14. November 2024, 6:42 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
In der Welt der Hundetrainer, besonders im Fernsehen, scheint es auf den ersten Blick einen deutlichen Geschlechterunterschied zu geben: Mehr Männer als Frauen dominieren das Bild. Das muss sich dringend ändern, findet PETBOOK-Autorin und Hundetrainerin Katharina Marioth und erklärt, warum dringend mehr Frauen in die deutsche Hunde-TV-Landschaft gehören.
In der Welt der Hundetrainer, besonders im TV, scheint es auf den ersten Blick einen deutlichen Geschlechterunterschied zu geben: Mehr Männer als Frauen dominieren das Bild. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die diese Ungleichverteilung erklären können. Diese reichen von traditionellen Geschlechterrollen bis hin zu Medienentscheidungen, die bestimmte Stereotypen bevorzugen. Versuchen wir eine Betrachtung:
Die Idee, dass bestimmte Berufe und Tätigkeiten eher Männern oder Frauen zugeordnet werden, ist tief in der Kultur verankert. Historisch wurde Männern oft die Rolle des „Anführers“ zugeschrieben, während Frauen als „Pflegende“ oder „Unterstützende“ wahrgenommen wurden. Dies wirkt sich auf die Wahrnehmung aus, wer als Hundetrainer im Fernsehen präsentiert wird.
Eigenschaften wie Disziplin und Autorität werden eher Männern zugeschrieben
Hundetraining erfordert in der öffentlichen Meinung oft Disziplin, Autorität und Kontrolle. In vielen Köpfen wird dies eher mit männlichen Eigenschaften in Verbindung gebracht. Selbst in Zeiten, in denen traditionelle Geschlechterrollen infrage gestellt werden, bleibt diese stereotype Zuordnung in manchen Berufen bestehen. Die gesellschaftlichen Erwartungen beeinflussen unbewusst, wen wir in solchen Rollen sehen und wem wir in diesen Kontexten mehr Kompetenz zuschreiben.
Ein Beispiel dafür ist u.a. César Millán. Seine Methodik, die Kontrolle über dominante oder schwierige Hunde zu betonen, wird oft als „starke Hand“ angesehen. Solche Darstellungen sprechen das Publikum an, das durch traditionelle Rollenbilder geprägt ist. Der Erfolg solcher TV-Formate beeinflusst dann auch zukünftige Casting-Entscheidungen. Männer werden als geeigneter für diese Rollen angesehen, weil sie den vorherrschenden Vorstellungen von Stärke und Autorität entsprechen.
So ist auch Martin Rütter seit vielen Jahren eine feste Größe im Bereich des Hundetrainings im deutschsprachigen Fernsehen. Mit seiner Show „Der Hundeprofi“ hat er sich eine breite Anhängerschaft erarbeitet. Viele nehmen ihn als einen der bekanntesten Hundetrainer in Deutschland wahr.
Frauen sind weniger „marktfähig“
Generell gilt leider: Fernsehshows sind darauf ausgerichtet, Einschaltquoten zu generieren, und entscheiden sich häufig für sichere, bewährte Formate. Wenn ein männlicher Hundetrainer Erfolg hat, wie es bei César Millán der Fall war, wird die Formel für nachfolgende Shows oft wiederholt.
Frauen könnten in diesen Rollen als weniger marktfähig angesehen werden. Denn sie entsprechen nicht den gewohnten Bildern, die das Publikum mit „dominanten“ und „souveränen“ Rollen verbindet. Dies scheint allerdings ein recht europäisches Phänomen zu sein.
Männer sind körperlich besser geeignet
In vielen Kulturen gibt es noch immer die Vorstellung, dass Männer körperlich stärker und besser geeignet seien, mit großen oder aggressiven Hunden umzugehen. Dies ist natürlich kein objektives Kriterium für Erfolg im Hundetraining. Trotzdem kann diese Wahrnehmung einen Einfluss darauf haben, wer in den Medien als geeigneter Trainer dargestellt wird.
Auch wenn moderne Hundetrainingsmethoden zunehmend auf positive Verstärkung und wissenschaftlich basierten Techniken setzen, existiert die Vorstellung, dass bei aggressivem oder problematischem Verhalten eines Hundes eine „starke Hand“ nötig ist. Eine Eigenschaft, die fälschlicherweise eher mit Männern in Verbindung gebracht wird.
