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Eine Frage des Trainings

Hund mit starkem Jagdtrieb? Expertinnen geben Tipps für Halter

Hund Jagd Katze den Zaun hoch
Ein übermäßiger Jagdtrieb beim Hund ist nicht nur auf Spaziergängen ein Problem. Halter können das Verhalten mit dem richtigen Training jedoch umlenken. Foto: Getty Images
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PETBOOK Redaktion

1. Juli 2024, 11:41 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb machen nicht nur den Spaziergang zur Herausforderung. Hat der Hund einmal den sogenannten „Tunnelblick“ und jagt Katze oder Eichhorn hinterher, blendet er Gefahren aus. Für Hundehalter und Tiere bedeutet das Stress, der vermeidbar ist.

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Hunde sind Beutegreifer. Das Jagen gehört zur Natur der Tiere. Dabei gibt es Rassen, bei denen der Jagdtrieb durch Zucht gefördert wurde und andere, die sich kaum für die Jagd interessieren. Doch auch innerhalb der Rassen gibt es individuelle Unterschiede. Ist der Jagdtrieb beim Hund besonders ausgeprägt, sind Katzen, Wildtiere und in Einzelfällen Fahrradfahrer oder Jogger nicht mehr vor ihm sicher. Das bedeutet für Halter, Hund und Umwelt eine Menge Stress.

Um etwas dagegen zu tun, müssen Halter die Ursachen dahinter verstehen. Dann lässt sich der Jagdtrieb des Hundes mit dem richtigen Training umleiten. Drei Expertinnen erklären, wie es geht.

Raus kriegt man das Jagdverhalten nie

Zunächst die schlechte Nachricht: Raus kriegt man das Jagdverhalten nie! „Es gehört zu den Grundmotivationen von Hunden, diese sind je nach Rasse und Typ unterschiedlich ausgeprägt“, sagt Sabrina Fruth, Hundetrainerin im bayerischen Erding. Aber es gibt dennoch gute Nachrichten: Hundehalter können einiges tun, um den Jagdtrieb kontrollierbar zu machen. „Es ist ganz wichtig, den Tieren eine Alternative zu bieten“, rät Hundetrainerin Fruth. Dazu kann das Jagen nach einem Spielzeug oder das Training mit Dummys gehören.

Diese Ersatzbeschäftigung ist ein essenzieller Bestandteil eines Antijagdtrainings. Am erfolgversprechendsten ist das, wenn damit bereits im Welpenalter angefangen wird. Bevor sein Jagdtrieb überhaupt richtig in Fahrt kommt, hat der Kleine so gelernt, welchen Bewegungsreizen er nachkommen darf und welchen nicht. Bei früheren Straßenhunden ist die Ausgangslage schwieriger. Sie sind bereits älter und haben in der Regel Jagderfahrung – sie wissen also, wie viel Spaß das Hetzen einer Beute macht. 

Expertin: »Antijagdtraining kann beim Hund in jedem Alter etwas bewirken

Auch Jagdhund-Expertin Anja Fiedler weiß: Mit Training können Halter ihrem Hund übermäßigen Jagdtrieb abtrainieren. „Definitiv kann man etwas machen – auch wenn es sich natürlich um angeborene Verhaltenssequenzen handelt, die durch züchterische Selektion bei den spezialisierten Hunden weiter exponiert wurden. Aber alles, was ein Gehirn hat, kann lernen.“ Und Alexandra Wischall-Wagner bestätigt: „In jedem Alter kann man noch etwas bewirken!“

Allerdings: Einfach abschalten lässt sich solch eine Jagdbegeisterung nicht. Wer auf eine schnelle Lösung hofft, wer meint, mit Bestrafung, Gewalt oder gar Elektroschock-Halsbändern könne man etwas erreichen, liegt absolut falsch. Der Schuss könnte dabei sogar nach hinten losgehen. „Ein Hund wird auf solche Reize immer mit noch mehr Stress reagieren“, sagt Wischall-Wagner. Dann zeigt er noch mehr Frust-, Aggressions- und Jagdverhalten.

Grundlagen schaffen

Entscheidend dafür, dass ein Hund von einem Jagdreiz ablässt, ist auch der Grundgehorsam, merkt Hundetrainerin Sabrina Fruth an. Hunde brauchen Führung, das gilt für den knuddeligen Welpen ebenso wie für den erwachsenen Hund aus dem Ausland. Bei allen wird im Hinblick auf Erziehung bei der Basis angefangen. „Sitz“, „Platz“ und „Bleib“ gehören ebenso wie der Rückruf zu den Grundkommandos. Bis ein Hund diese wirklich verinnerlicht hat, dauert es lange. Immer wieder muss geübt werden. 

