulsivität, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen.
Das Team kam bereits in der Erhebung der Daten zu folgenden Schlussfolgerungen:
- Impulsivität äußert sich bei Hunden dadurch, dass blitzartige Reize beim Schnuppern zu Kurzschlussreaktionen führen. Auch fehlende motorische Kontrolle und eine Intoleranz, wenn Leckerli verspätet angeboten werden, sind Zeichen von impulsiven Verhalten.
- Hyperaktivität dagegen zeigt sich vor allem bei Tieren, die selbst auf Kommando nicht stillsitzen können, zappeln oder plötzlich unkontrolliert lospreschen.
- Aufmerksamkeitsstörungen ließen sich bei Hunden besonders dann feststellen, wenn sie sich nicht auf das Training konzentrieren konnten. So lernten diese Tiere Tricks und Kommandos viel langsamer. Insgesamt hatten sie Probleme sich zu fokussieren, oder vergaßen, was sie bereits gelernt hatten. Auch haben diese Tiere eine gewisse Unlust, Puzzle oder Suchspiele zu lösen.
Bei der Entwicklung des neuartigen „Dog ADHD and Functionality Rating Scale“, auch DAFRS genannt, stießen die Wissenschaftler noch auf ein viertes Anzeichen, das für ADHS bei Hunden sprechen kann: die Vokalisation. Sprich, Hunde, die sehr viele Verhaltensauffälligkeiten in puncto plötzlicher Aktivitätsschübe hatten, zeigten gleichzeitig Bellen und Jaulen. Die Forscher verglichen dies mit Kindern, die bei jeder unpassenden Gelegenheit hereinreden oder Antworten geben, ohne gefragt zu sein.
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Erste Ergebnisse zeigen Ähnlichkeit und Unterschiede zu ADHS beim Menschen
Eine erste Untersuchung mit dem neuen Fragebogen zeigte ein ähnliches Bild wie beim Menschen. Tendenziell erreichten mehr Rüden höhere Werte und zeigten häufiger alle drei auffälligen Verhaltensweisen. Die Hyperaktivität ließ insgesamt bei erwachsenen Tieren häufig nach. Allerdings wurde sie – wie beim Erwachsenen-ADHS – durch höhere Werte bei impulsivem Verhalten ersetzt.
Es muss jedoch noch genauer untersucht werden, welche Rolle Kastration und Sterilisation bei Hunden spielen. Zunächst wurde festgestellt, dass kastrierte Tiere weniger hyperaktiv, dafür aber auch weniger aufmerksam waren.
Eine weitere Auffälligkeit zeigte sich im Training der Tiere. Der größte Ausschlag in puncto Aufmerksamkeitsstörung zeigte sich bei Hunden, die gerade noch sehr elementare Kommandos wie „Sitz“ und „Platz“ trainierten. Bei fortgeschrittenem Lernen zeigten sich weniger Probleme mit der Aufmerksamkeit und Konzentration.
Hypersensitivitäts-Hyperaktivitäts-Syndrom bei Hunden
Ob Hunde nun wirklich eine Art ADHS bekommen können, ist noch nicht abschließend geklärt. Um wirklich belegen zu können, ob diese Symptome ADHS ähnelt, wird der Fragebogen Csibra und Kollegen wichtige Erkenntnisse liefern können.
Denn bislang wird laut der Studie von Tierärzten noch das Hypersensitivitäts-Hyperaktivitäts-Syndrom (HSHA) diagnostiziert und behandelt. Dies gilt bislang als Entsprechung und sogenanntes „Hunde-ADHS“. Die vorgeschlagene Definition von HSHA umfasse „drei Hauptsymptome […]: Hyperaktivität, mangelnde Sättigung und kürzere Schlafdauer mit normalen Zyklen.“
Inwiefern ständiger Hunger oder gestörter Schlaf bei Hunden auch ein Symptom für eine der ADHS-ähnlichen Erkrankung sein kann, soll nun ebenfalls untersucht werden. Bereits jetzt ist bekannt, dass die Symptome des (noch) HSHA genannten Krankheitsbilds bei Hunden auch zu weiteren Beeinträchtigungen führen können.
Darunter auch Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression, Ängstlichkeit und Zwangshandlungen. Diese könnten jedoch auch ein Zeichen von ADHS sein, wie es auch beim Menschen bereits gut dargelegt wurde. Wenn sich bestätigt, dass Hunde dieses Syndrom mit ähnlicher Intensität durchleben, könnte das für die Erforschung von Verhaltensstörung und Hundepsychologie ein bahnbrechender Durchbruch sein.
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Quellen
- Csibra, B., Bunford, N., & Gácsi, M. (2024). Development of a human-analogue, 3-symptom domain Dog ADHD and Functionality Rating Scale (DAFRS). Scientific Reports, 14(1), 1808.