5. Dezember 2024, 14:38 Uhr | Lesezeit: 16 Minuten
Mit dem Hund im Wald oder unter einer Brücke schlafen? Das kann für den Vierbeiner große Vorteile haben, sagt Hundepsychologe Marc Ebersbach. Was es damit auf sich hat und welche Vorteile er sich davon verspricht, hat er im großen PETBOOK-Interview verraten.
„Ich habe kürzlich mit meiner Hündin eine ganze Nacht unter einer Brücke geschlafen“, beginnt der Hundepsychologe Marc Ebersbach sein kontroverses Video, das in den sozialen Medien über 200.000 Mal angeklickt wurde. Eine Erfahrung, die er Hundehaltern wärmstens empfehlen kann. Allerdings nicht aus Spaß an der Freude, sondern mit ernstem Hintergrund. Was es mit dieser Aussage auf sich hat und warum Hunde seiner Meinung nach ihr ganzes Leben lang neuen und bekannten Reizen ausgesetzt sein sollten, hat er im Interview mit PETBOOK verraten.
Das hat es mit der Aufforderung, mit dem Hund unter einer Brücke zu übernachten auf sich
PETBOOK: Du sagst, jeder sollte mal mit seinem Hund mal unter einer Brücke übernachtet haben. Warum eigentlich?
Marc Ebersbach: „Die Aufforderung, mit dem eigenen Hund mal unter einer Brücke zu schlafen, war eher mit einem Augenzwinkern gemeint und ist im übertragenen Sinne zu verstehen. Es geht darum zu schauen, an welche Reize der eigene Hund gewöhnt ist und welche er noch nicht so gut kennt und sie daher Unsicherheit in ihm auslösen.
Ich hatte ja im Video darauf hingewiesen, dass es Hunde gibt, die mit urbanen Reizen schlechter klarkommen, aber ebenso auch Hunde, die mit Reizen in der Natur ihre Probleme haben. Da meine Hündin biografisch bedingt zu den Letzteren gehört, konfrontiere ich sie immer mal wieder mit Reizen in der Natur und verbinde das mit kleinen Abenteuern.“
Hast du dafür ein Beispiel?
„Beispielsweise übernachten wir im Wald oder, wie im Video gezeigt, an der Oder auf einer Fußgängerbrücke, die übrigens sehr romantisch ist. Die absolute nächtliche Dunkelheit in der Natur Brandenburgs war eine Herausforderung für meine Hündin, ebenso die Geräusche im Wasser, aber auch die totale Stille. Solche oder ähnliche Übungen stärken ihre Persönlichkeit und unterstützen den Hund, mit zunehmendem Alter nicht auch in eine zunehmende Ängstlichkeit zu verfallen – ganz nebenbei fördert es auch die Bindung zum Halter.
Alles sollte natürlich liebevoll, spielerisch und einfühlsam geschehen. Es geht nicht darum, den Hund abzuhärten, sondern aus dem Alltag mal auszubrechen. Der ist bei vielen Mensch-Hund-Teams häufig ziemlich langweilig und festgefahren. Mit solchen Aktionen kann man die Psyche des Hundes stärken und bis ins hohe Alter stabilisieren. Wie bei Menschen gilt auch bei Hunden: Wer rastet, der rostet. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch.“
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„Wir müssen zwischen Angst und Furcht auf der einen Seite und Unsicherheit auf der anderen unterscheiden“
Wie war diese Erfahrung für dich? Und was nimmst du von diesem Erlebnis mit? „Zuerst war ich überrascht zu sehen, wie unsicher ein Hund auf so etwas Banales wie nächtliche Geräusche im Wasser reagieren kann. Dazu muss man wissen, dass meine Hündin erst im Alter von eineinhalb Jahren zu mir kam und eine durch und durch unsichere Persönlichkeit hatte. Daran haben wir sehr zielgerichtet gearbeitet. Mit fürsorglicher ‚Mama-Energie‘, aber auch mit abenteuerlicher ‚Papa-Energie‘, wie ich immer spaßig sage. Damit meine ich, dass man natürlich auf die Unsicherheiten eines Hundes auf jeden Fall Rücksicht nehmen sollte. Man sollte ihm aber auch helfen, darüber hinauszuwachsen. Etwa, indem man ihn positiv motiviert, immer wieder aus der Komfortzone herauszutreten.