Männer haben besseren Zugang zu Netzwerken
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Zugang zu den richtigen Netzwerken in der Fernsehindustrie. Männliche Hundetrainer, die in der Öffentlichkeit bereits bekannt sind, bewegen sich in bestimmten Kreisen. Dadurch haben sie möglicherweise leichter Zugang zu den richtigen Kontakten, um in einer TV-Show zu landen.
Diese Netzwerkeffekte spielen eine große Rolle, besonders in einer Branche wie dem Fernsehen. Hier sind der persönliche Kontakt und Empfehlungen oft entscheidend. Oft gilt immer noch der provokante Satz: „Thomas vergibt den Job an Michael und nicht an Angelika.“
Weibliche Hundetrainer könnten es schwieriger haben, sich in diesen Netzwerken durchzusetzen. Möglicherweise, weil weniger vertreten sind und sich mehr anstrengen müssen, um wahrgenommen zu werden. Die Präsenz eines erfolgreichen männlichen Trainers in einer Show kann zudem dazu führen, dass weitere Männer in ähnlichen Rollen besetzt werden, da die Produzenten auf ein erfolgreiches Rezept setzen.
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Warum mehr weibliche Hundetrainer ins TV gehören
Diese Stereotypen könnten dazu führen, dass männliche Hundetrainer als besser geeignet für dramatische, spannende Szenen im Fernsehen angesehen werden. Vor allem, wenn Hunde mit herausforderndem Verhalten trainiert werden müssen. Dabei wird jedoch übersehen, dass weibliche Hundetrainer genauso erfolgreich sind, wenn es darum geht, schwierige Situationen zu meistern. Oft haben sie sogar ein tieferes Verständnis in die Trainingsmethoden haben.
Im Folgenden bringe ich noch einige weitere Gründe an, die eine Ablösung rechtfertigen könnten:
Abwechslung und neue Impulse
Martin Rütter ist seit Jahren ein vertrautes Gesicht im Hundetraining, doch mit der Zeit können sich TV-Formate abnutzen. Selbst wenn seine Methoden weiterhin effektiv sind, könnte das Publikum nach neuen Impulsen oder frischen Ideen verlangen. Ein Wechsel zu einem anderen Trainer oder einem neuen Konzept außerhalb der von ihm ausgebildeten Trainer könnte das Format erneuern und die Zuschauerzahlen ankurbeln. Eine Veränderung wäre eine Möglichkeit, Abwechslung zu bieten und eventuell modernere Trainingsmethoden oder innovative Ansätze zu integrieren.
Auch Frauen können sich durchsetzen
Fernsehproduktionen bevorzugen oft klare und einfach zu vermittelnde Charakterbilder. Ein männlicher Hundetrainer passt gut in das narrative Muster eines dominanten „Führers“, der komplexe und chaotische Situationen, in diesem Fall problematische Hunde, unter Kontrolle bringt. Solche Darstellungen sind für das Fernsehen leicht vermarktbar, da sie Spannung und Konflikt erzeugen – beides zentrale Elemente vieler Unterhaltungsformate.
Weibliche Hundetrainer, die ebenso in der Lage sind, Führung zu übernehmen und schwierige Situationen zu bewältigen, erhalten in diesem Kontext weniger Aufmerksamkeit. Oftmals wird ihnen weniger zugetraut, dieselbe „starke“ und durchsetzungsfähige Rolle einzunehmen, obwohl sie im realen Leben genauso erfolgreich sind. Zudem zeigt sich, dass Frauen im Fernsehen eher in emotionalen, empathischen Rollen auftreten, die weniger auf Disziplin und Autorität fokussiert sind. Diese Rollenstereotypen verfestigen das Ungleichgewicht in der Sichtbarkeit.
Diversität und Perspektivenwechsel
Ein weiterer Grund könnte das Bedürfnis nach mehr Diversität und mehr weiblicher Präsenz im Fernsehen sein. In einer zunehmend vielfältigen und inklusiven Medienlandschaft könnten Zuschauer und Produzenten nach einer neuen Perspektive suchen. Eine Trainerin oder ein Trainer mit einem anderen Hintergrund, einer anderen Methodik oder auch einfach einem anderen Persönlichkeitsstil könnte dem Format neuen Schwung verleihen und eine breitere Zielgruppe ansprechen.
Auch das Geschlecht spielt hier eine Rolle: Wie bereits besprochen, sind Frauen in Hundetraining-Shows bisher weniger sichtbar, und ein Wechsel zu einer weiblichen Trainerin könnte dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu beheben.
