13. Juni 2024, 7:06 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wenn sich der Hund ständig kratzt, kann dies auch an der Ernährung liegen. Vor allem, wenn Hunde aktiv an ihren Pfoten knabbern oder sich wund lecken, steht schnell die Diagnose Futtermittelallergie im Raum. Viele Anbieter haben sich bereits auf hypoallergenes Futter spezialisiert. Tatsächlich ist dies aber seltener der Fall, wie Tierärztin Dr. Julia Fritz im Interview verrät.
Immer häufiger werden auch bei unseren Haustieren Allergien diagnostiziert. Vor allem Futter soll für Juckreiz beim Hund verantwortlich sein. Dabei werden oft Getreidesorten oder Zusätze verdächtigt. Viele Futterhersteller werben daher bereits mit getreidefreien oder hypoallergenen Produkten. Im Netz gibt es sogar Allergietests für Hunde, die Halter selbst machen können, die jedoch zweifelhafte Ergebnisse liefern (PETBOOK berichtete).
Dabei ist der Nachweis einer Futtermittelallergie recht aufwendig, wie Tierärztin und Spezialistin für Hundeernährung Dr. Julia Fritz weiß. PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender sprach mit der Expertin über eine Diagnose, die heute immer mehr Hunde erhalten.
„Bei Hauterkrankungen ist immer ein Spezialist anzuraten“
PETBOOK: Frau Dr. Fritz, wie wahrscheinlich ist es, dass mein Hund sein Futter nicht verträgt, wenn er Juckreiz hat und sich ständig kratzt?
Dr. Julia Fritz: „Ähnlich wie Durchfall ist Juckreiz ein ‚Allround-Symptom‘. Juckreiz kann viele Ursachen haben. Nur ein geringer Anteil ist auf meine Futtermittelallergie zurückzuführen. Wenn man nur von diesem Symptom ausgeht, hat einer von fünf Hunden mit Juckreiz eine Futtermittelallergie. Das sind 20 Prozent.“
Wahrscheinlich wird Juckreiz von vielen Hundehaltern unterschiedlich interpretiert. Für den einen ist es schon Juckreiz, wenn sich der Hund beim Gassigehen mal kratzt …
„Genau. Juckreiz präsentiert sich unterschiedlich. Wenn Hunde aus dem Schlaf aufwachen, um sich zu kratzen, ist es auffällig.“
Wie geht man vor, wenn man das Gefühl hat, mein Hund leidet unter dem Juckreiz?
„Bei Hauterkrankungen ist immer ein Spezialist anzuraten. Man sollte niemals alleine drauflos therapieren. Ein Spezialist erkennt während der Behandlung mehr als der Besitzer sehen kann.“
„Die Diagnose ist schwierig“
Was ist der Hauptgrund für Juckreiz?
„Es muss zunächst abgeklärt werden, ob es Parasiten oder andere Umweltreize sind, die das Verhalten auslösen. Der Haustierarzt wird erst schauen, ob Milben zu finden sind. Vor allem bei Jungtieren sind häufig Demodexmilben die Ursache. Viele Hunde sind Flohspeichelallergiker. Da hilft keine Futtermittelumstellung. Es ist wichtig, strukturiert vorzugehen und mit dem Tierarzt zusammenzuarbeiten. Denn der Tierarzt kann nur aufgrund des Verlaufs beurteilen, wie die weitere Vorgehensweise aussieht.“
Wie stellt man eine Futtermittelallergie fest?
„Die Diagnose ist schwierig. Deshalb klärt man zunächst alle anderen möglichen Auslöser ab. Blutabnahmen und Hautgeschabsel bringen in dem Fall nichts. Auch Bioresonanz nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass diese Methode nicht wissenschaftlich anerkannt ist. Das Schwierige ist, dass man Parasiten nicht immer findet, obwohl sie da sind. Deshalb wird häufig erst mal ein Anti-Parasitikum eingesetzt. Wenn das nichts bringt, bleibt die Verdachtsdiagnose Futtermittelallergie.“
»Ich bin überrascht, wie oft die Diagnose Futtermittelallergie gestellt wird
Wie geht’s dann weiter?
„Man macht eine Ration aus möglichst wenig Bestandteilen: eine Proteinquelle, eine Stärkequelle als Energielieferant wie etwa Kartoffeln. Idealerweise hat der Hund beides noch nicht gefressen. Weitere Öle oder Mineralstoffe füttert man später oder am Anfang, das ist Auslegungssache. Ich würde darauf hinweisen, dass ohne Mineralstoffe diese Diäten nicht ausbilanziert sind. Das sind die Eliminationsdiäten, wenn man sie selbst macht.“
Gibt es denn Alternativen?
