
11. März 2025, 16:51 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Mit der weltweit steigenden Zahl von Haustieren nimmt auch deren CO₂-Bilanz durch Futterkonsum und Abfall zu. Damit sind Heimtiere zu einem nicht zu vernachlässigenden Umweltfaktor geworden. Aus diesem Grund gibt es verschiedene Ansätze, die Haustierhaltung möglichst nachhaltig zu gestalten. Mit Meatly ist nun das erste Unternehmen auf dem Markt, das Hundefutter aus Laborfleisch herstellt, um den CO₂-Pfotenabdruck von Tieren zu verkleinern.
Hunde- und Katzenfutter mit Fleisch – ohne dass ein Tier herangezüchtet werden und dann dafür sterben musste? Dieses Versprechen hat sich der Tierfutterhersteller Meatly auf die Fahne geschrieben. Das Unternehmen stellt unter anderem Hundefutter mit Fleisch aus dem Labor her. Konkret handelt es sich dabei um kultiviertes Hühnerfleisch. Dieses wird aus tierischen Zellen gezüchtet, ohne dass die Tiere tatsächlich aufgezogen oder geschlachtet werden müssen. Alles geschieht sozusagen in der Petrischale. Meatly ist damit das erste Unternehmen, das Hundefutter aus Laborfleisch auf den europäischen Markt bringt. Allerdings ist das Leckerli mit dem Namen „Chick Bite“ vorerst nur in Großbritannien erhältlich. PETBOOK hat bei Meatly-CEO Owen Ensor nachgefragt, wie es zu dem Tierfutter aus dem Labor kam und weshalb die Firma glaubt, dass Tiere den Unterschied zu „echtem“ Fleisch nicht bemerken werden.
»Die größte Herausforderung bei der Laborfleischentwicklung war die behördliche Zulassung, da es sich um eine Weltneuheit handelt
PETBOOK: Was war die größte technische Herausforderung bei der Entwicklung von kultiviertem Fleisch für Haustiere?
Owen Ensor: „Unsere größte Herausforderung bei der Laborfleischentwicklung für Haustiere war die behördliche Zulassung, da es sich um eine Weltneuheit handelt. Wir haben sehr eng und produktiv mit den zuständigen Behörden (FSA, APHA und DEFRA) zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass unser Produkt von höchstmöglicher Qualität ist. Nach einer offenen, transparenten und kooperativen Zusammenarbeit erhielten wir die weltweit erste behördliche Zulassung für die Verwendung von Zuchtfleisch in Heimtierfutter. Aber auch die Kosten waren ein entscheidender Faktor.“
Warum?
„Wir mussten sicherstellen, dass das Meatly-Huhn kostengünstig produziert werden konnte, damit unsere Markenpartner es problemlos in ihr bestehendes Angebot integrieren konnten. Als wir mit Meatly begannen, war eine der größten Herausforderungen die hohen Produktionskosten, insbesondere für die Nährböden, die für das Zuchtfleisch verwendet werden. Ein großer Teil davon waren F&E-Kosten – die Entwicklung der richtigen Rezeptur bei gleichzeitiger Effizienz und Skalierbarkeit. Deshalb haben wir uns auf die Entwicklung eines proteinfreien Mediums konzentriert, das die Kosten erheblich senkt, ohne die Qualität zu beeinträchtigen.
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„Kultiviertes Fleisch ist nicht nur die Zukunft der menschlichen Ernährung, sondern auch die unserer Haustiere“
Auf diese Weise konnten wir die Kosten für das Medium, mit dem wir unsere Zellen füttern, von Hunderten von Pfund auf weniger als 50 Pence pro Liter senken. Jetzt, da unsere Chick Bites in den Regalen stehen und von Tierhaltern gekauft werden können, beweisen wir, dass kultiviertes Fleisch nicht nur die Zukunft der menschlichen Ernährung ist, sondern auch die unserer Haustiere.“
Es gibt sicher Vorurteile oder Ängste auf Seiten der Kunden, oder?
