3. Juli 2024, 13:43 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Fragt man nach den Lieblingsbeschäftigungen von Hunden, so fällt den meisten Menschen nach Schlafen und Fressen sicherlich das Spielen ein. Doch was, wenn der Spieltrieb des Vierbeiners überhandnimmt und zur Sucht wird? PETBOOK sprach mit einer Hundetrainerin über dieses oft verkannte Problem.
Stöckchen werfen, dem Ball hinterherjagen oder leidenschaftlich am Zerrspielzeug herumreißen. Die meisten Hunde spielen bis ins hohe Alter gerne. Bei einigen Vierbeinern kann dieser Spieltrieb allerdings überhandnehmen. Beispielsweise bei Dackel-Dame Lotti. Das ist die Hündin einer Freundin von mir, auf die ich öfter aufpasse.
Jagdtrieb oder Spielsucht?
Lotti hat eine merkwürdige Obsession mit Socken. Sobald sie einen Strumpf herumliegen sieht, springt sie auf ihn zu und zerreißt ihn leidenschaftlich gerne. Dabei lässt sie nicht locker, bis nur noch Fetzen und Fäden herumliegen. Ähnliches gilt auch für Zerrspielzeug, Kuscheltiere, Gummiknochen usw. – alles wird zerstört. Lotti verfällt dabei in einen regelrechten Rausch und hört gar nicht mehr auf, ihre „Beute“ zu zerbeißen. Selbst die Überbleibsel von – was auch immer sie zwischen die Fänge bekommt – muss man ihr regelrecht entreißen, da sie davon nicht ablässt.
Ein Verhalten, das zur Konsequenz hat, dass ihre Halterin Lotti kein Spielzeug mehr kauft und ich penibel darauf achte, dass bei mir nirgends Socken herumliegen oder in Sichtweite sind, wenn ich mal wieder auf den sonst wohlerzogenen Dackel aufpasse. Da stellt sich für mich schon die Frage, ob man hier noch von Jagdtrieb oder schon von einer Art Suchtverhalten sprechen kann?
Wenn Hunde zu Balljunkies werden
Auf der anderen Seite hört man oft von Hunden, die zu regelrechten „Balljunkies“ mutiert sein sollen. Darunter versteht man einen Hund, der der aufgrund von monotonem Ballwerfen und Hinterherhetzen hormonell gesteuerte Suchtsymptome zeigt. Dabei gerieten die betroffenen Tiere in eine Art Rauschzustand und wollten diesen „Kick“ immer wieder erleben.1
Balljunkies werden nicht geboren, sondern durch einen falschen Umgang beim Ballspielen dazu gemacht, erklärt Hundetrainerin Katharina Marioth im Gespräch mit PETBOOK. So könne der unkontrollierte Umgang mit dem Ball ebenso Auslöser für diverse unerwünschte Verhaltensweisen sein.
Oft könne schon der Begriff Spielzeug bereits irreführend sein, merkt die Hundeexpertin an. Denn häufig handele es sich nicht um echtes Objektspiel, sondern um Beutefangverhalten. Für den Hund als Beutegreifer ein ganz normales Verhalten. Allerdings werde dies von den meisten Hundebesitzern schon im Welpenalter vollkommen fehlgeleitet.
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„Der Hund kann regelrecht süchtig nach dieser Art der Hormonausschüttung werden“
„Ballwerfen ist eben kein echtes Spiel“, so Marioth weiter. „Es ist schlicht selbst belohnendes Verhalten, weil ich als Halter dem Hund beibringe: ‚Bewegten Reizen kann ich hinter hetzen und das macht mich glücklich‘.“ Die unglaublich hohe Ausschüttung an Glückshormonen sei dafür verantwortlich, dass man sich quasi seinen „Balljunkie“ selbst heranziehe, mahnt die Hundetrainerin. „Damit bringe ich als Besitzer den Hund erst so richtig auf den Geschmack. Der Hund kann regelrecht süchtig nach dieser Art der Hormonausschüttung werden und dann hat man ein echtes Problem.“
Es handelt sich dabei quasi um den gleichen Mechanismus wie beim Menschen.2 Das Belohnungszentrum schüttet Endorphine aus, die dann zu einem guten und wohltuenden Zustand führen. Vergleichbar ist das Beispielsweise, mit einem Menschen, der durch Online-Casinos dem Glücksspiel verfällt. Selbst hier können dann – stark vereinfacht – kleinste Gewinne einen Endorphinrausch auslösen.3
Ab diesem Moment spricht man von Spielsucht
Doch zurück zu Dackel-Dame Lotti und der Frage, ob ihr Spielverhalten Jagdtrieb oder schon Spielsucht ist. Dazu sagt die Hundeexpertin Katharina Marioth: „Jagdverhalten entwickelt sich recht früh und wenn ich nicht darauf achte, dies früh umzulenken bzw. kontrollierbar zu machen, bringe ich meinem Hund bei, die gesamte Jagdkette ‚Orientieren-fixieren-vorstehen-pirschen-hetzen-packen-töten-fressen‘ voll auszuleben und dabei extrem glücklich zu sein.“
Nach diesem „Rauschzustand“ können Hunde süchtig werden, weiß die Trainerin. Problematisch werde ein übertriebenes Spielverhalten ab dem Moment, indem es nicht mehr zu unterbrechen sei. „Wenn der Hund nicht genug bekommt und die Erregung überhandnimmt. Das erkennt man etwa am sogenannten ‚jiffeln‘ oder Jammern vor einem Spielzeug oder wenn der Hund einem den Ball immer wieder anbringt und dann keine Ruhe findet, bis er wieder geworfen wird.“
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Das rät die Trainerin betroffenen Haltern
Hier spreche man in Fachkreisen von Problemverhalten, das meist mit einer fehlenden Erregungs- und Impulskontrolle zu tun habe. So hört man immer wieder von Hunden, die schon so in ihrer Adrenalin-Sucht gefangen sind, dass sie vor Bäumen und Statuen stehen und warten, dass diese nun endlich den Stock oder Ball werfen. Dabei lechzten die Tiere dermaßen nach dem nächsten Kick, dass sie gar nicht mehr realisieren, dass sie weder vor ihrem Halter noch einer echten Person stehen. Eine traurige wie tragische Vorstellung.
Als Empfehlung, um betroffenen Hunden zu helfen bzw. einer solchen Spielsucht vorzubeugen, empfiehlt die Hundetrainerin generell, den Tieren – am besten schon im Welpenalter – ein „Start“ und ein „Pause“ bzw. „Ende“- Signal beizubringen. „Halte deine Erregung unter Kontrolle und lerne herunterzufahren. Ich werfe keine Gegenstände mit jungen Hunden, sondern übe zuerst das Ruhe halten. Dies belohne ich extrem hochwertig und nutze dann etwa fliegende Bälle als Ablenkung. Verhält sich der Hund ruhig, darf er den Ball bringen.“
Hierfür erklärt die Hundetrainerin gegenüber PETBOOK eine einfache Übung: „Ich bringe den Hund ins ‚Sitz‘ und lege den Ball oder das Spielzeug einen Meter vor oder neben dem Hund aus. Erhalte ich einen Blickkontakt, kommt ein ‚OK‘ und der Hund darf zum Gegenstand. Diese Übung baue ich dann massiv aus.“