Daher war ich auch glücklich zu sehen, wie meine Hündin immer mehr entspannte und nach Überwindung aller Unsicherheiten letztlich eingekuschelt in meinen Armen einschlief. Wenn wir jetzt den selben Ort besuchen, kann sie ihn von Anfang an entspannt genießen.“
Solche Situationen können für den Hund ja durchaus gruselig sein (für Menschen natürlich auch). Wie sollte man sich dabei gegenüber dem Hund verhalten? Ihn trösten? Oder lieber so tun, als sei nichts?
„Wir müssen unterscheiden zwischen Angst und Furcht auf der einen Seite und Unsicherheit auf der anderen. Wenn der Hund bei solchen Abenteuern wirklich Angst oder Furcht verspürt, also zum Beispiel zittert, hechelt oder in Starre oder Rückzug geht, dann sind die Reize viel zu belastend für diesen Hund. So eine Erfahrung würde dem Hund schaden.
„Man stärkt die Persönlichkeit eines Hundes, wenn man diese kleinen Abenteuer in den Alltag integriert“
Dem gegenüber stehen Unsicherheiten, die ein Hund je nach Persönlichkeit und Habituation mehr oder weniger im Alltag empfindet. Da gibt es Hunde mit einer sensiblen Persönlichkeit, denen es gut tut, sie immer wieder mit moderaten Reizen zu konfrontieren, an denen sie wachsen können, ohne dass diese Reize sie überfordern. Nur um diese Erfahrung geht es. Kennt dein Hund die Natur, die Berge, das Meer, Flüsse, der Dorfhund die Stadt? Hat er mal eine Nacht mit dir draußen verbracht, im Zelt geschlafen, im Camper, den Sonnenaufgang mit dir erlebt und den Sonnenuntergang? Man stärkt die Persönlichkeit eines Hundes, wenn man diese kleinen Abenteuer in den Alltag integriert.
Viele sagen mir, wieso muss ich mit meinem Dorfhund in die Stadt fahren? Du musst gar nichts. Auffällig ist aber, dass besonders Hunde auf dem Land häufig sehr gestresst auf sie verunsichernde Reize reagieren. Das Gegenteil sollte doch der Fall sein. So, wie zu viele Reize im Alltag einen Hund stressen können, kann auch das Gegenteil dazu führen, nämlich die Konfrontation mit zu wenigen Reizen. Letztendlich sollte mein Video aber nur als Inspiration zu verstehen sein, nicht als dringende Handlungsempfehlung.“
»Unsicherheiten beim Hund ignorieren, sollte man auf keinen Fall
Wie reagiere ich denn darauf, wenn ein Hund mir Unsicherheit signalisiert?
„Hier muss man unterscheiden. Eine Unsicherheit zu ignorieren, wie häufig empfohlen, sollte man auf keinen Fall. Denn das würde bedeuten, dass ich in keiner Form auf die Unsicherheit des Hundes reagiere. Tatsächlich empfindet der Hund aber eine Unsicherheit, das heißt, sein Gehirn interpretiert die Situation als mutmaßlich gefährlich, auch wenn sie objektiv betrachtet vielleicht völlig ungefährlich ist. Ich muss also darauf reagieren und habe hier zwei Möglichkeiten:
Die erste Möglichkeit habe ich angewendet, als meine Hündin auf der sehr langen Brücke mitten auf dem Fluss stehen geblieben ist und einfach nicht weitergehen wollte. Sie hat weder gezittert noch gehechelt oder andere Stresssymptome gezeigt. Sie wollte einfach nicht weitergehen, weil ihr die Sache nicht geheuer war. Hier habe ich die Vorbildfunktion gewählt und bin einfach weitergegangen, während ich sie dabei liebevoll gerufen habe. Nicht zögern war das Motto. Dieses Match habe ich gewonnen, denn nachdem der Abstand zu mir immer größer wurde, hat sie ihre Unsicherheit überwunden und ist mir gefolgt. Damit war das Thema Zögern auf der Brücke erledigt.“
„Beim Massieren wird Oxytocin im Körper des Hundes freigesetzt, was eine starke beruhigende Wirkung auf den Hund hat“
Wie ist es dann weitergegangen?