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass manche Verbraucher, obwohl sie Laborfleisch zunächst nicht kennen, offen dafür sind, sobald sie die Vorteile kennen. Viele Haustierbesitzer legen großen Wert auf Nachhaltigkeit und Tierschutz. Sobald sie erfahren, dass Meatly alle ernährungsphysiologischen Vorteile von echtem Fleisch bietet, ohne auf Massentierhaltung und Tierquälerei zurückgreifen zu müssen, sind sie begeistert.
Das haben wir erst kürzlich gesehen, als wir im Februar dieses Jahres gemeinsam mit ‚The Pack‘ und ‚Pets at Home‘ in Großbritannien Chick Bites auf den Markt gebracht haben. Es verkauft sich seit seiner Einführung sehr gut. Noch ist Laborfleisch teurer als konventionelles Fleisch, aber das wird sich schnell ändern. Mit zunehmender Produktion und Effizienz wird es genauso erschwinglich, wenn nicht sogar billiger als konventionelles Fleisch werden.“
„Das Verfahren zur Herstellung von kultiviertem Hühnerfleisch ist für Haustiere und Menschen gleich“
Worin unterscheidet sich eigentlich kultiviertes Hühnerfleisch für Haustiere von Fleisch für den menschlichen Verzehr?
„Das Verfahren zur Herstellung von kultiviertem Hühnerfleisch ist für Haustiere und Menschen gleich – es wird aus tierischen Zellen gezüchtet, ohne dass Tiere tatsächlich aufgezogen oder geschlachtet werden müssen. Aber wenn es um das Endprodukt geht, gibt es einige wichtige Unterschiede bei der Entwicklung und Zulassung.
Ein großer Unterschied ist die Beschaffenheit. Menschen erwarten, dass ihr Fleisch einen gewissen Biss hat und sich gut anfühlt, während Haustiere viel mehr auf Aroma und Geschmack achten. Das bedeutet, dass Heimtierfutter nicht die gleiche komplexe Texturnachbildung benötigt, so dass Formate wie Hühnerpastete einfacher herzustellen sind.“
Es gibt sicher auch Unterschiede in den rechtlichen Regularieren, oder?
„Ja, auch die Vorschriften sind unterschiedlich. Im Vereinigten Königreich muss kultiviertes Fleisch für den menschlichen Verzehr von der Food Standards Agency (FSA) nach den Vorschriften für neuartige Lebensmittel geprüft werden. Das kann mindestens zwei Jahre dauern. Für Heimtierfutter hingegen gibt es ein unkomplizierteres Genehmigungsverfahren über die DEFRA und die APHA. Das bedeutet, dass Unternehmen wie Meatly kultiviertes Fleisch für Haustiere viel schneller anbieten können. Das Verfahren mit DEFRA und APHA ist sehr streng, und wir werden weiterhin vierteljährlich von der APHA inspiziert.“
„Unser kultiviertes Fleisch ist ernährungsphysiologisch gleichwertig mit konventionellem Fleisch, da es vom selben Tier stammt“
Wie stellen Sie sicher, dass das kultivierte Fleisch ernährungsphysiologisch optimal für Hunde ist?
„Unser kultiviertes Fleisch ist ernährungsphysiologisch gleichwertig mit konventionellem Fleisch, da es vom selben Tier stammt und die essenziellen Proteine, Aminosäuren und Nährstoffe liefert, die unsere Haustiere brauchen, um fit und gesund zu bleiben.
Laborfleisch wird unter streng kontrollierten Bedingungen erzeugt, wodurch die Schadstoffe, die in konventionellem Fleisch vorkommen, reduziert werden. Außerdem ist unser Hühnerfleisch unbehandelt und völlig unbedenklich. Zum Vergleich: 73 Prozent der weltweit verwendeten Antibiotika werden derzeit in der Viehzucht eingesetzt, was zum wachsenden Problem der Antibiotikaresistenz beiträgt. Meatly ist frei von Antibiotika, Steroiden und Hormonen.“
Wie viel Laborfleisch steckt in Chick Bite?
„Da dies unser erstes Produkt ist, enthält ein Chick Bite vier Prozent Fleisch. Im Laufe der Zeit werden wir versuchen, diesen Anteil noch deutlich zu erhöhen.“
Wie war die erste Reaktion der Verbraucher auf Chick Bites?
