26. Januar 2023, 6:03 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Aggressionen gehören zu dem normalen Verhalten eines Hundes dazu. Dadurch reagieren Hunde meist auf für sie als „bedrohlich“ empfundenen Situationen. Ist ein Hund im Umgang mit Menschen aggressiv und unberechenbar, wird dies jedoch im Alltag zum Problem für seinen Besitzer. Mit dem richtigen Management lässt sich das Verhalten jedoch gut in den Griff bekommen.
Hunde sind für viele der beste Freund des Menschen. Wer sich ein Tier anschafft, wünscht sich in der Regel, mit ihm durch dick und dünn zu gehen. Neben gemeinsamen Spaziergängen soll der Hund am besten auch am Alltag teilnehmen, inklusive Verabredungen mit Freunden, Urlaub und Restaurantbesuchen. Was viele sich so einfach vorstellen, ist in der Realität jedoch keine Selbstverständlichkeit. Ein Hund kann aus vielfältigen Gründen gegenüber anderen Menschen aggressives Verhalten zeigen. Das macht es dem Halter schwer, einen normalen Alltag zu führen. Was Sie machen können, wenn Ihr Hund aggressiv reagiert und so Angst bei anderen Menschen auslöst, erfahren Sie in diesem PETBOOK Artikel. Eine Halterin und eine Hundetrainerin erzählen.
Übersicht
Wieso sind Hunde aggressiv?
Wieso ist der Hund überhaupt aggressiv? Als Halter stellt man sich diese Frage wahrscheinlich. „Das Thema ‚Aggressionen‘ ist sehr breit gefächert“, sagt Hundetrainerin Astrid aus Berlin. „Grundsätzlich gilt: Ein Hund ist nicht verhaltensgestört, wenn er aggressives Verhalten zeigt. Im Gegenteil. Aggressives Verhalten gehört zur normalen Kommunikation des Hundes dazu und ist eine natürliche Strategie zur Verhaltensanpassung. Der Hund nutzt Aggressionen, um zu bekommen, was er haben will, oder eben zu unterbinden, was er nicht haben möchte.“
Hunde haben in einer Konfliktsituation, oder wenn sie Angst haben, nur drei Optionen: entweder sie laufen weg, sie freunden sich mit ihrem potenziellen Feind an, oder sie schellen nach vorn. Zeigt Ihr Hund ein aggressives Verhalten, sollten Sie Ihrem Hund deshalb unbedingt Rückzugsmöglichkeiten bieten.
Nicht immer aber reagieren Hunde aufgrund von Angst negativ auf Menschen. Auch ein fehlgeleiteter Jagdinstinkt kann Ursache für Aggressionen gegenüber Menschen sein. Dies zeigt sich zum Beispiel, wenn Hunde Joggern oder Radfahrern hinterherrennen. In diesen Fällen wird der Jagdinstinkt durch die schnelle Bewegung getriggert.
Was tun, wenn ein Hund aggressiv ist?
So vielfältig die Gründe sein mögen, so schwierig ist es, Hunden ihr aggressives Verhalten abzugewöhnen. „Aggressives Verhalten ist so gesehen ja nicht unnatürlich“, sagt Astrid. „Man kann aber lernen, damit umzugehen. Einfach, indem man den Hund nicht in bestimmte Situationen bringt, indem man zum Beispiel Bögen läuft und das Umfeld schult. Dann kann man sehr gut mit einem aggressiven Hund leben.“
Hundehalterin Merle Jensen hat bereits Erfahrungen in diesem Gebiet gemacht. „Meine Hündin Bertha kommt aus dem Tierschutz“, erzählt die Grafikdesignerin. Vor vier Jahren nahm die junge Hamburgerin Hündin Bertha aus Griechenland zur Pflege bei sich auf und sollte eigentlich nur als „Pflegestation“ die Zeit zu Berthas endgültigen Vermittlung überbrücken – doch dann kam alles anders.