„Nachts, als wir dann auf der Brücke verweilten, signalisierte sie durch unsichere Gestik und Mimik, dass ihr die Dunkelheit der Nacht nicht geheuer war. Als dann noch Wassergeräusche durch einen planschenden Otter und laute Windgeräusche hinzukamen, habe ich sie zu mir gerufen, in den Arm genommen, liebevoll gestreichelt und kraftvoll massiert und dabei gelegentlich auch ganz positiv, fröhlich motivierend mit ihr geredet. Die meisten Hunde reagieren sehr positiv auf körperliche Geborgenheit. Mit dem Massieren wird Oxytocin im Körper freigesetzt, was eine starke beruhigende Wirkung auf den Hund hat. Gleichzeitig stärkt es die Bindung zum Halter.
Und was die verbale, fröhliche und positive Zuwendung angeht: Ich nenne es Party machen. Damit durchbreche ich die negative Erwartungshaltung des Hundes mit Irritation. Denn tatsächlich passt seine Stimmung nicht zu meiner und er fängt an, genauer hinzuschauen und sich mit der Situation kognitiv zu beschäftigen. Manchmal sieht man das kleine Fragezeichen in den Köpfchen unserer Hunde, wenn sie sich vor etwas Belanglosem fürchten und wir betont fröhlich darauf reagieren. Ich glaube, sie denken dann: ‚Halt, da stimmt doch was nicht in meiner Empfindung‘. Und genau das möchte ich erreichen.“
Sollte man einen Hund bei Angst trösten oder besser ignorieren?
Ein großer Streitpunkt unter Trainern ist ja die Frage, ob man einen Hund bei Angst oder Furcht trösten oder besser ignorieren soll. Wie siehst du das?
„Hier herrscht große Verunsicherung, ob man einen Hund trösten soll wenn er zum Beispiel Gewitterangst zeigt und dabei zittert oder ob man sein Verhalten dadurch verstärkt. Hier reden wir also von einer situativen Furcht und nicht mehr von einer Verunsicherung. Hartnäckig hält sich der Mythos, man solle Angst und Furcht ignorieren.
Es ist wissenschaftlich erwiesen, und ich beweise es auch in hunderten von Trainings pro Jahr, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Wenn ein Hund allgemein viel Angst hat oder situativ große Furcht empfindet, er also entsprechende Stresssymptome zeigt, kann es geradezu Wunder wirken, ihm durch körperlichen Schutz und die vorab genannten Maßnahmen über das Gefühl hinwegzuhelfen. Bei der verbalen Zuwendung ist allerdings wirklich zu beachten, dass diese positiv und fröhlich auf den Hund wirkt und auf keinen Fall bemitleidend.
In einer behördlichen Prüfung für private Hundehalter habe ich kürzlich gelesen, dass der Hund sogar lernen würde, dass es sich lohnt, Angst zu haben, wenn man ihn tröstet. Wie man auf so etwas Absurdes kommt, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären.
„Es wird höchste Zeit, dass in der Erziehung unserer Hunde alte Märchen durch wissenschaftliche Erkenntnisse ersetzt werden“
Wenn ein Mensch Flugangst hat und ich positiv motivierend auf ihn einwirke, ihn in den Arm nehme und an den schönen Urlaub erinnere, der auf uns wartet, wenn wir in den Flieger einsteigen, dann lernt dieser Mensch doch nicht, dass es sich lohnt, Flugangst zu haben? Ich höre schon die Kritiker, die jetzt sagen, du kannst doch einen Menschen nicht mit einem Hund vergleichen: Doch, neurologisch kann man das durchaus. Und es wird höchste Zeit, dass in der Erziehung unserer Hunde alte Märchen durch wissenschaftliche Erkenntnisse ersetzt werden.“
Aber nochmal zurück zum eigentlichen Abenteuer. Muss es eine Brücke sein oder tut es auch Campen im Wald?
„Ja, es muss eine Brücke sein, schön dreckig und gruselig. Nein, Scherz, natürlich nicht. Wie zuvor erwähnt, war die Brücke nur ein Beispiel, das zugegebenermaßen auch ein bisschen für Aufmerksamkeit sorgen sollte. Such dir etwas für dich und deinen Hund aus, was euch beiden Freude macht und sich nach einem kleinen Abenteuer anfühlt. Was ein kleines Abenteuer ist, definiert jeder für sich und seinen Hund anders.“
Die meisten Hunde werden an einem Ort geboren und leben dort für eine kurze Zeit und kommen an einen anderen Ort mit komplett anderen Reizen. Vor welche Herausforderungen stellt das die Hunde, aber auch Halter?