„Am besten, man fängt in einer reizarmen Umgebung, etwa in der Wohnung an“, empfiehlt Götz. Klappt das gut, kann für das Training in den Garten gewechselt werden, mit fortschreitender Erziehung wird die Umgebung immer reiz- und damit anspruchsvoller. 

Wenn der Hund jedoch bereits im Garten nicht hört, sollte man nicht versuchen, ihn aus einer schwierigen Situation – etwa vom Spielen mit seinen Hundekumpels oder gar vom Jagen – abzurufen. Es wird wahrscheinlich nicht funktionieren, zudem lernt der Hund auf diese Weise, dass er auf sein Herrchen oder Frauchen hören kann, aber nicht muss. 

Jagdtrieb beim Hund verläuft nach einem immer gleichen Muster

Beim eigentlichen Antijagdtraining setzen die beiden Verhaltenstrainerinnen Anja Fiedler und Alexandra Wischall-Wagner auf das sogenannte Kontrolltraining. Dabei sollen die Bedürfnisse ausgeglichen und der Hund artgerecht beschäftigt werden. Dafür müssen die Halter jedoch auch erst einmal wissen, was bei ihren jagdbegeisterten Hunde überhaupt passiert, wenn diese in Sekundenschnelle aus dem Häuschen geraten. Die Puzzleteile, die aufeinanderfolgen, sind immer dieselben.

Wenn auch je nach Individuum und Hundetyp unterschiedlich stark ausgeprägt: Es beginnt beim Orientieren, Suchen und Ausschau halten, dann folgen Fokussieren, Belauern und Vorstehen und schließlich das Anschleichen. Bis zu diesem Punkt ist das Verhalten ihrer Hunde für die meisten Besitzer wohl noch akzeptabel. Doch dann folgen Hetzen, Packen, Festhalten und schließlich das Töten, Zerlegen und Fressen.

Auch interessant: Hundetrainerin: »Jagdhunde gehören nicht in die Hände von Normalos!

„Das Problem ist, dass wir Menschen das Verhalten ganz unbewusst verstärken“

Wenn es darum geht, den Hunden einen übermäßigen Jagdtrieb abzugewöhnen, gibt es zum Trainingsbeginn immer eine große Frage: Wie viel Jagderfolg hatte der Hund schon und wie weit ist er vorangekommen in diesem jagdlichen Ablaufplan? „Das Problem ist, dass wir Menschen das Verhalten ganz unbewusst verstärken“, sagt Wischall-Wagner, Psychologin und Autorin. Denn jeder freut sich bestimmt, wenn das neue Familienmitglied verrückt auf das Quietschspielzeug ist und es fröhlich zerfetzen darf. „Aber da sind wir dann schon mitten in der Jagdverhaltenskette.“

Erster Erfolg des Trainings: schauen, aber nicht jagen

Wo aber setze ich dann an, um den Hund aus diesem Jagdtunnel wieder herauszubekommen? Dafür braucht es zunächst ein Ziel, sprich: Was möchte ich, dass er nicht mehr tut? „Wenn die Ausgangslage ist, dass er Vögeln hinterherrennt, wäre es schön, wenn er diese vielleicht im Stehen nur anschauen könnte“, sagt Anja Fiedler, die in Meerbusch eine Hundeschule leitet.

Dann fängt man kleinschrittig an und sucht sich den schwächsten Auslöser aus. Sprich: Wenn mein Hund schon aufgeregt auf Enten reagiert, übe ich erst mal die Begegnung mit einer Amsel. Und das an einer etwas längeren Leine und in einer Distanz, in der der Hund noch nicht direkt losspringt.

Wenn der Hund die Amsel sieht und kein unerwünschtes Verhalten zeigt – also ruhig steht und schaut – gibt es ein sogenanntes Marker-Signal (ein Klicker-Geräusch oder ein Wort) und es folgt eine Belohnung. Das muss nicht unbedingt ein Leckerchen sein! Sinnvoller sei es, eine Belohnung auszutüfteln, die dem Verhalten entspricht, was der Hund hätte praktizieren wollen. Im Fall des Vogels etwa das Hinterherlaufen. Daher folgt statt Leckerchen lieber ein kleines Lauer- oder Verfolgespiel.

Oder aber: Ein Hund sieht ein Kaninchen, das er am liebsten packen würde – aber er bleibt stehen. „Dann gibt es ein Markersignal und ich belohne ihn mit einem Zergelspiel.“ Der Hund lernt auf diese Weise, dass sich das Warten lohnt. Klappt die erste Stufe des Trainings gut, muss dieses Verhalten bei steigender Ablenkung trainiert und gefestigt werden.