„Die erste Reaktion auf unsere Chick Bites ist überwältigend positiv und die Verkaufszahlen sind sehr hoch. Unsere Einführungsveranstaltung wurde sehr gut aufgenommen. Fast alle Medien, die über unsere Ankündigung berichteten, oder Haustierbesitzer, die das Produkt probierten, gaben erstaunliche Rückmeldungen, die sie auf die Innovation unseres kultivierten Fleisches zurückführten.“
Kommen Laborfleisch-Produkte für Hunde auch bald auf den deutschen Markt?
Aktuell ist ihr Produkt nur auf dem britischen Markt verfügbar. Wann wird man ihr Produkt auch bald in Deutschland kaufen können?
„Unsere oberste Priorität liegt jetzt darin, die Produktion zu erhöhen und unser Produkt in britischen Zoohandlungen zu etablieren, bevor wir international expandieren. Wir führen derzeit Gespräche mit europäischen Regulierungsbehörden über einen möglichen Verkauf in anderen Märkten und haben großes Interesse von internationalen Herstellern, auch aus Deutschland.“
Wie sahen die Fütterungsversuche genau aus und warum bevorzugten 75 Prozent der Hunde das kultivierte Fleisch?
„An den freiwilligen Versuchen, die von Treat Therapeutics durchgeführt wurden, nahmen 31 Hunde von 14 verschiedenen Rassen aus dem Vereinigten Königreich teil. Die Tests fanden bei den Hunden zu Hause statt, die Besitzer beobachteten die Reaktionen ihrer Tiere und füllten Fragebögen aus, um ihr Feedback zu geben – auch tierärztliche Fernkontrollen wurden durchgeführt, um das Wohlergehen der Hunde während der gesamten Zeit sicherzustellen.
Es wurden zwei Studien durchgeführt – ein eintägiger Test, bei dem die Hunde Meatly-Futter für beide Mahlzeiten erhielten, und eine ausführlichere zweiwöchige Studie. In der längeren Studie wurde eine Gruppe von Hunden mit einer pflanzlichen Nahrung gefüttert, während die andere Gruppe sieben Tage hintereinander Meatly Pet Food erhielt.
„Unsere Tests zeigen, dass Hunde und Katzen Meatly genauso gerne fressen wie herkömmliches Fleisch“
Die Ergebnisse sprechen für sich: Den Hunden schmeckte Meatly nicht nur genauso gut wie ihr gewohntes Futter, sondern in vielen Fällen sogar besser. Die Hälfte von ihnen leckte den Napf nach dem Fressen weiter aus. 75 Prozent zeigten mehr Begeisterung als beim gewohnten Futter und 75 Prozent fraßen sofort oder innerhalb weniger Sekunden nach dem Servieren. Diese Ergebnisse zeigen, wie attraktiv Laborfleisch für unsere vierbeinigen Freunde sein kann!“
Lassen Sie uns mal näher auf den Faktor Geschmack zu sprechen kommen. Wie wichtig war Ihnen dieses Thema in der Entwicklung?
„Der Geschmack war dabei genauso wichtig, denn Haustiere können bei der Ernährung genauso wählerisch sein wie wir Menschen. Unsere jüngsten Fütterungsversuche haben gezeigt, dass Hunde und Katzen Meatly genauso gerne fressen wie herkömmliches Fleisch. Dies unterstreicht, dass kultivierte Heimtiernahrung sowohl nachhaltig als auch köstlich sein kann. Zum Beispiel leckten 50 Prozent der Tiere den Napf nach der Mahlzeit weiter aus. 75 Prozent gaben an, dass ihr Hund die Mahlzeit mehr genoss als die Grundnahrung und 75 Prozent begannen sofort oder innerhalb der ersten Sekunden nach der Präsentation mit dem Fressen.“
Laborlfleisch wird oft als nachhaltige Alternative angepriesen. Wie groß ist der Kohlenstoff-Fußabdruck von Meatly im Vergleich zu herkömmlichem Hühnerfleisch?