„Das ist leider ein Thema, über das sowohl viele Züchter als auch die Hundehalter viel zu wenig nachdenken, unsere Hunde aber den Preis dafür bezahlen müssen: in Form von Stress, der sie ihr Leben lang unnötigerweise begleitet.
Marc Ebersbach: „Einen Welpen nur auf dem Land großzuziehen und ihn später in die Großstadt zu verkaufen, ist verantwortungslos“
Züchter sollten mehr darauf achten, mit welchen Reizen die Welpen in der Sozialisierungs- und Habituationsphase konfrontiert werden. Einen Welpen nur auf dem Land großzuziehen und ihn später in die Großstadt zu verkaufen, ist verantwortungslos. Ebenso sollten Halter stärker beim Züchter hinterfragen, mit welchen Reizen der Welpe konfrontiert wurde und ob die Habituation nach einem bestimmten System professionell betrieben wurde oder eher nach dem Motto: ‚In den ersten 8 Wochen war leider schlechtes Wetter, da konnten wir nur drinnen üben‘.
Diese Anmerkung ist kein Scherz. Eine Kundin erzählte mir zum Beispiel, dass die Züchterin keine Lust hatte, bei Schnee mit den Welpen vor die Tür zu gehen, sie könnten sich ja verkühlen. Das Ergebnis war ein extrem verunsicherter Hund, der sein Leben lang darunter leiden wird, mit zu wenigen Reizen in den ersten zwölf Wochen seines Lebens konfrontiert worden zu sein. Die Gewöhnung der Hunde an diese Reize später nachzuholen ist mühsam und nur bedingt möglich.“
„Einen Herdenschutzmix aus Bulgarien nach Berlin Prenzlauer Berg zu holen, ist dem Hund gegenüber verantwortungslos“
Angenommen das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Wie kann man hier seinen Hund bestmöglich unterstützen? Etwa ein Hund aus dem Tierschutz, der mit einem Trauma in die Stadt kommt und hier vieles nicht kennt?
„Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, da die Fälle zum Teil sehr individuell sind. Es wäre schon mal gut, wenn sich die Menschen vorher Gedanken darüber machen würden, welche Rasse sie sich da überhaupt ins Haus holen. Einen Herdenschutzmix aus Bulgarien nach Berlin Prenzlauer Berg zu holen, ist dem Hund gegenüber verantwortungslos. Sein unerwünschtes Normalverhalten später dann mit rigiden Erziehungsmethoden in den Griff bekommen zu wollen, ist dem Tier einfach unfair gegenüber.
Zweitens beobachte ich, dass die Menschen viel zu ungeduldig sind und ihre Hunde schon von Anfang an mit viel zu vielen Reizen in den ersten Wochen überfordern. Lass dem Hund mehr Zeit, überhaupt erst mal anzukommen, kleine Gassirunden, wenig Kontakte. Weniger ist hier einfach mehr. Man führt und trainiert einen Hund immer von der Entspannung in die Entspannung und nicht von der Anspannung in die Entspannung. Soll heißen: Die Reize müssen schon am Anfang so niedrig sein, dass der Hund sie entspannt annehmen kann, erst dann kann man sie steigern.
Zu hoffen, dass er sich durch aushalten an Reize gewöhnt, die ihn von Anfang an überfordern, ist ein Trugschluss. Kommt der Hund mit den vielen Reizen auf einer längeren Gassirunde zum Beispiel nicht klar, verkürzt man die Gassirunden und macht am Tag lieber mehrere kurze Gassirunden mit Pausen dazwischen. So kann der Hund die Reize aus der Entspannung heraus verarbeiten und an ihnen wachsen.“
Marc Ebersbach: „Besonders ein Hund, der von der Straße kommt, hat kein großes Interesse an fremden Hunden“
Welche Probleme siehst du hier noch häufig als Hundetrainer?
„Ein weiterer Fehler, der häufig gemacht wird, ist das Zumuten von wahllosen Hundekontakten. Besonders ein Hund, der von der Straße kommt, hat kein großes Interesse an fremden Hunden. Es kann aber sein, dass er sich die ersten Wochen nach seiner Ankunft im neuen zu Hause aus Unsicherheit heraus sehr stark zurücknimmt und es zulässt, wenn seine Halter ihn mit auf die Hundewiese nehmen und dort unzähligen fremden Hunden aussetzen. Doch irgendwann erinnert er sich an seine Selbstsicherheit und dann fangen die Probleme an. Der beste Tipp, den ich hier geben kann: keine wahllosen Kontakte, nur Kontakte zu ausgesuchten Hunden, mit denen man regelmäßig entspannte Spaziergänge macht. Das ist die beste Voraussetzung dafür, dass auch der eigene Hund entspannt bleibt.
