Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
Problemfälle aus der Praxis

Halterin wollte nur einen hübschen Welpen – und bekam Arbeitshund mit Beißverhalten

Australian Shepherd Boardy
Australian-Shepherd-Welpe Boardy stellte einen besonders kniffligen Fall für Hundetrainerin Katharina Marioth dar (Symbolbild) Foto: Getty Images / Katharina Marioth

13. März 2025, 11:34 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Hundetrainerin Katharina Marioth berichtet von dem intensiven Fall mit Australian-Shepherd-Welpe Boardy und stellt einen 10-Punkte-Plan vor, wie man mit einem völlig überdrehten Welpen umgehen kann.

Artikel teilen

Als Hundetrainerin und Beraterin bin ich immer wieder mit den unterschiedlichsten Hunden und ihren Eigenheiten konfrontiert. Doch der Fall von Boardy, einem Australian-Shepherd-Welpen aus der Arbeitslinie, war eine ganz besondere Herausforderung. Lisa, die sich viel von diesem Hund erhofft hatte, erlebte einen wahren Albtraum, als sie Boardy in der Großstadt aufzog. Es war ein typisches Beispiel dafür, wie die Rasse und die Lebensumstände nicht immer zusammenpassen. Boardy war alles andere als der ruhige, treue Begleiter, den sich Lisa vorgestellt hatte. Er war ein kleiner Wirbelwind ohne Ende, der niemals zur Ruhe kam. Doch es war nicht nur seine Energie – es war das massive Beißverhalten, das das Leben von Lisa und ihrem Hund auf eine harte Probe stellte. 

Die Rasse und ihre Eigenschaften

Australian Shepherds aus der Arbeitslinie sind nicht ohne Grund als extrem aktive und arbeitsfreudige Hunde bekannt. Sie brauchen nicht nur körperliche Bewegung, sondern auch geistige Herausforderungen, um ausgeglichen zu sein. Lisa hatte sich für Boardy entschieden, weil sie dachte, dass dieser Hund perfekt in ihr Leben passen würde. Ein Nebeneinkommen als Petfluencerin war ihr großer Traum – und „Aussies gehen immer“. Ein kluger Hund, der sie in ihrer Arbeit begleiten könnte – Lisa arbeitet mit Kindern. Doch schnell stellte sich heraus, dass Boardy eine ganz andere Richtung einschlug. 

Der unaufhörliche Drang nach mehr

Boardy kam als Welpe in das Leben von Lisa und stellte von Beginn an eine enorme Herausforderung dar. Die ersten Wochen waren ein wahres Chaos. Der Welpe war einfach nie ruhig. Lisa versuchte alles, um ihn zu beschäftigen – Spaziergänge, Spielzeug, viele Trainingsaufgaben, die sie sich bei Instagram und Tiktok auf anderen Accounts abschaute – doch Boardy wollte immer mehr. Mehr Bewegung, mehr Reize, mehr Interaktion.

Er war ein absolutes Energiebündel, das niemals zur Ruhe kam. Es war ein ständiger Kreislauf: Je mehr sie ihm bot, desto mehr verlangte er. „Mehr, mehr, mehr“, dachte Lisa, als Boardy seine Zeit damit verbrachte, ständig auf sie einzuwirken, sei es durch Bellen, Anknabbern von Gegenständen oder durch ständiges Springen und Zerren an der Leine. 

Das massive Beißen ein echter Albtraum

Ein weiteres Problem, das Lisa und Boardy über Monate hinweg quälte, war das massive Beißen des Welpen. Es war nicht das übliche Kauen, das Welpen in ihrem Alter zeigen, sondern ein aggressiveres Verhalten. Boardy zerrte und biss an allem, was er in die Zähne bekam – Möbel, Taschen, Schuhe, selbst Lisas Hände, wenn sie versuchte, ihn zu beruhigen oder ihm etwas beizubringen. Das Beißen war nicht nur auf Spielsachen beschränkt; es schien eine Form der Frustration zu sein, ein Versuch, mit der aufgestauten Energie und den Reizen der Stadt umzugehen. 

Tractive GPS Tracker

Lisa versuchte, ruhig zu bleiben und Boardy auf angemessene Weise zu korrigieren, doch seine starke, instinktive Arbeitslinie und der Drang, etwas in den Zähnen zu haben, machten es ihr schwer. Der Welpe nahm kaum eine ruhige Phase in seinem Leben wahr, was sowohl für ihn als auch für Lisa zunehmend stressig wurde. Ihre Geduld war am Rande der Erschöpfung. In den schlimmsten Momenten fragte sie sich, ob sie es überhaupt noch schaffen konnte, mit Boardy zusammenzuarbeiten. 