„Die Produktion von kultiviertem Fleisch gilt im Allgemeinen als umweltfreundlicher als die von herkömmlichem Fleisch. Denn es wird weniger Land, Wasser und Energie benötigt. Zudem müsen die Tiere nicht mehr aufgezogen und geschlachtet werden.
Wie nachhaltig ist Laborfleisch wirklich?
So hat kultiviertes Fleisch das Potenzial, 64 Prozent weniger Land und 28 Prozent weniger Wasser zu verbrauchen und weniger CO₂-Emissionen zu verursachen als die herkömmliche Viehzucht. Wir werden in den nächsten 12 Monaten eine vollständige Ökobilanz durchführen und die Ergebnisse öffentlich bekannt geben.“
Ist es realistisch, dass Laborfleisch die traditionellen tierischen Proteine in der Tierfutterindustrie irgendwann vollständig ersetzen wird?
„Kultiviertes Fleisch ist eine nachhaltige, gesunde und schonende Art der Fleischerzeugung, ohne Kompromisse bei Kosten, Geschmack oder Nährwert einzugehen. Ihr Haustier wird den Unterschied nicht bemerken, aber der Planet sicherlich schon. Es bietet das gleiche hochwertige Protein ohne Antibiotika.“
Was sagen Tierärzte zu Laborfleisch in der Hundeernährung? Gibt es da irgendwelche Bedenken?
„Das ist eine gute Frage. Es ist unglaublich wichtig für uns, eng mit den Tierärzten zusammenzuarbeiten, damit sie sich darauf verlassen können, dass unser Produkt für unsere Haustiere vorteilhaft ist, wenn wir uns weiterentwickeln. Genau aus diesem Grund haben wir einen unglaublichen tierärztlichen Ernährungsberater in unserem Team. Außerdem hielten wir im Dezember ein großartiges und lehrreiches Webinar mit ‚The Webinar Vet‘ ab. Sie können dieses Webinar hier finden und ansehen.“
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Ist Laborfleisch ethisch vertretbar?
Wie sehen Sie die ethische Dimension von kultiviertem Fleisch – insbesondere im Vergleich zu pflanzlicher Tiernahrung?
„Kultiviertes Fleisch bietet eine überzeugende ethische Alternative sowohl zu herkömmlichem als auch zu pflanzlichem Heimtierfutter. Durch die Erzeugung von echtem Fleisch aus tierischen Zellen, ohne dass Tiere aufgezogen oder geschlachtet werden müssen, werden erhebliche Bedenken hinsichtlich des Tierschutzes im Zusammenhang mit der konventionellen Viehzucht ausgeräumt.
Im Vergleich zu pflanzlicher Tiernahrung entspricht kultiviertes Fleisch eher den natürlichen Ernährungsgewohnheiten unserer Katzen und Hunde. Zwar kann pflanzliche Nahrung so zusammengestellt werden, dass sie den Nährstoffbedarf deckt. Aber es kann für manche Haustiere schwierig sein, alle notwendigen Nährstoffe ohne synthetische Zusatzstoffe zu erhalten. Zudem kann der Geschmack beeinträchtigt werden.
Denjenigen, die sich nur deshalb vegetarisch ernähren, weil sie den Tieren nicht schaden wollen, würde ich erklären, welche Vorteile ihnen ein Produkt aus Laborfleisch bieten kann. Kein Verzicht in der Ernährung oder bei den Haustieren, ohne dass ein einziges Tier zu Schaden kommt und mit einer nachhaltigeren CO₂-Bilanz? Das ist eine Win-win-Situation.“
Wie sieht Ihre persönliche Vision für die Zukunft der Tierernährung in den nächsten 10 Jahren aus?
„Wir alle wollen ein nachhaltigeres, gesünderes und artgerechteres Fütterungssystem. Das sollte die Vision sein, die wir alle in den nächsten zehn Jahren anstreben. Wir wollen sicherstellen, dass Fleisch aus nachhaltiger, gesunder und artgerechter Tierhaltung Teil der Wahlmöglichkeiten ist, die den Verbrauchern zur Verfügung stehen, um dieses Ziel zu erreichen.“