Ein großes Problem ist häufig auch die zu frühe Kastration, insbesondere der Hündinnen, schon im Herkunftsland, bevor sie beim neuen Besitzer einziehen. Insbesondere für ängstliche oder aggressive Hündinnen gilt: Östrogene sind eine wertvolle Unterstützung im Training zur Normalisierung ihres Verhaltens. Werden sie zu früh kastriert, kann eine Normalisierung des Verhaltens unter Umständen schwer bis unmöglich werden. Diese Thematik sollte man mit der Tierschutzorganisation im Vorfeld besprechen und darum bitten, dass der Hund erst dann kastriert wird, wenn er zu Hause eingezogen ist und man nach einem halben Jahr sicher sein kann, dass er keinerlei Verhaltensauffälligkeiten zeigt.“
»Halte ich nicht bei kleinsten Anzeichen mit List und Überzeugungskraft dagegen, wird aus Unsicherheit später Angst
Gerade im Alter ändert sich für Hunde die Wahrnehmung und viele werden ängstlicher. Was kann man tun, um den Hund hier zu unterstützen?
„Hunde sind bis ins hohe Alter lernfähig, mit dem einzigen Unterschied, dass sie im höheren Alter zunehmend auch alte Erfahrungen mit in die Waagschale werfen. Von daher macht es Sinn, die psychische und geistige Flexibilität des Hundes immer wieder zu fordern und zu fördern.
Hier heißt es auch: Wehret den Anfängen. Viele Hunde haben zum Beispiel über die Jahre hinweg kein Problem mit Gassirunden in der Dunkelheit. Plötzlich werden sie zunehmend ängstlicher und wollen abends nicht mehr Gassi gehen. Hier würde ich sofort reagieren und durch eine Mischung aus positiver, fröhlicher Motivation, Gelassenheit und Konsequenz dem Hund klarmachen: Wir gehen da jetzt raus und genießen die Nacht. Also nicht schnell raus und schnell wieder rein, sondern Picknickkorb packen, rausgehen, Leckerlis einpacken und ein Event draus machen. Ich formuliere das hier etwas überzeichnet, aber ich glaube, jeder weiß, was gemeint ist.
Wehret den Anfängen klingt ganz schön krass, oder?
„Halte ich nicht bei kleinsten Anzeichen der Unsicherheit mit List und Überzeugungskraft dagegen, wird sich die Unsicherheit des Hundes langsam in Furcht und später in Angst steigern. Bei dieser Empfehlung sind zwei Aspekte wichtig: Wehret den Anfängen heißt wirklich, ich reagiere auf das allererste Zögern. Hat sich die Furcht schon verfestigt, wird es schwieriger und könnte dazu führen, dass der Hund die unangenehme Erfahrung draußen nicht mehr in Entspannung umwandeln kann und dann zunehmend negativ verknüpft.
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Wenn man allerdings die ersten Anzeichen erkennt, sofort reagiert und darauf achtet, dass das Gesamterlebnis für den Hund am Ende ein schönes war, so wie die Nacht auf der Brücke für meine Hündin, die irgendwann in meinen Armen ruhte und jetzt jederzeit entspannt und freudig die Nacht wiederholen würde, dann macht man es richtig.
Und der zweite Gedanke: Nicht immer möchte der älter werdende Hund aus psychischen Gründen etwas nicht mehr machen, sondern manchmal hat er auch zunehmend körperliche Schmerzen. Bevor ich also glaube, dass er aus Furcht etwas Bestimmtes nicht mehr machen möchte, was er früher doch gerne gemacht hat, empfehle ich immer einen Gesundheitscheck beim Tierarzt. Wird ein Hund körperlich altersmüde, sollte man ihn natürlich schonen und vielleicht zu Hause oder im eigenen Garten für Abwechslung sorgen. Man kann sich auch auf dem eigenen Balkon mit dem Hund in Decken hüllen und den Sonnenuntergang genießen.“