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Problemfälle aus der Praxis

Französische Bulldogge attackierte Baby! Wie die Hundetrainerin den Fall löste

Collage aus Französischer Bulldogge und Porträtbild von Hundetrainerin Katharina Marioth
Hundetrainerin Katharina Marioth begegnet in ihrer Praxis immer wieder harten Problemfällen. Dieses Mal geht es um die Französische Bulldogge Karla, die damals das Baby der Familie attackierte (Symbolbild) Foto: Getty Images/Katharina Marioth (Kreis)

19. August 2024, 14:59 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

In der Reihe „Problemfälle aus der Praxis“ stellt Hundetrainerin Katharina Marioth bei PETBOOK Hunde mit herausfordernden Verhaltensproblemen vor und erzählt, wie sie den Tieren und deren Besitzern geholfen hat. Dieses Mal geht es um die Französische Bulldogge Karla, die alles jagte, was sich bewegte – inklusive des Babys der Familie.

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Heute stelle ich Ihnen Karla vor. Karla war eine zwei Jahre alte Frenchie-Hündin. Und Karla war ein Gesamtpaket! Sie wurde in meiner Verhaltensstunde vorgestellt, weil Karla laut Aussage der Besitzerin „alles jagte“ – egal ob im Haus, Garten oder draußen. Und seitdem das Baby krabbelte, attackierte die Französische Bulldogge auch dieses. Eine hochgefährliche Situation im Haus der Familie.

»Ein Zeichen von Entspannung suchte ich vergeblich in diesem Hund

Karla zeigte ein auf den ersten Blick „pseudo-freundliches“ Verhalten: Sie kam sofort angerannt, sprang an mir hoch, rannte danach sofort hinter mich, knapste kurz in die Fersen meiner Schuhe und rannte zurück zu ihrer Besitzerin. Sie stellte sich quer zwischen mich und die Halterin.

Dies tat sie, ohne zu bellen. Wobei Bellen mir in diesem Fall fast noch lieber gewesen wäre, denn dann wäre zumindest etwas Tonalität im Hund gewesen. So war es nur aufgeregt still. Karla zeigte eine angespannte Stirn und eine Sprungbereitschaft. Ein Zeichen irgendeiner Entspannung suchte ich optisch vergeblich in diesem Hund.

Auch interessant: Hundetrainerin über Ridgeback mit Aggressionsverhalten: »So habe ich der Familie geholfen

Als der Staubsauger nur im Raum erschien, rastete Karla aus

Wir gingen anschließend in die Analyse. Dabei zeigte sich: Dieser Frenchie war außer Rand und Band! Als der Staubsauger nur im Raum erschien, rastete Karla aus: Sie attackierte diesen ohne Unterlass, obwohl er noch ausgeschaltet war. Innerhalb weniger Sekunden steigerte sie sich so hinein, dass wir sie anleinen mussten, um sie davon abzubringen.

Das Gleiche zeigte sich bei der Gießkanne im Garten, beim Wasserschlauch und auch draußen auf der Straße bei Kleinkindern auf Laufrädern. Einen Maulkorb kannte Karla bisher nicht. Sie ließ sich durch nichts unterbrechen und war wie im Tunnel. Ich verzichtete aus Sicherheitsgründen darauf, mir anzuschauen, wie es ist, wenn das Baby in der Nähe der französischen Bulldogge krabbelte. Die Situationen vorher reichten mehr als aus.

Dieser Hund war eine medizinische Großbaustelle

Doch das war nicht alles. Im Haus stalkte sie die Familie und schrie, wenn diese sie nicht mit in den Keller oder ersten Stock nahmen. Kurzum: Karla kannte keine Ruhe und zeigte ein massives Erregungsproblem.

Die Familie hatte die Französische Bulldogge zudem nicht auf das Baby vorbereitet. Gegen ihr Jagdverhalten wurde bisher nichts unternommen, und sie war medizinisch nicht vollends von einem spezialisierten Tierarzt mit dem Zusatz Verhaltenstherapie durchgecheckt. Daher war dies das Erste, was wir gemeinsam beschlossen.

Ich schaue immer sehr genau hin. Manchmal zum Leidwesen der Besitzer, denn nicht immer ist es mit bloßem Training und Fleiß getan. Ich gehe den Dingen aber gern interdisziplinär mit großartigen Veterinärmedizinern auf den Grund. Das Resultat der Untersuchung: Dieser Hund war eine medizinische Großbaustelle.

»Wir mussten sicherstellen, dass die Französische Bulldogge das Baby auf keinen Fall mehr attackieren konnte

Karla hatte eine massive Störung der Schilddrüsenfunktion, eine entzündete Bauchspeicheldrüse und ein fehlgeleitetes Gefäß am Herzen, was – sehr vereinfacht ausgeführt – zu einer erhöhten Ammoniakkonzentration im Gehirn führen kann. Also lag unser Fokus zunächst darauf, diese Dinge zu beheben.

