19. Februar 2025, 6:18 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Was fressen Hunde am liebsten – und was ist wirklich gesund für sie? Die Tierärztin und Ernährungsexpertin Dr. Ciara Clarke sprach im Interview mi PETBOOK natürliche Ernährungspräferenzen, häufige Fehler bei der Fütterung und die Bedeutung der Darmgesundheit.
Viele Menschen glauben, dass Hunde eine fleischreiche Ernährung bevorzugen. Studien zeigen jedoch, dass Hunde, wenn sie die Wahl haben, etwa 30 Prozent ihrer Kalorien aus Proteinen ziehen. Das und vieles mehr verriet Tierärztin Dr. Ciara Clarke im Interview mit PETBOOK. Die Veterinärin ist Mikrobiologin und auf Hundeernährung spezialisiert. Dabei beschäftigt sie sich vor allem mit dem Darmmikrobiom der Vierbeiner, was maßgeblich an der Gesundheit der Tiere beteiligt ist. Doch wie muss ein gutes Hundefutter beschaffen sein, damit der beste Freund des Menschen ein langes und gesundes Leben führt und was ist der größte Fehler, den wir Menschen bei der Ernährung unserer Hunde machen?
„Die Kalorienzufuhr ist wichtiger als der Geschmack“
PETBOOK: Fangen wir mit den Grundlagen der Hundeernährung an. Wenn wir uns die Natur anschauen, was würde ein Hund eigentlich fressen?
Dr. Ciara Clarke: „Das ist eine schwierige Frage, denn wir haben nicht genügend wissenschaftliche Daten, um sie definitiv zu beantworten. Wölfe werden oft als Referenz herangezogen, aber sie unterscheiden sich deutlich von domestizierten Hunden. Eine interessante Gruppe, die man untersuchen könnte, wären die Tschernobyl-Hunde, die sich an eine wilde Umgebung angepasst haben. Ich kenne jedoch keine veröffentlichten Studien über ihre Ernährung.“
Könnte man bei wilden oder streunenden Hunden in den Städten nach Hinweisen suchen?
„Ja, aber wir müssen definieren, was ‚wilde Hunde‘ sind. Wenn man die Arten meint, die im südlichen Afrika leben, dann haben sie eine bestimmte Ernährungsweise. Aber wenn man von streunenden Hunden in städtischen Gebieten spricht, sind sie Aasfresser. Sie fressen alles, was verfügbar ist, wobei die Kalorienzufuhr wichtiger ist als der Geschmack. Ihre Ernährung wird mehr von der Verfügbarkeit als von der Auswahl der Nahrung bestimmt.“
„Hunde wählen eine Ernährung mit 30 Prozent Eiweiß“
Viele Menschen glauben, dass Hunde eine fleischreiche Ernährung benötigen. Würden sie Fleisch anderen Nahrungsmitteln vorziehen, wenn sie die Wahl hätten?
„Das ist eine gute Frage, und ja, es wurden Studien zu diesem Thema durchgeführt. Im Allgemeinen beziehen Hunde ihre Kalorien am liebsten aus Proteinen, gefolgt von Fetten und schließlich Kohlenhydraten. Es wurden mehrere Studien durchgeführt, um herauszufinden, welches Nährstoffprofil Haushunde wählen würden, wenn sie die freie Wahl hätten. Bei vielen Rassen wählen Hunde in der Regel selbst ein Makronährstoffprofil von 30 Prozent Eiweiß, 63 Prozent Fett und 9 Prozent Kohlenhydraten.“
Sollte Hundefutter dann so formuliert sein, dass es diesen Vorlieben entspricht?
„Im Idealfall ja. Proteine können sowohl aus tierischen als auch aus pflanzlichen Quellen stammen, wobei tierische Proteine in der Regel besser verdaulich und bioverfügbar sind. Studien zeigen, dass Hunde Proteine auf Fleischbasis gegenüber pflanzlichen Proteinen bevorzugen.“
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»Futtermittel entsprechen möglicherweise nicht dem, was für die Gesundheit des Hundes optimal ist
Was ist der Unterschied zu herkömmlichem Hundefutter wie Kroketten oder Dosenfutter?