„Es gibt natürlich noch die andere Variante mit den hydrolisierten Futtermitteln. Das ist ein Fertigfuttermittel in Trocken oder Nass. Darin sind die Proteinquellen so weit aufgeschlossen und zerkleinert, dass sie vom Immunsystem nicht erkannt werden. Das ist sozusagen ein hypoallergenes Futter. Das sind die zwei Goldstandards der Herangehensweise. Man wartet acht bis zwölf Wochen ab, um beurteilen zu können, ob es besser wird. Aber auch dann hat man keine hundertprozentige Diagnose.“
Warum ist es so schwierig, zu diagnostizieren, ob er Juckreiz beim Hund vom Futter kommt?
„Um die Diagnose zu bekommen, müsste man das alte Futter noch mal geben. Erst dann kann man von einer Futtermittelallergie sprechen. Allerdings weiß man danach trotzdem noch nicht, auf was der Hund allergisch ist. Diese Diagnose zu stellen, ist kein leichter Weg. Deshalb bin ich überrascht, wie oft sie gestellt wird. Denn die Wahrscheinlich von Parasiten ist viel höher. Manche Hunde haben im Sommer mit Juckreiz zu tun. Das ist manchmal der Fall, wenn sie viel schwimmen und davon trockene Haut haben.“
„Auf Platz eins der häufigsten Allergene steht Rindfleisch“
Warum weiß man nach der Ausschlussdiät trotzdem nicht, worauf der Hund allergisch ist?
„Kommerzielles Futter besteht aus mehreren Komponenten. Eine Allergie geht meistens gegen ein Eiweiß. Das Molekül muss eine gewisse Größe haben, um dem Körper zu schaden. Heute schießen sich die Leute auf Getreide ein. Das ist aber totaler Unsinn. Auf Platz eins der häufigsten Allergene steht Rindfleisch. Trotzdem steht nirgendwo, dass Rindfleisch Allergien verursacht.“
Wieso werden Getreide und Rindfleisch so häufig genannt?
„Getreide wird als unnatürlich empfunden. Der Grund, warum Rindfleisch am häufigsten auftaucht, ist, weil aus Rind und Geflügel am meisten Hundefutter gemacht wird. Da hat man die häufigsten Allergien. Hat aber nichts mit Rind oder Geflügel an sich zu tun, es ist nur einfach in vielen Futtermitteln und Snacks enthalten.“
Wenn man bedenkt, wie schlecht diese Tiere gehalten werden, wäre das aber doch denkbar?
„Das hat damit nichts zu tun. Der Körper muss erst mal lernen, dass die jeweilige Nahrung, die ihm zugeführt wird, nicht gefährlich ist. Wenn diese Barriere im Darm jedoch zerstört ist, ist die Wahrscheinlichkeit höher, an einer Allergie zu erkranken.
Parvovirose ist dafür ein gutes Beispiel. Die Erkrankung löst häufig blutigen Durchfall aus. Wenn Blut im Darm ist, ist die physische Barriere zerstört. So können Moleküle in den Darm gelangen, die da nicht hingehören. Das Immunsystem bildet daraufhin Antikörper und es kommt zu einer Reaktion. Die sieht so aus, dass Rindfleisch plötzlich problematisch sein kann und der Körper darauf mit einer allergischen Reaktion reagiert. In Australien wäre das Kängurufleisch, weil das dort viel gefüttert wird.“
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„Ein völlig gesunder Hund entwickelt normalerweise keine Futtermittelallergie“
Worauf reagieren die meisten Hunde in Europa allergisch?
„Auf Rind, Milchprodukte, Huhn, Weizen und Lamm.“
Das trifft aber nur auf Hunde zu, die schon eine Vorerkrankung haben?
„Ein völlig gesunder Hund entwickelt normalerweise keine Futtermittelallergie. Das passiert nicht einfach so. Stattdessen sind es häufig Umweltfaktoren wie Herbstgrasmilben, die saisonbedingt sind.“
Und wenn’s tatsächlich eine Futtermittelallergie ist, was passiert dann?
„Entweder arbeitet man über eine Ausschlussdiät oder über hydrolisierte Proteine. Letztere sind so klein, dass sie vom Immunsystem nicht erkannt werden und deshalb keine Reaktion auslösen. Auf diese Methode würde ich tatsächlich setzen. Alternativ hilft eine gut zubereitete Futterration aus einer Fleischquelle, Öl, Mineralfuttern und eventuell Fasern.“
Wie schlimm ist es, wenn mein Hund durch Futter Juckreiz hat?
„Wenn er wirklich Futtermittelallergiker ist, hat das Auswirkungen auf Dein Leben. Er darf kein verkehrtes Futter fressen, sonst hat er sofort wieder Juckreiz.“
Was mache ich, wenn ich mit meinem Haustierarzt nicht weiterkomme und die Ursache nicht gefunden wird?
„In größeren Kliniken gibt es Fachtierärzte für Dermatologie. Auf keinen Fall solle eine Selbsttherapie durchführen und Geld ausgeben für irgendwelche Produkte, Tests oder Profile, die nicht tierärztlich abgeklärt sind.“