Auch interessant: Hundehalterin über das erste Jahr mit Welpen: „Elvis hat mich gut erzogen“

Der Weg zum erfolgreichen Training

In der Anfangszeit war es klar, dass Boardy mehr brauchte als nur einfache Spaziergänge. Doch was sollte Lisa tun, wenn ihr Welpe einfach nie zur Ruhe kam und stattdessen das massive Beißverhalten zur Gewohnheit wurde? Es wurde schnell deutlich, dass sie einen anderen Ansatz brauchte, um das Problem zu lösen. 

Boardy musste lernen, seine Energie produktiv zu nutzen. Ich empfahl Lisa, mit einem strukturierten Trainingsplan zu arbeiten, der sowohl geistige als auch körperliche Herausforderungen beinhaltete. Es ging nicht nur darum, Boardy körperlich auszulasten, sondern auch, ihn geistig zu fordern, damit er nicht in frustriertes Verhalten verfiel. Langsame, kontrollierte Trainingseinheiten, bei denen Boardy für gewünschtes Verhalten belohnt wurde, halfen ihm, sich zu konzentrieren und von seinem impulsiven Verhalten abzurücken. 

Doch auch der Umgang mit seiner Frustration war ein zentraler Punkt. Ich riet dazu, das Beißen nicht nur zu stoppen, sondern auch als Teil eines größeren Trainingsplans zu verstehen, der Boardy half, ruhig zu bleiben und den Stress des Hundes abzubauen. Hier war Geduld gefragt. Lisa musste ihm beibringen, dass nicht jedes Bedürfnis sofort und mit aller Macht erfüllt werden konnte. 

Die Stadt als Herausforderung

Ein weiteres Hindernis war das Leben in der Großstadt. Für einen Hund wie Boardy, der aus der Arbeitslinie kommt, waren die ständigen Reize der Stadt eher eine zusätzliche Belastung als eine Bereicherung. Das ständige Vorbeigehen an Autos, Menschen, Fahrradfahrern und anderen Hunden verstärkte seine Frustration. Boardy hatte es schwer, sich zu konzentrieren, wenn er ständig abgelenkt wurde. 

Ich schlug vor, dass Lisa sich zurückzog und Boardy erstmal in ruhigerem Umfeld trainierte, um die Grundlagen zu festigen, bevor sie ihn in belebtere Gegenden brachte. Nur so konnte sie die Kontrolle über sein Verhalten zurückgewinnen und dem Welpen helfen, mit den vielen Reizen besser umzugehen. 

Ergebnisse und Fazit

Mit der Zeit begann Boardy, Fortschritte zu machen. Die Trainingseinheiten wurden länger, aber auch strukturierter. Lisa konnte erkennen, dass ihr Welpe immer ruhiger wurde, wenn er ausreichend ausgelastet war – sowohl körperlich als auch geistig. Das Beißen nahm mit der Zeit ab, als er lernte, wie er seine Energie anders kanalisieren konnte. Doch es war ein langsamer Prozess. Boardy war immer noch ein Hund, der viel Energie und Aufmerksamkeit brauchte. 

Die entscheidende Erkenntnis für Lisa war, dass Boardy nicht der Hund war, den sie sich ursprünglich vorgestellt hatte – der ruhige Begleiter, der sie auf Spaziergängen begleitete und im Café neben ihr lag. Boardy war ein Hund, der ständig gefordert werden musste, ein Hund, der nie wirklich „zur Ruhe“ kam. Doch mit einer klaren Struktur, regelmäßigen Trainingseinheiten und der richtigen Auslastung konnte Lisa das Potenzial dieses außergewöhnlichen Hundes entfalten. 

Meine Empfehlungen als Hundetrainerin

  • Energie managen: Ein Australian Shepherd aus der Arbeitslinie benötigt eine konstante Herausforderung. Tägliche geistige und körperliche Auslastung sind unerlässlich – aber immer kombiniert mit „Cool down“-Phasen. 
  • Geduld und Konsequenz: Das Training muss konsequent sein, besonders wenn der Hund frustriert oder aufgeregt ist. Geduld ist entscheidend, um langfristig ein positives Verhalten zu fördern. 
  • Angepasste Umgebung: Die Stadt kann für solch einen Hund überwältigend sein. Eine schrittweise Eingewöhnung in ruhigere Umgebungen kann helfen, den Hund besser auf das Leben in der Großstadt vorzubereiten. 

Boardys Fall zeigt, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse eines Hundes richtig zu verstehen und darauf basierend einen individuellen Plan zu entwickeln. Wenn man das tut, kann aus einem „Albtraumwelpen“ ein ausgewachsener, glücklicher Hund werden – auch in der Großstadt. 

