2. Februar 2023, 5:51 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
In manchen Situationen, wie beim Bahnfahren, ist das Tragen eines Maulkorbes für Hunde Pflicht. Allerdings tragen die wenigsten Vierbeiner gerne die Vorrichtung, die vor Bissen schützen soll. Eine Expertin gibt Tipps, wie man seinen Hund am besten an das Tragen eines Maulkorbes gewöhnt.
In Deutschland entscheidet jedes Bundesland selbst, ob und an welchen Orten Hunde einen Maulkorb tragen müssen. Dabei unterschieden sich die Regelungen oft auch innerhalb eines Bundeslandes von Gemeinde zu Gemeinde. So müssen in Hamburg die Behörden die Haltung eines Hundes, der zu einer als „gefährlich“ eingestuften Hunderasse wie Bullterriern, Pitbull-Terriern und American Staffordshire Terriern gehört, genehmigen. Diese Hunde sind dabei „stets mit Maulkorb und Leine zu führen“. In Bayern können mit Berufung auf die Hundehaltungsverordnung „für Hunde, die andere Personen oder Tiere schädigen, erheblich gefährden oder belästigen, eine Leinenpflicht oder andere Maßnahmen (z.B. Maulkorb, Schulung, Mitführverbot, Abgabe des Hundes) angeordnet werden“. PETBOOK sprach mit einer Expertin über das Thema, die erklärt, wie Halter ihren Hund in 8 Schritten an einen Maulkorb gewöhnen.
Übersicht
Wann ist es sinnvoll, dass Hunde einen Maulkorb tragen?
Auch wenn Halter nicht dazu verpflichtet sind, ihrem Tier einen Maulkorb anzulegen, spricht vieles dafür, dem Hund in bestimmten Situationen einen Maulkorb anzulegen, zum Beispiel:
- beim Tierarzt,
- in öffentlichen Verkehrsmitteln oder
- wenn er nicht an andere Hunde gewöhnt ist.
Doch dem Vierbeiner einfach von heute auf morgen einen Maulkorb überzuziehen, ist keine gute Idee. Ulrike Seumel, Gründerin und Geschäftsführerin von Dog It Right aus Potsdam, erklärt: „Das Anziehen des Maulkorbs ist anstrengend bis bedrohlich für viele Hunde. Damit Hunde damit gut zurechtkommen und keine Angst vor dem Tragen oder Anziehen des Maulkorbs bekommen, sollte der Maulkorb, das Tragen und Anziehen, positiv verknüpft werden.“
Damit der Hund schlussendlich das Tragen des Maulkorbs mit etwas Positivem verbindet und ihn sich ohne Angst oder sich zu wehren anlegen lässt, muss man ihn Schritt für Schritt an den Beißschutz gewöhnen. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) hat die nötigen Schritte in einem Merkblatt zusammengefasst. Damit die Maulkorbgewöhnung gelingt, müssen aber die Voraussetzungen stimmen.
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Grundlagen, um den Hund erfolgreich an den Maulkorb zu gewöhnen
Einen Maulkorb zu tragen, ist für einen Hund erst einmal ungewohnt. Auch schränkt er ihn zu einem gewissen Grad ein. Je nach Wesen des Tieres kann das für den Hund sehr stressig sein. Damit die Maulkorbgewöhnung für den Hund möglichst stressfrei abläuft und er ihn von Anfang an mit etwas Positiven verbindet, sollten Halter auf diese Punkte achten.
- Einen hochwertigen, leicht zu reinigenden und gut sitzenden Maulkorb kaufen, der zur Kopfform des Hundes passt. Dieser sollte auf keinen Fall scheuern und den Hund nicht am Hecheln oder Trinken hindern.
- Den Hund beim Maulkorb-Training mit hochwertigen Leckerlis belohnen – er wird besser kooperieren, wenn er die angebotenen Belohnungen als etwas Besonderes empfindet.
- Jeden Tag Zeit für die Maulkorbgewöhnung einplanen. Wenn das Training fest in die Tagesroutine eingeplant wird und Halter nicht viel Zeit zwischen den einzelnen Trainingseinheiten vergehen lassen, gewöhnt der Hund sich schneller an den Maulkorb.
