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Hundeerziehung

Sollten Normalos Jagdhunde halten dürfen? Das sagt ein Jäger dazu

Collage aus English Setter in der Stadt und Porträt von Torsten Reinwald
Torsten Reinwald ist Jäger und Biologe. Er hat eine klare Meinung zur Haltung von Jagdgebrauchshunden von Normalos in der Stadt. Foto: Getty Images/ Kreis: Recklinghausen/DJV
Dennis Agyemang
Redakteur

13. Juli 2024, 8:26 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Immer wieder kocht die Diskussion darüber auf, ob Jagdhunde auch von Nicht-Jägern gehalten werden sollten. Denn die Tiere wurden über Jahrhunderte gezielt für die Jagd gezüchtet und sollen nun als Familien- und Modehunde funktionieren. Das sei gegen ihr Naturell, so die Kritik. Doch wie stehen Jäger zu diesem Thema?

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Erst kürzlich kochte die hitzige Diskussion wieder auf, ob Jagdgebrauchshunde in die Hände von „Normalos“ ohne Jagdhintergrund gehören oder nicht. Auslöser dafür war Heidi Klum, die gemeinsam mit ihrem Mann Tom Kaulitz zwei Deutsch Kurzhaar-Hunde hält. Diese gehörten zu den leistungsfähigsten Jagdhunden „mit der fast größten Jagdpassion, die man sich kaufen kann“, erklärte unter anderem Hundetrainerin Andrea Stelzig gegenüber PETBOOK. „Ihre Hunde tun mir leid!“, so ihr Fazit.

Doch wie steht eigentlich der Deutsche Jagdverband zu Jagdhunden bei Nicht-Jägern? PETBOOK sprach mit Pressesprecher und Jäger Torsten Reinwald über Jagdgebrauchshunde in der Stadt und was seiner Meinung nach eine gute Hundeerziehung ausmacht.

„Weimaraner sind für Nicht-Jäger oft schwierig zu handhaben“

PETBOOK: Herr Reinwald, wir sehen schon seit einigen Jahren den steigenden Trend, dass immer mehr Nicht-Jäger Jagdhunde halten. Beispielsweise Heidi Klum und ihr Mann mit ihren Deutsch-Kurzhaarhunden. Viele Experten vertreten die Meinung, dass solche Hunde nicht in die Hände von Laien gehören. Was ist Ihre Meinung dazu?
Torsten Reinwald: „Es hängt von der Rasse ab. Einige Rassen, wie der Weimaraner, sind besonders kritisch zu betrachten. Viele finden ihn wegen seiner Fellfarbe toll, aber diese Hunde wurden gezüchtet, um erlegte Tiere im Wald zu verteidigen. Sie haben starke Schutzinstinkte und benötigen eine sehr gute Ausbildung. Weimaraner sind für Nicht-Jäger oft schwierig zu handhaben.

Ein Golden Retriever, der für das Apportieren gezüchtet wurde, funktioniert als Familienhund deutlich besser. Auch kleinere Rassen wie der Jack Russell können schwierig sein. Klein heißt nicht unbedingt einfach zu handhaben.“

„Es braucht viel Engagement und Wissen, um einen Jagdhund richtig auszubilden und zu halten“

Was sollte man beachten, wenn man – trotz Expertenempfehlung – einen Jagdhund als Familienhund halten möchte?
„Man muss sich darüber klar werden, ob man die nötigen Räumlichkeiten und Zeit hat, um den Hund auszulasten. Ein 50-Kilo-Weimaraner in einer 20-Quadratmeter-Wohnung ist nicht ideal. Der Hund benötigt eine sinnvolle Ausbildung mit klaren Regeln und Grenzen. Impulskontrolle ist wichtig, genauso wie eine gute Kommunikation und Interaktion zwischen Mensch und Hund. Es braucht viel Engagement und Wissen, um einen Jagdhund richtig auszubilden und zu halten.“

Welche Empfehlungen haben Sie zur Auslastung von Jagdhunden, die bei Nicht-Jägern gelandet sind?
„Es geht um spielerische Auslastung. Beispielsweise können Duftspuren im Garten oder Park gelegt werden, um die Nase des Hundes zu beschäftigen. Bei Hunden wie dem Beagle, der eine gute Nase hat, kann man Schleppen legen, also Duftspuren, denen der Hund folgen muss. Das Einüben von Signalen wie ‚Platz‘, die im Alltag wichtig sind, kann ich dabei spielerisch trainieren. Findet mein Hund den versteckten Gegenstand, kann ich ihn belohnen. Solche Aktivitäten fördern die Impulskontrolle beim Hund und stärken das Team zwischen Mensch und Hund. Suchspiele sind geistig sehr anstrengend und können den Hund gut auslasten.“