„Viele herkömmliche Futtermittel für Haustiere werden nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip und nicht nach den Vorlieben des Hundes zusammengestellt. Sie haben oft einen hohen Kohlenhydratgehalt und enthalten minderwertige Zutaten mit einer geringeren Bioverfügbarkeit der Nährstoffe. Diese Futtermittel decken zwar den Grundbedarf an Nährstoffen, entsprechen aber möglicherweise nicht dem, was ein Hund von Natur aus fressen würde oder was für seine Gesundheit optimal ist.“
Der Fokus sollte bei der Hundeernährung also auf hochwertigen Inhaltsstoffen und der Berücksichtigung der natürlichen Präferenzen des Hundes liegen?
„Genau. Das Ziel sollte sein, eine qualitativ hochwertige, leicht verdauliche Nahrung anzubieten, die den natürlichen Vorlieben und Bedürfnissen des Hundes entspricht.“
Worauf sollte ich beim Kauf von Hundefutter achten?
„Achten Sie zunächst darauf, dass das Futter eine vollwertige und ausgewogene Ernährung bietet. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben, aber Sie sollten auch darauf achten, dass die Zutaten von hoher Qualität sind und Ihr Budget nicht sprengen. Hochwertige Zutaten führen zu einer besseren Verdaulichkeit und Nährstoffaufnahme, was wiederum zu gesünderen Hunden und einem kleineren, kompakteren Kot führt.“
„Achten Sie nicht auf den Preis, sondern auf die Zutatenliste“
Man kann also den Gesundheitszustand eines Hundes an seinem Kot erkennen?
„Ja, aber nicht an der Farbe, sondern an Volumen, Konsistenz und Häufigkeit. Hunde, die hochverdauliches Futter bekommen, produzieren weniger Kot, weil sie mehr Nährstoffe aufnehmen. Studien haben bestätigt, dass Hunde, die mit Frischfutter gefüttert werden, tendenziell weniger Kot absetzen als Hunde, die mit Trockenfutter gefüttert werden.“
Spricht der Preis für die Qualität des Hundefutters?
„Nicht unbedingt. Eine französische Studie untersuchte acht handelsübliche Hundefutter verschiedener Preisklassen und fand keinen Zusammenhang zwischen Preis und Verdaulichkeit. Bei einigen teuren Futtersorten wird mehr in das Marketing als in die Qualität der Inhaltsstoffe investiert. Achten Sie nicht auf den Preis, sondern auf die Zutatenliste – bevorzugen Sie namentlich genannte Proteinquellen gegenüber vagen Begriffen wie ‚tierische Derivate‘ oder ‚Getreide‘.“
„Der größte Fehler ist die Überfütterung“
Was sind die größten Fehler, die Menschen bei der Hundeernährung machen?
„Der größte Fehler ist die Überfütterung. Fettleibigkeit ist die häufigste Ernährungsstörung bei Haustieren, egal ob Hund, Katze oder sogar Kaninchen. Tierbesitzer halten sich oft an die vagen Fütterungsempfehlungen auf den Verpackungen von Tierfutter, die sehr weit gefasst sein können. So wird beispielsweise empfohlen, dass ein 20 Kilogramm schwerer Hund zwischen 100 und 320 Gramm pro Tag fressen soll. Natürlich tendieren viele Besitzer zu den höheren Werten, was zu einer allmählichen Gewichtszunahme führt.
