19. Dezember 2024, 12:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Dass Hunde soziale Wesen sind, wird wohl niemand bestreiten. Doch wie gut erkennen sie einzelne Personen anhand ihrer individuellen Merkmale, unter anderem der Stimme? Eine Studie hat es herausgefunden.
Hunde gelten seit Langem als enge Begleiter des Menschen, doch wie gut ist unsere Beziehung wirklich? Können sie ihre Halter von anderen unterscheiden? Eine neue Studie der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest zeigt erstmals, dass Hunde in der Lage sind, menschliche Stimmen auf individueller Ebene zu erkennen. Nicht nur durch soziale Kategorien wie „Vertraut“ oder „Fremd“, sondern anhand von konkreten Personen.
Erkennen von Individuen ist eine wichtige Sozialkompetenz
Die Fähigkeit, andere zu erkennen, ist für soziale Wesen entscheidend – sei es zur Kooperation, in Hierarchien oder zur Bindung. Bei vielen Tieren ist bereits bewiesen, dass sie sich anhand von Stimme und Auftreten von Individuen orientieren. Doch wie genau die sozialen Unterscheidungen sind und ob sie einzelne Artgenossen oder Menschen nur anhand der Stimme erkennen, blieb als Frage lange offen.
Durch die Koevolution von Mensch und Hund ging man davon aus, dass dies bei diesen beiden Spezies der Fall ist – konkret untersucht wurde das Thema jedoch erst jetzt. Die Studie, geleitet von Kinga Surányi und Anna Gábor, wurde im renommierten Fachmagazin „Animal Behaviour“ veröffentlicht.
Ziel der Untersuchung war es, die Fähigkeit von Hunden zu erforschen, menschliche Stimmen auf individueller Ebene zu verstehen. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob Hunde Stimmen, die sie gut kennen, nicht nur unterscheiden, sondern auch gezielt einer bestimmten Person zuordnen können.
„Frühere Studien haben gezeigt, dass Hunde empfindlich auf bestimmte akustische Signale in der menschlichen Stimme reagieren, das Geschlecht des Sprechers erkennen und zwischen bekannten und unbekannten Stimmen unterscheiden können. Ob Hunde in der Lage sind, Menschen auf individueller Ebene stimmlich zu erkennen, war vor diesem Experiment noch nicht nachgewiesen worden“, erklärt Studienautorin Kinga Surányi in einer Pressemitteilung.
Hunde sollten bekannte Personen anhand der Stimme unterscheiden
Um diese Frage zu klären, setzten die Wissenschaftler ein experimentelles Design ein, bei dem Hunde zwischen den Stimmen dreier gleich vertrauter Personen wählen mussten. Das Experiment fand in einer kontrollierten Umgebung statt. 31 Hunde sollten jeweils die Stimmen von ihnen gut bekannten Personen anhand von zuvor aufgezeichneten Kommandos erkennen.
Die Aufgabe der Hunde war es, nach dem Abspielen der Stimme die richtige Person zuzuordnen. Die Menschen durften dabei keine Hinweise durch Gesten oder Bewegungen geben. In einer ersten Phase trainierten die Hunde zunächst die Aufgabe, bevor sie in einem Test ohne zusätzliche Hinweise 18 Durchgänge absolvierten.
Die Positionen der Personen sowie die Reihenfolge der Stimuli wurden zufällig variiert, um systematische Fehler zu vermeiden. Gleichzeitig wurden Blickverhalten und Wahlentscheidungen der Hunde aufgezeichnet. Anschließend analysierten die Forscher, wie oft die Hunde die richtige Person wählten, wie lange sie diese ansahen und ob Faktoren wie Geschlecht der Person, Stimmdistanz oder die Beziehung zum Besitzer Einfluss hatten.
Hunde erkannten Individuen über Stimme und Blicke
Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass Hunde Stimmen tatsächlich auf individueller Ebene erkennen können. „Die Hunde schnitten gut ab: Sie wählten häufiger und schauten die Person, deren Stimme sie hörten, länger an“, ordnet Studienautorin Anna Gábor die Ergebnisse selbst in der Pressemitteilung ein.
In 45 Prozent der Fälle wählten die Hunde korrekt die Person, deren Stimme sie gehört hatten. Auch das Blickverhalten bestätigte die Fähigkeit der Hunde: Sie verbrachten 42 Prozent der Zeit damit, die richtige Zielperson anzusehen. Das Erkennen der Hunde war noch besser, wenn die Stimme der Hauptbezugsperson abgespielt wurde (53 Prozent).
„Die Leistung der Hunde lag bei allen Familienmitgliedern über dem Zufall, was darauf hindeutet, dass sie alle anhand der Stimme erkennen konnten. Außerdem war die Leistung der Hunde am besten, wenn sie die Stimme ihres Hauptbesitzers hörten. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Hunde am häufigsten stimmliche Interaktionen mit dem Haupthalter hatten und am ehesten auf dessen Stimme reagieren mussten“, fügt Anna Gábor hinzu.
Keinen Einfluss hatten dagegen Faktoren wie die akustische Distanz der Stimmen oder die Sitzposition der Personen. Diese Ergebnisse belegen daher erstmals, dass Hunde in der Lage sind, individuelle Stimmen gezielt einer Person zuzuordnen – und nicht nur anhand von bekannten Befehlen oder Kategorien wie „vertraut/fremd“ zu reagieren.
Welchen Vorteil haben Hunde durch Wiedererkennung?
„Hunde können zwischen vertrauten menschlichen Stimmen unterscheiden und die Stimmen der entsprechenden Person zuordnen. Diese Fähigkeit scheint auch für die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten von Vorteil zu sein“, sagt Kinga Surányi. Diese nun belegte Fähigkeit von Hunden, Menschen anhand ihrer Stimme zu identifizieren, beweist wieder einmal, wie sozial die Tiere sind. Es erleichtert den Tieren aber auch eine Orientierung in ihrem täglichen Umfeld. Etwa dann, wenn sie sich in stressigen oder unbekannten Situationen befinden.
„Die Studie zeigt, dass Hunde eine Menge über menschliche Stimmen wissen: nicht nur, ob sie sie schon einmal gehört haben, sondern auch, zu wem die Stimme gehört. Künftige Forschungen werden klären müssen, ob es sich dabei um eine allgemeine Fähigkeit unter Säugetieren handelt oder um das Ergebnis spezifischer evolutionärer Anpassungen bei bestimmten Arten, für die der Mensch besonders wichtig ist“, erklärt Anna Gábor.
Für Halter bedeutet dies, dass Hunde uns als individuelle Personen wahrnehmen. Dies könnte auch erklären, warum viele Hunde so differenziert auf unterschiedliche Familienmitglieder reagieren – und dass sie sehr klar zwischen Hauptbezugsperson und anderen unterscheiden.
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Antrainert oder angeboren?
Die Studie konnte jedoch nicht klären, ob die Hunde im Experiment besonders gut sozialisiert wurden und das Erkennen antrainiert war. Allerdings könnte die übergreifende kognitive Leistung bei allen teilnehmenden Hunden bedeuten, dass alle Hunde zu entsprechenden kognitiven Leistungen in der Lage sein könnten. Bestätigt sich dies, könnte es eine generelle Anpassung an das Leben mit Menschen sein.
Weitere Studien, auch außerhalb einer kontrollierten Laboratmosphäre, müssen nun zeigen, ob sich dies bestätigt. Auch anhand welcher akustischen Parameter die Hunde sich orientieren – etwa Tonhöhe oder Klangfarbe – muss weiter untersucht werden. 1