Mehr zum Thema

10-Punkte-Plan für den Umgang mit einem völlig überdrehten Welpen

Wenn ein Welpe wie Boardy – ein Australian Shepherd aus der Arbeitslinie – völlig überdreht ist, kann es schwierig sein, den richtigen Weg zu finden. Ein strukturierter Plan hilft, den Hund aus seinem ständigen Zustand der Überreizung herauszuführen. Hier sind 10 wichtige Schritte, um mit einem überdrehten Welpen umzugehen: 

1. Klare Struktur im Alltag schaffen

Welpen brauchen eine klare Tagesstruktur, die ihnen Sicherheit gibt. Definieren Sie feste Zeiten für Fütterung, Schlafen, Spielen und Training. Diese Struktur hilft, den Welpen zu beruhigen und zu stabilisieren.

2. Tägliche, aber kontrollierte Bewegung

Bieten Sie Ihrem Hund tägliche, kontrollierte Bewegung, aber vermeiden Sie es, ihn zu überfordern. Statt endloser Spielstunden sind kurze, aber intensive Spaziergänge oder Apportierspiele mit Pausen sinnvoll. Zu viel Bewegung kann den Welpen noch mehr aufdrehen.

3. Ruhige Momente einbauen

Woche für Woche sollte Ihr Hund lernen, ruhig zu bleiben. Planen Sie regelmäßige „Ruhephasen“, in denen er sich entspannen muss. Dies können kleine Pausen im Training oder auch Zeiten im Körbchen sein, die nicht unterbrochen werden.

4. Positive Verstärkung für ruhiges Verhalten

Belohnen Sie Ihren Hund für ruhigere Momente. Jeder Hund reagiert auf positive Verstärkung, sei es durch ein Leckerli, Lob oder Spiel. Belohnen Sie ruhige, konzentrierte Phasen, damit er lernt, dass Entspannung ebenso viel Aufmerksamkeit verdient wie Aktivität.

5. Gezielte, geistige Auslastung

Förderung der geistigen Auslastung ist für einen überdrehten Welpen von entscheidender Bedeutung. Puzzle-Spielzeuge, Nasenarbeit oder Suchspiele können helfen, seine überschüssige Energie zu kanalisieren und ihn geistig zu beschäftigen, ohne ihn zu überfordern.

6. Kein Überstimulieren durch Reize

Vermeiden Sie es, Ihrem Welpen zu viele Reize aus der Umgebung zu bieten. Der ständige Lärm der Großstadt, schnelle Bewegungen oder viele fremde Menschen können den Welpen überfordern. Beginnen Sie mit ruhigeren Umgebungen und steigern Sie die Reizintensität nur schrittweise.

7. Ruhige Rituale einführen

Erstellen Sie ein Ritual für den Übergang zu ruhigeren Phasen. Etwa eine kurze, aber entspannende „Kuschelzeit“ oder ein beruhigendes Musikstück, das den Übergang von aktiv zu ruhig erleichtert. Dies hilft Ihrem Welpen, sich schneller zu entspannen.

8. Durchdachte Trainingsmethoden anwenden

Trainieren Sie mit ihm nur dann, wenn er aufmerksam und fokussiert ist. Bei einem überdrehten Hund sollte man besser kürzere, aber intensivere Trainingseinheiten mit klaren Zielen durchführen. Nutzen Sie „Clickertraining“ oder andere präzise Markierungen, um ihn zu fokussieren.

9. Umfassende Sozialisierung

Die Sozialisierung muss ruhig und kontrolliert erfolgen. Jeder Hund sollte lernen, dass er sich in der Nähe von anderen Hunden, Menschen oder in belebten Umgebungen ruhig verhalten kann. Beginnen Sie mit einem Hundekontakt oder Spaziergang in ruhiger Umgebung, bevor Sie die Stadt erkunden.

10. Geduld und Selbstfürsorge für die Hundehalter

Die Arbeit mit einem überdrehten Welpen wie Boardy erfordert Geduld und Zeit. Lisa muss sicherstellen, dass sie selbst Pausen macht, um nicht überfordert zu werden. Auch für die Halter ist es wichtig, Stress abzubauen und die Beziehung zu ihrem Hund in einem ausgewogenen Rhythmus zu pflegen.

Fazit: Mit einem klaren Plan und konsequentem Vorgehen kann Ihr Hund lernen, seine Energie sinnvoll zu nutzen und entspannte Phasen in seinen Alltag zu integrieren. Ein völlig überdrehter Welpe ist nicht einfach zu handhaben, aber mit Struktur, Geduld und den richtigen Trainingsmethoden kann er zu einem ausgeglichenen und gehorsamen Begleiter werden.

Themen #AmazonPets

Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung unseres Angebots mit Tracking und Cookies widerrufen. Damit entfallen alle Einwilligungen, die Sie zuvor über den (Cookie-) Einwilligungsbanner bzw. über den Privacy-Manager erteilt haben. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit Tracking und Cookies entscheiden.

Bitte beachten Sie, dass dieser Widerruf aus technischen Gründen keine Wirksamkeit für sonstige Einwilligungen (z.B. in den Empfang von Newslettern) entfalten kann. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an datenschutz@axelspringer.de.