„Bertha wurde nach einer Woche vermittelt und wurde mir ein paar Tage später wieder zurückgegeben, weil die Besitzer nicht mit ihr klarkamen.“ Die Hündin hatte bei den neuen Besitzern ein aggressives Verhalten gezeigt; ihre neue Familie fühlte sich Bertha deshalb „nicht gewachsen“. „Seitdem ist Bertha bei mir“, erzählt Merle Jansen, „ich wollte die Situation nicht noch schlimmer machen und Bertha durch einen weiteren Halterwechsel noch mehr verwirren.“
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Ein Maulkorb kann Sicherheit geben
Merle Jensen war mit ihrer Hündin schon bei mehreren Hundeschulen und -trainern, bislang jedoch ohne nennenswerten Erfolg. „Wenn sie nervös wird, weil es rummelig um sie herum ist und sie gestresst ist, kann es immer noch passieren, dass sie nach vorn pirscht. Das ist aber okay. Ich weiß ja, wie sie ist, und richte alles immer so ein, dass nichts passieren kann.“
So hat Jensen, wenn sie mit ihrer Hündin unter Leuten ist, immer einen Maulkorb dabei. „Der Maulkorb gibt auch mir Sicherheit“, sagt sie. „Manchmal kann ich ihn auch abnehmen. Das mache ich aber nur, wenn Bertha ganz entspannt ist. Das sieht man dann ganz gut an der Körperhaltung: die Ohren sind im Entspannungszustand locker und die Rute zeigt entspannt herunter. Insgesamt muss man bei einem aggressiven Hund einfach sehr aufmerksam sein. Ich muss beim Spazierengehen auf so Dinge achten, wie ‚Ist der Weg hier breit genug, oder könnte sie sich eingeengt fühlen? Ist es zu laut für sie und kann sie sich zurückziehen?‘ Man muss immer einen Schritt voraus sein.“
Tipps zum Management von aggressiven Hunden
Aggressionen sind laut Astrid von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Nicht immer muss ein Hund tatsächlich schlechte Erfahrungen gemacht haben, um ein aggressives Verhalten zu entwickeln. „Da spielen ganz verschiedene Dinge hinein: Genetik kann da reinspielen, Sozialisierung, Erfahrungswerte, Lernen – alles Mögliche.“
Am erfolgreichsten ist ein Training laut Astrid, wenn Halter ihren Hund in all seiner Individualität berücksichtigen: „Der Hund sollte im Training ganzheitlich betrachtet werden. Wenn ein Hund zum Beispiel meinen Besuch gebissen hat, darf man nicht nur mit dem Wunsch ‚Du sollst nicht mehr beißen‘ ansetzen, sondern sollte sich fragen: ‚Was ist das für ein Hund? Wo kommt er her? Welche Erfahrungen hat er gemacht? Kommt er aus dem Tierheim?‘“ Wichtig sei auch, einen Tierarzt hinzuzuziehen, da Hunde auch, wenn sie Schmerzen haben, aggressiv reagieren. Zudem gibt die Trainerin folgende Tipps:
Seien Sie gut vorbereitet
Um gut geschützt zu sein, falls etwas schiefgeht, kommt es auf das richtige Equipment an: festes Geschirr, ein Maulkorb, Schutzkleidung. „Beim Training sollte man einen Maulkorb tragen. Manche Menschen sind ja gegen Maulkörbe; ich finde sie aber sehr positiv bei der Arbeit mit aggressiven Hunden. Vor allem, wenn man das Anlegen geduldig übt und den Hund hier von Beginn an lobt und belohnt.“
Bauen Sie Vertrauen auf
Hunde haben ihr aggressives Verhalten oft selbst erlernt. „Manche Hunde eignen sich aggressives Verhalten zum Beispiel an, um sich zu schützen, oder weil sie Angst vor Menschen haben. Es kann auch sein, dass ein Hund früher mal jemanden, der ihn bedroht hat, gebissen hat. Hat diese Person dann von dem Hund abgelassen, hat es für den ihn dann sozusagen „geklappt“. Er hatte Erfolg mit seinem Verhalten.“
Arbeiten Sie in kleinen Schritten
Beim Training gilt es, geduldig zu sein. Astrid rät, aggressive Hunde vorsichtig mit dem Auslöser der Aggression zu konfrontieren. „Oft ist das ja eine ganz bestimmte Sache“, sagt Astrid, „so was wie eine bestimmte Personengruppe, Menschen mit dunkler Jacke, Kinder. Viele Hunde haben auch Angst vor Männern.“ Das Training müsse dann von Fall zu Fall auf den Hund abgestimmt werden. Grundsätzlich seien Aggressionen ein langwieriges Problem: „Der Hund wird nie von seinen Aggressionen ‚geheilt‘ werden“, sagt Astrid. „Man kann nur lernen, damit gut umzugehen und ihn nicht in eine Situation zu bringen, in der er aggressiv reagiert.“
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So vermeiden Sie, dass der Hund aggressiv reagiert
Im besten Fall achten Sie auf die Körpersprache Ihres Hundes und lassen es gar nicht erst so weit kommen, dass Ihr Hund aggressiv reagiert. Folgende Maßnahmen helfen Ihnen hier:
Achten Sie auf die Körperhaltung Ihres Hundes
Sind die Ohren stark aufrecht oder nach vorn gekippt, deutet dies auf eine aggressive Stimmung hin. Nach hinten gerichtete Ohren deuten auf ein ängstliches Verhalten hin, das wiederum zu einem verteidigenden Drohverhalten werden kann. Auch die Rute Ihres Hundes gibt eindeutige Hinweise auf die Stimmung: Ist sie waagerecht und steif weggestreckt, zeigt Ihr Hund hiermit eine Drohung an.
Zeigen Sie Souveränität
Je entspannter Sie sind, desto entspannter ist auch Ihr Hund. Hier kann es ebenfalls helfen, einen Maulkorb mitzuführen, damit Sie sich in bestimmten Situationen „gewappnet“ fühlen.
Vermeiden Sie Stresssituationen
Steht Ihnen eine Situation bevor, in der Ihr Hund angespannt reagieren könnte, versuchen Sie diese zu umgehen. Hat er zum Beispiel Angst vor Menschen, die Ihnen entgegenkommen, bleiben Sie mit Ihrem Hund stehen und nehmen Sie sich Zeit. Denken Sie daran: Ihr Hund ist nicht aus bösem Willen aggressiv, sondern weil er so sein natürliches Schutzverhalten zeigt.