Die Fütterung ist auch ein emotionales Erlebnis. Die Besitzer freuen sich, wenn ihre Tiere glücklich und gut genährt sind und geben ihnen deshalb oft Extraportionen oder Leckerlis. Übergewicht ist aber nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die Gesundheit. Studien, darunter eine über die Langlebigkeit von Golden Retrievern, haben gezeigt, dass Hunde, die ein gesundes Gewicht halten, im Durchschnitt 2,2 Jahre länger leben und Krankheiten wie Arthritis und Krebs deutlich später im Leben entwickeln.“
„Neun von zehn Hundebesitzern können den körperlichen Zustand ihres Hundes nicht richtig einschätzen“
Es geht bei der Hundeernährung also nicht nur um das Gewicht, sondern auch um die Lebenserwartung und die Vorbeugung von Krankheiten?
„Ganz genau. Ein gesundes Gewicht ist der wichtigste Faktor, um die Lebenserwartung eines Hundes zu erhöhen und das Krankheitsrisiko zu verringern. Viele Besitzer haben jedoch Schwierigkeiten zu erkennen, ob ihr Hund übergewichtig ist. Studien zeigen, dass neun von zehn Hundebesitzern den körperlichen Zustand ihres Hundes nicht richtig einschätzen können. In der Gesellschaft hat sich die Wahrnehmung verschoben – viele Menschen halten einen gesunden Hund für zu dünn, weil sie seine Rippen sehen können, aber bei vielen Rassen sollte man die Rippen leicht ertasten können.“
Das Wichtigste ist also eine hochwertige Ernährung und eine genaue Portionskontrolle?
„Auf jeden Fall. Die richtige Portionierung, hochwertige Inhaltsstoffe und die Kenntnis der individuellen Ernährungsbedürfnisse sind entscheidend für die langfristige Gesundheit. Bei der richtigen Ernährung geht es nicht nur darum, Übergewicht zu vermeiden – sie wirkt sich direkt auf die Lebensdauer und das Wohlbefinden des Hundes aus.“
„Das Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle“
Viele Hunde scheinen heute mehr Unverträglichkeiten zu haben. Nimmt das wirklich zu und wenn ja, warum?
„In den letzten 15 Jahren habe ich als Tierärztin eine Zunahme von Futtermittelunverträglichkeiten festgestellt, insbesondere von chronischen Verdauungsproblemen wie Erbrechen und Durchfall sowie von Hauterkrankungen wie Juckreiz (Atopie). Leider gibt es keine zentrale Datenbank, in der diese Trends erfasst werden, sodass keine genauen Statistiken vorliegen. Schilderungen zufolge scheint die Prävalenz aber zu steigen.
Wir untersuchen derzeit die Gründe für diese Entwicklung. Liegt es an der Qualität der Zutaten oder an der Art der Lebensmittelverarbeitung? Das Konzept der ultraverarbeiteten Lebensmittel ist inzwischen allgemein anerkannt, und wir untersuchen seine Auswirkungen auf die Immunfunktion, Entzündungsmarker und die Darmgesundheit. Da sich etwa 70 Prozent des Immunsystems im Darm befinden, spielt das Mikrobiom eine entscheidende Rolle. Nützliche Bakterien und ihre Stoffwechselprodukte, wie kurzkettige Fettsäuren, haben einen großen Einfluss auf Entzündungen und die allgemeine Gesundheit.“
„Hunde, die die frisch gekochten Mahlzeiten erhielten, hatten ein gesünderes Mikrobiom“
Haben Sie den Einfluss von Hundefutter auf das Mikrobiom untersucht?
„Ja, wir haben uns mit einem Mikrobiom-Forschungsunternehmen zusammengetan und Europas größte Fütterungsstudie mit mehreren Hunden und Rassen durchgeführt. Wir untersuchten 102 Hunde von 44 verschiedenen Rassen und verglichen das Mikrobiom von Hunden, die Trockenfutter erhielten, mit dem Mikrobiom von Hunden, die eine frisch gekochte Mahlzeit der Firma Butternut Box erhielten. Die Ergebnisse waren faszinierend. Hunde, die die frisch gekochten Mahlzeiten erhielten, hatten ein gesünderes Mikrobiom mit einem signifikant höheren Gehalt an nützlichen kurzkettigen Fettsäuren, insbesondere Butyrat. Diese Verbindung spielt eine wichtige Rolle für die Immunfunktion und die Darmgesundheit.