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Nachdem alle medizinischen Faktoren beseitigt waren und wir auch das „Go“ der behandelnden Tierärztin hatten, ging es an das Training. Zunächst musste sichergestellt sein, dass die Französische Bulldogge das Baby der Familie auf keinen Fall mehr attackieren konnte. Es gab also Hundezonen im Wohnzimmer und Kinderzonen, wo beide sicher und in Ruhe beieinander sein konnten, mit Sichtkontakt, und die Familie zugleich gezielt trainieren konnte.

Bewegte Reize mussten für Karla ertragbar werden

Dann bauten wir schrittweise das Stalken ab, etablierten ein Ruheprotokoll für Karla und ein Abbruchsignal, welches wir positiv besetzt haben. Im Haushalt mit Kindern finde ich es umso wichtiger, straffrei zu arbeiten – dafür mit Konsequenz und einfachen Regeln, die auch alltagstauglich sind. Dazu gehören auch klare Zeiten für „jetzt bist du dran“ und „jetzt hast du Pause“.

Nun mussten bewegte Reize für Karla noch ertragbar werden. Dies erreichten wir zusammen aus einem Training gegen Erregungseskapaden und Jagdverhalten, welches wir über gezielte Dummyarbeit regulierten. Parallel dazu wurde von Beginn an ein Maulkorb antrainiert, denn niemand möchte einen Beißvorfall.

Das können Sie tun, wenn Ihr Hund ein Erregungsproblem hat

Übererregung bei Hunden kann verschiedene Formen annehmen. Dazu gehören übermäßiges Bellen, Springen, Ziehen an der Leine oder ständiges Hin- und Herlaufen. Diese Verhaltensweisen können sowohl für den Hund als auch für den Besitzer belastend sein. Hier sind einige Strategien, die helfen können, Übererregung bei Hunden abzutrainieren:

Ruhiges Verhalten belohnen

  • Positive Verstärkung: Belohnen Sie Ihren Hund, wenn er ruhig und entspannt ist. Verwenden Sie Leckerli, Lob oder Streicheleinheiten, um das gewünschte Verhalten zu fördern.
  • Timing: Belohnen Sie das ruhige Verhalten sofort, damit der Hund die Verbindung zwischen seinem Verhalten und der Belohnung versteht.

Impulskontrolle trainieren

  • Sitz und Bleib: Üben Sie Kommandos wie „Sitz“ und „Bleib“ unter ablenkungsarmen Bedingungen (im Haus, geschlossenes Zimmer) und steigern Sie die Schwierigkeit allmählich (in Garten, an der Straße trainieren).

Ausreichende Bewegung und geistige Auslastung

  • Regelmäßige Spaziergänge: Sorgen Sie für ausreichend körperliche Bewegung. Ein müder Hund ist weniger geneigt, übermäßig erregt zu sein. Aber Achtung: die Dosis macht das Gift.
  • Gehirntraining: Verwenden Sie Spielzeuge, die Ihren Hund geistig fordern, wie etwa Futterpuzzles oder Suchspiele oder Tricks.

Ruhe- und Entspannungsübungen

  • Entspannungstraining: Trainieren Sie Ihren Hund, sich auf eine Decke oder in sein Körbchen zurückzuziehen und dort ruhig zu bleiben.
  • Massagen und beruhigende Streicheleinheiten: Beruhigende Berührungen können helfen, die Erregung Ihres Hundes zu senken.

Auslöser identifizieren und reduzieren

  • Auslöser beobachten: Identifizieren Sie die Situationen, in denen Ihr Hund übererregt reagiert, und versuchen Sie, diese zu minimieren oder schrittweise zu desensibilisieren.
  • Training in kleinen Schritten: Setzen Sie Ihren Hund den Auslösern in kontrollierten, kleinen Dosen aus und steigern Sie die Intensität langsam.

Routinen schaffen

  • Klare Strukturen: Ein klarer Tagesablauf gibt Ihrem Hund Sicherheit und kann helfen, seine Erregung zu kontrollieren.
  • Ruhige Übergänge: Versuchen Sie, Übergänge im Tagesablauf ruhig und stressfrei zu gestalten, etwa vor dem Spaziergang oder vor dem Füttern.

Zu guter Letzt: Professionelle Hilfe suchen! Dies ist das Allerwichtigste. Denken Sie interdisziplinär. Ihr Hund dankt es Ihnen.

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So geht es Carla heute

Insgesamt hat das Training mit Karla einen Zeitraum von einem Jahr erfasst. Heute geht es Karla gut mit ihrer Familie. Dies liegt vor allem an der Sorgfalt und dem Fleiß, den die Familie aufgewendet hat.

Das zweite Kind ist inzwischen auch da und krabbelt auch schon. Karla ist zu einem normalen, ausgeglichenen Familienhund geworden. Gesundheitlich hat Karla derzeit keine weiteren Probleme. So wie man es sich wünscht.

Besuchen Sie Katharina Marioth auch bei Instagram. 

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