Veränderung der Zuschauerpräferenzen
Mit der Zeit können sich die Vorlieben des Publikums ändern. Zuschauer, die mit Rütters humorvollem und manchmal provokantem Stil aufgewachsen sind, könnten nun andere Ansätze bevorzugen, die vielleicht empathischer oder leiser sind. Ansätze, die auch weniger darauf abzielen, die Hundehalter in Teilen bloßzustellen.
Eine Ablösung könnte darauf abzielen, ein breiteres Spektrum an Zuschauern anzusprechen, darunter vielleicht auch jüngere Generationen, die neue Medienformate bevorzugen oder ein größeres Interesse an Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und gewaltfreiem Training haben.
Kontroversen oder Kritik
Ein weiterer Grund für die Überlegung, den ein oder anderen männlichen TV-Repräsentanten abzulösen, könnte Kritik an dessen Methoden oder dessen Person sein. Auch wenn viele Fernseh-Hundetrainer eine große Fangemeinde besitzen, gibt es in der Hundetrainingswelt unterschiedliche Ansätze, und nicht jeder ist ein Befürworter „disziplinarischer“ Methoden.
Einige Kritiker könnten behaupten, dass die im TV gezeigten Methoden zu stark auf Disziplin und Kontrolle ausgerichtet sind, während modernere Ansätze eher auf Kooperation und Kommunikation zwischen Hund und Halter setzen. Wenn diese Kritik lauter wird oder in der Öffentlichkeit Anklang findet, könnte dies ein Grund für eine Ablösung sein.
Hundebranche alles andere als männerdominiert
Es ist wichtig anzumerken, dass die Realität in der Hundetrainingsbranche nicht unbedingt männerdominiert ist. In vielen Ländern gibt es zahlreiche erfolgreiche und talentierte weibliche Hundetrainer, die sowohl im Alltag als auch bei professionellen Wettbewerben und in der Hundetherapie hervorragende Arbeit leisten. In der realen Welt gibt es also keine so deutliche Geschlechterkluft, wie es im Fernsehen scheint.
Doch die Medien haben die Macht, ein verzerrtes Bild zu vermitteln. Weibliche Hundetrainer, die innovative, sanfte Trainingsmethoden anwenden und auf Empathie und Kommunikation setzen, finden in den dramatisch inszenierten TV-Formaten möglicherweise weniger Platz, da diese Form des Trainings nicht immer das ist, was das Fernsehen als „spannend“ ansieht.
Die Zukunft: Aufbrechen von Geschlechterstereotypen
Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich diese Ungleichheit langsam ändert. Immer mehr Frauen setzen sich in der Hundetrainingsbranche durch und gewinnen an Sichtbarkeit, auch in den Medien. Sie brechen mit traditionellen Geschlechterrollen und zeigen, dass Führung und Expertise im Hundetraining nicht von Geschlecht abhängen. Mit zunehmendem Bewusstsein für die Bedeutung von Diversität in den Medien und dem Wunsch, authentischere und vielfältigere Geschichten zu erzählen, könnten in Zukunft mehr weibliche Hundetrainer im TV ins Rampenlicht rücken.
Fernsehformate, die positive Verstärkung und sanfte Trainingsmethoden hervorheben, könnten zudem vermehrt Trainerinnen präsentieren. Viele assoziieren diese Methoden mit einem kooperativen Ansatz, der die Beziehung zwischen Hund und Trainer stärkt. Auch die Entwicklung neuer Formate, die Empathie und emotionale Intelligenz als zentrale Elemente des Trainingsprozesses betonen, könnte dazu führen, dass mehr Frauen in diesen Rollen auftreten.
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Fazit
Die Tatsache, dass mehr männliche Hundetrainer im TV zu sehen sind, ist das Ergebnis einer Kombination aus kulturellen Stereotypen, Medienstrategien und einem verzerrten Bild von Autorität und Führung. Diese ungleiche Repräsentation spiegelt jedoch nicht die Realität wider, in der Frauen eine ebenso wichtige Rolle in der Hundetrainingsbranche spielen.
Mit zunehmendem Bewusstsein für diese Ungleichheiten und dem Wunsch nach authentischeren Darstellungen könnte sich das Bild in den kommenden Jahren jedoch weiter ausgleichen. Die Medienlandschaft darf erkennen, dass Kompetenz, Führungsstärke und Einfühlungsvermögen in der Welt des Hundetrainings keine Frage des Geschlechts sind und dennoch erfolgreich sein können.
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