Zudem wiesen die mit Trockenfutter gefütterten Hunde höhere Konzentrationen bestimmter Bakterien auf, die mit Fettleibigkeit und Entzündungen in Verbindung gebracht werden. Mithilfe von KI-Modellen konnten wir allein anhand des Mikrobiomprofils eines Hundes mit hoher Genauigkeit vorhersagen, ob dieser frisch gekochtes Futter bekommen hatte. Das zeigt, wie sich die Ernährung direkt auf die Darmgesundheit auswirkt.“
Bei selbst zubereiteten Mahlzeiten können wichtige Nährstoffe fehlen
Ist es gesünder, frisches Futter für den Hund zu kochen?
„Wenn man frische, selbst gekochte Mahlzeiten mit herkömmlichem Tierfutter vergleicht, gibt es zwei Hauptfaktoren: die Qualität der Zutaten und die Verarbeitungsmethoden. Die Qualität der Zutaten einer selbst gekochten Mahlzeit ist in der Regel viel besser. Tierhalter verwenden frisches Fleisch und Gemüse in Lebensmittelqualität, im Gegensatz zu konventionellem Tierfutter, das oft tierische Nebenprodukte, unbenanntes Getreide und Pflanzenderivate von zweifelhafter Qualität enthält.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Verarbeitung. Selbstgekochtes Futter wird nur minimal verarbeitet – zerkleinert, gekocht und eventuell gekühlt -–während Trockenfutter und Dosenfutter in mehreren Schritten unter großer Hitze und hohem Druck verarbeitet werden. Dies kann die Bioverfügbarkeit und Stabilität der Nährstoffe beeinträchtigen.
Die größte Herausforderung bei selbst zubereitetem Futter ist jedoch die Gewährleistung einer ausgewogenen Nährstoffzusammensetzung. Kommerzielles Heimtierfutter muss gesetzlich vorgeschriebene Nährstoffstandards erfüllen und sicherstellen, dass essenzielle Aminosäuren, Vitamine und Mineralien enthalten sind. Bei selbst zubereiteten Mahlzeiten, die nicht von einem Tierarzt zusammengestellt wurden, können wichtige Nährstoffe fehlen, so dass es schwierig ist, eine vollständige und ausgewogene Ernährung zu gewährleisten.“

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Bei hohen Temperaturen können schädliche Verbindungen entstehen
Trotz der klaren Vorteile von Frischfutter sollten Tierbesitzer also einen Experten zu Rate ziehen, wenn sie für ihren Hund kochen?
„Auf jeden Fall. Es gibt viele qualifizierte Fachleute, die Ratschläge für selbst zubereitete Mahlzeiten geben. Da immer mehr Menschen auf eine qualitativ hochwertige Ernährung achten, ist es nur natürlich, dass sie dies auch für ihre Haustiere tun. Wichtig ist, dass die selbst zubereiteten Mahlzeiten vollwertig und ausgewogen sind, um die Gesundheit langfristig zu unterstützen.“
Was sind die nächsten Schritte in der Tierernährungsforschung?
„Ein Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung der Unterschiede zwischen verschiedenen Futterkategorien: wenig verarbeitetes Frischfutter im Vergleich zu herkömmlichem, stark verarbeitetem Trockenfutter und Dosenfutter. Bei hohen Temperaturen können schädliche Verbindungen entstehen, die als fortgeschrittene Glykierungsendprodukte bekannt sind und mit Entzündungen und chronischen Krankheiten in Verbindung gebracht werden.
Da Haustiere über Jahre hinweg täglich das gleiche Futter erhalten, ist es wichtig, die langfristigen Auswirkungen zu verstehen. Die Forschung hat gezeigt, dass diese Verbindungen in herkömmlichem Heimtierfutter häufiger vorkommen als in frischem oder wenig verarbeitetem Futter, und wir werden ihre Auswirkungen weiter untersuchen.“