„Man muss eine starke Bindung und klare Regeln haben“

Was ist besonders wichtig bei der Erziehung von Jagdhunden in der Stadt?
„Man muss eine starke Bindung und klare Regeln haben. Zum Beispiel sollte der Hund auf ein Notsignal wie einen Pfiff hin sofort Platz machen, was auch in gefährlichen Situationen wie in der Nähe von Straßen wichtig ist. Alle Hunde sollten ihre Impulse auf ein Signal hin kontrollieren können. Meine Bracke beispielsweise ist für die Wildschweinjagd ausgebildet, sie soll also bei der Jagd die Tiere aufstöbern und kurz verfolgen.

Wir haben allerdings in der Nähe unseres Zuhauses eine Schrebergarten-Kolonie und dort treibt sich oft eine Wildschweinrotte herum, mit acht erwachsenen Wildschweinen und zehn bis zwölf Frischlingen. Die Versuchung ist für Dasko groß, die Wildschweine zu verfolgen. Doch wenn ich ihm das Signal ‚Fuß‘ gebe, bleibt er an meiner Seite, und selbst ohne Leine läuft er nicht auf die Wildschweine zu, auch wenn sie nur zehn Meter entfernt sind.“

„Alle Hunde brauchen klare Grenzen und Konsequenz“

Sie haben mir im Vorgespräch erzählt, dass sie das Vorurteil nervt, dass viele denken, dass Jäger ihre Hunde im Rahmen der Ausbildung gewaltsam traktieren.
„Ja, das Vorurteil, die Ausbildung von Jagdhunden sei gewaltsam, hält sich hartnäckig. Aber das stimmt nicht. Die Ausbildung basiert hauptsächlich auf Motivation und Vertrauen. Ein Hund, der geschlagen wird, vertraut seinem Besitzer nicht und wird bei der Jagd nicht zuverlässig im Team arbeiten. Alle Hunde brauchen klare Grenzen und Konsequenz, aber immer auf eine motivierende Weise.

Ein einfaches Beispiel ist das Training mit Futter. Mein Hund muss sich auf seinen Platz legen, während ich sein Fressen zubereite. Fressen darf er erst, wenn ich ihm das Signal gebe. Diese Impulskontrolle und die konsequente Einhaltung der Regeln sind entscheidend für eine erfolgreiche Ausbildung und ein harmonisches Zusammenleben. Grenzen und Regeln bedeuten Freiheit.“

Was denken Sie, warum das Vorurteil besteht, dass Hunde von Jägern schlecht behandelt und immer bestraft werden?
„Wenn ich alte Bücher aus dem 19. Jahrhundert zur Jagdhundeausbildung lese, schüttelt es mich. Da steht drin, dass man seinem Hund auf die Pfoten treten soll, damit er lernt, bei Fuß zu gehen. Nein, das muss ich nicht machen.“

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„Das ist viel besser, als auf die Zehen zu treten“

Das klingt schrecklich. Warum steht so etwas in den Lehrbüchern?
„Das war damals gang und gäbe – nicht nur bei der Jagd. Egal, ob es ein Polizeihund oder ein anderer Hund war. Der Umgang mit den Tieren war anders als heute. Ich bin ein großer Freund davon, mich an der Hundesprache zu orientieren. Ich bin auch Biologe, vielleicht liegt es daran.“

Können Sie dafür ein Beispiel geben?
„Ja, zum Beispiel bei Welpen. Wenn er nicht bei Fuß gehen will, kann ich mich am Verhalten der Mutter orientieren. Ich mache Schnappbewegungen mit Zeigefinger und Daumen an seiner Flanke, wie die Mutter es tut, um ihren Nachwuchs zu erziehen. Das ist viel besser, als auf die Zehen zu treten. Gutes Verhalten kann ich natürlich auch belohnen, aber nur Leckerlis reichen nicht für eine gute Hundeausbildung. Es braucht Konsequenz.“

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