19. März 2024, 13:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wir lieben es, mit unseren Hunden zu kuscheln oder zu spielen. Wissenschaftler schauten nun genauer hin und analysierten 190 beliebte Videos aus den sozialen Medien. Ihr Ergebnis: Oft sind die Hunde gestresst, weil die Menschen ihre Körpersprache nicht verstehen.
Obwohl wir Menschen seit Zehntausenden von Jahren mit Hunden zusammenleben, scheinen wir sie oft nicht zu verstehen. Das zeigte jetzt ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Elizabeth Ann Walsh vom Cork Pet Behavior Centre in Irland. Bei dem Bedürfnis, mit dem Hund zu kuscheln, ihn zu streicheln oder zu spielen, missachten viele scheinbar die Körpersprache der Tiere. Denn nicht alle Hunde genießen diese Interaktionen und zeigen dies oft deutlich!
Online-Videos zeigen hohe Zahl an gestressten Hunden
In der Studie, die im Fachmagazin „Applied Animal Behaviour Science“ erschien, untersuchten die Wissenschaftler verschiedene Interaktionen zwischen Menschen und ihren Hunden. Dafür analysierten sie 190 Videos verschiedener Internetplattformen, die dort besonders viele „Likes“ hatten, also als besonders beliebt galten. Sie zeigten unter anderem, wie Menschen mit ihren Hunden spielten, sie streichelten oder auch umarmten.
Die Forscher beobachteten sowohl das Verhalten der Menschen als auch das der Hunde im Video und kamen zu dem Ergebnis, dass die Besitzer während der Interaktionen die Körpersprache oder die Bedeutung der Lautäußerungen ihres Hundes oft nicht verstehen. So zeigten die Tiere in vielen Videos, in denen Menschen mit Hunden „spielten“, viele Anzeichen dafür, dass diese sich unwohl fühlten oder gestresst waren.
Umarmen ist ein Verhalten, das Hunde oft nicht verstehen
Zu den beliebten Hundevideos gehören auch die, in denen Menschen ihre Hunde umarmen. Dies ist allerdings ein typisch menschliches Verhalten, welches Hunde oft nicht verstehen. So reagierten sie in den analysierten Clips oft mit meidendem oder beschwichtigendem Verhalten.
Viele Hunde etwa wendeten sich ab, um Platz zwischen sich und dem Umarmenden zu schaffen. In der Studie heißt es: 68 Prozent der Hunde drehten den Kopf von der Person, die sie umarmte, weg, 81 Prozent blinzelten und 60 Prozent legten die Ohren an. Leider würden diese Verhaltensweisen von Menschen oft als süß oder lustig empfunden, so die Autoren der Studie.
Zwei Drittel versuchten sogar, die Menschen zu beißen
Manche Hunde wurden noch deutlicher. So schreiben die Autoren, dass man in 13 Prozent der Videos das Bellen der Tiere hörte und in 67,5 Prozent die Hunde versuchten, die Menschen, die sie umarmten, sogar zu beißen.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, zu verstehen, wie sich unser Verhalten auf Hunde auswirken kann und wie Hunde uns ihre emotionalen Zustände mitteilen“, zitiert das US-amerikanische Nachrichtenmagazin „Newsweek“ Ann Walsh aus einer Pressemitteilung.
„Ein Beispiel hierfür sind Umarmungen, die Hunde oft nur schwer lesen oder verstehen können. Wir empfehlen Menschen, auf Anzeichen dafür zu achten, dass sich ein Hund möglicherweise unglücklich oder unwohl fühlt, selbst während dem, was wir als Spiel empfinden.“
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Anzahl der Videos mit gestressten Hunden ist besorgniserregend
Das Missachten der Signale der Hunde, könne bei den Tieren Unbehagen, Angst, oder Verwirrung hervorrufen, schreiben die Studienautoren. Die schade nicht nur der Bindung zwischen Mensch und Hund, sondern könne dazu führen, dass eine Situation eskaliert. Nicht selten beginnen Hunde in ihrem Verhalten „deutlicher“ zu werden, wenn Menschen ihre Signale nicht verstehen. So könne ein stark gestresster Hund auch auf Abwehrverhalten zurückgreifen, das zu Verletzungen führen kann.
Die hohe Anzahl an Videos, in denen stressbedingte Verhaltensweisen festgestellt wurden, sei besorgniserregend, so die Autoren. Vor allem Kinder seien aufgrund ihres unvorhersehbaren, lauten und hemmungslosen Verhaltens gefährdet, gebissen zu werden. Sie plädieren daher für eine verstärkte Aufklärung von Erwachsenen und Kindern über die Kommunikation und Körpersprache von Hunden, damit diese erkennen, wenn sich ihr Tier unwohl fühlt oder gestresst ist.
Warum ich mir als Hundetrainerin keine Videos auf Social Media anschaue
Weil ich Dinge sehe, die viele nicht sehen oder sehen wollen: Geweitete Augen, streng angelegte Ohren, Lefzen lecken, Einfrieren des gesamten Hundes beim „Kuscheln“ mit dem Baby oder Blick fixieren bei „unterhaltsamen“ Futterspielen. Kurz gesagt: Weil ich dann häufig nicht schlafen kann und mich frage: „Wann fangen wir denn endlich an unsere Hunde gut zu behandeln?“.