- Auf die Bedürfnisse des Hundes achten. Halter sollten ihr Tier nie ängstigen oder sich bedrohlich verhalten – auch bei der Maulkorbgewöhnung. Wie gut das Tier den Maulkorb annimmt, hängt laut Ulrike Seumel vor allem von den bisherigen Erfahrungen des Hundes ab. Sie erklärt auf Anfrage von PETBOOK: „Ein Hund, der generell nicht gern angefasst wird und erlebt hat, dass es wehtut, wenn der Mensch ihm etwas über das Maul ziehen will, wird wahrscheinlich mehr Trainingszeit und kleinere Trainingsschritte brauchen.“
- Markersignale zielgerichtet nutzen. Laut Ulrike Seumel bringt ein positives Markersignal für den Hund viel Sicherheit und ermutigt ihn zur Kooperation: „Wenn Menschen es richtig anwenden und überall im Alltag nutzen, dann freut sich der Hund darauf und kommt in eine gute Stimmung. Das sorgt für eine gute Trainingsumgebung.“
Expertin rät Maulkorbgewöhnung zunächst ohne Hundetrainer
Die Maulkorbgewöhnung können und sollten Halter laut Ulrike Seumel erst einmal alleine probieren. Einen Hundetrainer sollten sie, laut Aussage der Expertin, erst dazu holen, wenn folgende Situationen eintreten:
- Der Hund meidet den Maulkorb, schaut beispielweise immer weg, läuft weg oder versteckt sich, sobald er den Maulkorb sieht.
- Der Hund wird steif, droht, knurrt, schnappt oder beißt, sobald er den Maulkorb sieht.
- Halter sind sich unsicher, wie sie den Hund an den Maulkorb gewöhnen sollen.
Maulkorbgewöhnung in 8 Schritten
Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann der Hund schrittweise an den Maulkorb gewöhnt werden. Im Folgenden wird erklärt, wie das gelingt.
Schritt 1: Hund mit Futter in den Maulkorb locken
In Schritt eins der Maulkorbgewöhnung legt der Halter den Maulkorb auf seine flache Handfläche. Anschließend platziert er ein Leckerli auf dem Rand des Maulkorbs und hält dem Vierbeiner diesen so hin, dass er das Leckerli mit der Schnauze leicht erreichen kann. Und zwar mit viel Ruhe – und ohne ihn zu bedrängen oder ihm den Korb überzustülpen.
Nimmt der Hund dieses erste Leckerchen an und frisst es, kann man nach und nach und immer weitere nach hinten weitere Futterstücken hineingeben, bis er seine ganze Schnauze in den Maulkorb steckt.
Schritt 2: Dem Hund Leckerlis durch den Maulkorb reichen
Hat der Hund seine Schnauze im Maulkorb, kann der Halter ihm jetzt Leckerlis durch die Gitterstäbe des Korbes reichen. Am besten sind dafür lange, flache Leckereien geeignet. Laut Expertin Ulrike Seumel können Markersignale wie Klicken den Prozess beschleunigen.
Ulrike Seumel erklärt auf Anfrage von PETBOOK: „Mit einem positiven Markersignal kann ich meinem Hund zeigen, für welches Verhalten genau er die Belohnung bekommt. Das hilft mir im Training, um ein besseres Timing zu haben und um schneller die richtigen Ergebnisse zu erzielen.“ Steckt der Hund die Schnauze in den Maulkorb, kann der Halter ihn präzise dafür belohnen. „Das Markersignal schafft für den Hund die Brücke von seinem Verhalten, die Schnauze in den Maulkorb zu stecken, und der Belohnung“, fügt Ulrike Seumel hinzu.
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Schritt 3: Hund dazu motivieren, selbst die Schnauze in den Maulkorb zu stecken
Im nächsten Schritt hält der Halter dem Hund den Maulkorb ganz ohne Leckerlis hin. Der Maulkorb sollte sich dabei in Höhe des Kopfes vom Hund oder gerade so darüber befinden. Streckt der Hund freiwillig seine Schnauze in den Maulkorb, gibt ihm der Halter sofort wie in Schritt zwei die Belohnung. Während der Hund weiterhin die Schnauze im Maulkorb hat, bewegt der Halter sich langsam rückwärts und hält dabei den Maulkorb fest. Dabei reicht er kontinuierlich und sofort weitere Leckerlis nach. Der Hund wird als Folge tiefer mit seiner Schnauze hineingehen und sich gemeinsam mit dem Halter bewegen, damit er den Kontakt zu den Belohnungen nicht verliert.
Wenn das einige Male geübt wurde, kann der Halter die zeitlichen Abstände zwischen den Belohnungen ausdehnen. Hat er den Hund bei den ersten Trainingsversuchen sofort belohnt, kann er jetzt nach einer Sekunde, im nächsten Durchgang nach zwei, dann nach drei, nach vier Sekunden und so weiter belohnt werden. Wenn der Hund 20 Sekunden im Maulkorb auf eine Belohnung warten kann, ohne ihn sich mit den Pfoten abzustreifen oder sich zu entziehen, können Hund und Halter zum nächsten Trainingsschritt übergehen.