Jagdtrieb beim Hund: Halter brauchen Zeit und Geduld

Alexandra Wischall-Wagner geht noch einen Schritt weiter: „Mein Ansatz ist, es soll den Hunden eher egal werden, was sie sehen.“ Ganz gleich, ob es ein Kind auf dem Roller oder ein Hase sind. Das Rezept ihrer Ausbildung lautet: „Bindung, Impulskontrolle und Auslastung.“ Und das braucht Zeit und Geduld. Bei einem neuen Hund muss man zunächst zur Vertrauensperson werden, bevor man Grenzen setzen kann.

Wischall-Wagner ist keine Freundin von Zerr- und Ballspielen. „Wenn man seinem Border Collie zwei Stunden Bälle wirft, um ihn zu beschäftigen, ist das die ganze Zeit nur unkontrolliertes Jagdverhalten: Hetzen, Packen, Hetzen, Packen.“ Für eine bessere Auslastung sorge Apportiertraining, Fährtenarbeit oder Mantrailing. Und wenn ein Hund partout auf Bälle steht, sollte man sie ihm lieber verstecken und ihn suchen lassen. „Die trägt er dann ganz kurz und es wird wieder getauscht.“

Training schrittweise steigern

Auch das Dummytraining mit der Reizangel kann ein adäquater Ersatz zum Jagen sein. Dazu bieten sich Longierpeitschen aus dem Reitsportbedarf oder ausziehbare Teleskopstangen an. An dem Seil wird das Dummy befestigt und dann in Bewegung versetzt. Der Hund muss dies anfangs ruhig aushalten und erhält hierfür als Lohn immer wieder Futter. Als größte Belohnung zum Schluss darf den Dummy jagen. 

Mit fortgeschrittener Ausbildung im Antijagdtraining sind der Fantasie des Tierhalters kaum noch Grenzen gesetzt, er kann die einzelnen Kommandos immer wieder unterschiedlich kombinieren. Ein Beispiel: Der Hund setzt sich hin, der Besitzer geht einige Schritte weiter und wirft dann einen Ball an der Hundenase vorbei – das Tier darf sich nicht bewegen. 

Auf ein zuvor eingeübtes Wort wie „Such“ rennt es los, auf das „Stopp“-Signal setzt es sich wieder. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich so trainierte Hunde auch von einem Hasen oder Reh abrufen lassen, ist hoch. 

Typische Fehler vermeiden

„Zu viel zu schnell wollen“, formuliert Fruth den ihrer Meinung nach größten Fehler in der Hunde- und damit auch in der Anti-Jagd-Erziehung. „Ein kleinschrittiger, sehr langsamer Aufbau ist wichtig.“ Von großer Bedeutung ist auch die Belohnung durch Futter oder ein Spiel. Dabei sollte sich die Belohnung an der Schwierigkeit der Aufgabe für den Hund orientieren.

Er hört auf den Rückruf, hat sich aber ohnehin gerade gelangweilt? Dafür erhält er ein freundliches Wort und einen kleinen Hundekeks. Er kommt zurück, obwohl gerade ein Hase vor ihm hoppelt? Das gibt die XXL-Belohnung, wie diese aussieht, hängt von den Vorlieben des Hundes ab. Vielleicht wird ihm sein Lieblingsspielzeug geworfen oder sein Besitzer zückt die Tube mit der begehrten Leberwurst. 

In der Hundeschule von Götz wird zudem früh das „Stopp“-Signal trainiert. Dabei setzt sich der Hund auf einen Pfiff oder ein Wort sofort hin und wartet, bis er von seinem Besitzer abgeholt wird. Auch das ist ein großer Schritt im Antijagdtraining, ebenso wie das Bringen und Abgeben der „Beute“, also dem Ball oder dem Dummy. „Der Hund lernt, dass er dafür eine Belohnung bekommt, er also einen guten Tausch macht.“

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Wichtig ist auch die psychische Verfassung des Hundes. „Wenn sich der Hund unwohl fühlt, fällt uns das immer auf die Füße“, weiß Anja Fiedler. Denn ein Hund, der Trennungsangst hat und zuvor stundenlang alleine war, geht schon vollkommen gestresst ins Feld. „Dann ist er besonders empfänglich für jegliche Reize – sucht und stöbert lieber, statt mit seinem Menschen zu kooperieren.“

Übrigens: Mit stundenlangem Training und immer neuen Ausbildungsgruppen kann man seinen Hund auch überfordern. Sinnvoller ist es, die Übungen kleinteilig in die täglichen Spaziergänge einzubauen.

Mit Material der dpa

Themen Hundeverhalten
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