Schritt 4: Hund daran gewöhnen, den Maulkorb selbst zu tragen
Nun muss der Hund verstehen, dass der Halter den Maulkorb nicht oder nur zeitweise festhält, wenn er ihn trägt. Dafür animiert der Halter sein Tier jetzt dazu, leicht nach oben zu schauen, während es den Maulkorb trägt. Der Grund dafür: Schaut der Hund nach vorn, kann der Maulkorb von der Schnauze rutschen. Deshalb sollte man ihm das Leckerli von schräg oben anbieten, sodass er die Schnauze leicht in die Luft recken muss. Schaut der Hund nach oben, lässt der Halter den Maulkorb los – allerdings nur ganz kurz. Schon nach einer Sekunde sollte der Hund mit einem Leckerli, das durch die Gitterstäbe gesteckt wird, belohnt werden.
Wenn diese Übung mehrfach wiederholt wurde und der Hund sich damit wohlfühlt, sollten die zeitlichen Abstände zwischen den Belohnungen wie in Schritt drei erhöht werden. Das Ziel: Der Hund soll den Maulkorb immer länger selbst und ohne, dass der Halter ihn festhält, tragen.
Hat der Hund sich so weit daran gewöhnt, sollte er auch in unregelmäßigen Abständen belohnt werden. Zum Beispiel nach zwei Sekunden, beim nächsten Mal nach fünf Sekunden, dann wieder nach drei Sekunden und so weiter. Anschließend sollte das Gleiche geübt werden, während sich Hund und Halter bewegen.
Schritt 5: Hund an das Nackenband gewöhnen
Der Hund muss sich auch daran gewöhnen, dass der Maulkorb mit einem Band in seinem Nacken befestigt wird. Dazu stellt der Halter das Band so ein, dass es so lang wie möglich ist. Dann hält er den Maulkorb wie im vorherigen Schritt so, dass der Hund leicht nach oben schaut, während er mit der Schnauze in den Korb hineindrängt. Währenddessen zieht der Halter dem Vierbeiner das Nackenband über die Ohren und lässt den Maulkorb für eine Sekunde los. Anschließend bekommt er ein Leckerli durch die Gitterstäbe, während er den Maulkorb wieder festhält. Wie im vorherigen Trainingsschritt erhöht der Halter jetzt die zeitlichen Abstände und belohnt den Hund auch in unvorhersehbaren zeitlichen Abständen.
Schritt 6: Hund daran gewöhnen, dass das Nackenband enger gestellt wird
Am Ende der Gewöhnung soll der Hund den Maulkorb tragen, ohne ihn von der Schnauze zu ziehen. Das Nackenband verhindert das nur, wenn es dementsprechend eng geschnallt ist. Damit der Hund sich an das justierte Band – und daran, dass verstellt wird – gewöhnt, wiederholt der Halter erst einmal den vorherigen Schritt der Maulkorbgewöhnung.
Während der Hund mit gelockertem Nackenband mit der Schnauze im Maulkorb ist und er leicht nach oben schaut, stellt der Halter nun die Nackenband-Schnalle etwas enger ein. Sofort danach greift er nach dem Maulkorb und belohnt den Vierbeiner wie gehabt durch die Gitterstäbe hindurch. Halter sollten dabei langsam vorgehen und das Nackenband auf keinen Fall zu schnell eng einstellen. Der Trainingsschritt wird so lange wiederholt, bis das Nackenband perfekt sitzt. Das ist dann der Fall, wenn der Hund den Maulkorb nicht über die Nase abziehen kann.
Schritt 7: Üben, üben, üben
Der Hund kennt jetzt die „Basics“ der Maulkorbgewöhnung. Er weiß, dass der Halter ihm den Maulkorb anzieht, ihn loslässt und die Nackenschnalle justiert. Damit sich das Gelernte einprägt, müssen Hund und Halter die Maulkorbgewöhnung weiter üben. Wichtig: Sie müssen das Tier weiter und häufig belohnen, auch in unvorhersehbaren Abständen. Zwischen den Belohnungen auch mal mehr Zeit vergehen lassen, hilft ebenfalls.
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Schritt 8: Den Hund an das Maulkorbtragen in verschiedenen Situationen gewöhnen
Zum Schluss lernt der Hund, den Maulkorb mal kurz, mal etwas länger und in verschiedenen Situationen zu tragen, etwa im Park oder auf der Hundewiese. Während er ihn trägt, soll der Hund nun auch verschiedene Übungen, die er schon gelernt hat, machen. Dabei belohnt der Halter ihn kontinuierlich mit Leckerlis.
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Maulkorbgewöhnung: Kleinschrittiges Training lohnt sich
Den eignen Hund an einen Maulkorb zu gewöhnen, ist zeitintensiv – aber es lohnt sich. Denn dank einer artgerechten Maulkorbgewöhnung, die zum Wesen des jeweiligen Tieres passt, wird der Hund den Maulkorb als etwas ganz Selbstverständliches sehen, ihn sich freiwillig anlegen lassen und ihn mit etwas Positivem verbinden.