5. Dezember 2023, 6:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Füttern Sie noch oder erziehen Sie schon? Schon in der Hundeschule lernen viele Besitzer, das Verhalten ihres Vierbeiners positiv zu verstärken – am besten mit Futter. PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender und findet jedoch: Hunde mit Leckerli zu trainieren hat nichts mit echter Erziehung zu tun.
„Aber Du würdest doch auch nicht umsonst arbeiten.“ Diesen Spruch höre ich regelmäßig von Leuten, die ihre Hunde nur mit Leckerlis trainieren. Das „Basis-Leckerli“ gibt’s für „Sitz, Platz, Bleib“. Das Super-Leckerli ist für den Rückruf und das Super-Duper-Leckerli für den „Notruf“. Also, für den Fall, wenn ein Reh den Waldweg kreuzt. Mein Tipp: Trolley mitnehmen, dann kann das Spielzeug auch noch mit. Meiner Meinung nach hat die ständige Gabe von Leckerli mit Erziehung wenig zu tun.
Der Hund agiert und wir reagieren, anstatt die Marschrichtung vorzugeben
Mal ganz im Ernst. Wer so viele Leckerli mitnehmen muss, der hat meiner Meinung nach kein Vertrauen zu seinem Hund. Und das zu Recht. Denn sich darauf zu verlassen, dass Futterstückchen einen jagdlich motivierten Vierbeiner davon abhalten, den Hasen zu jagen, der vielleicht gerade auf die Hauptverkehrsstraße läuft, ist wie Russisch Roulette.
Wenn das gesamte Erziehungsmodell darauf basiert „richtiges Verhalten mit Leckerli zu bestätigen und Falsches zu ignorieren“, wird’s gefährlich. Dann zwingen wir unsere Vierbeiner dazu, alle Entscheidungen selbst zu treffen. Der Hund agiert und wir reagieren, anstatt die Marschrichtung vorzugeben. Wir lassen den Hund in dieser komplexen Welt allein und ohne Anleitung.
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Stellen Sie sich vor, Sie würden von Ihrer Portion Pommes immer nur einen Bissen bekommen
Schon Aussagen wie „hier haben wir 80 Trockenfutter-Kroketten, ich kann den Hund also 80 Mal belohnen“ halte ich für tierschutzrelevant. Stellen Sie sich vor, Sie würden von Ihrer Portion Pommes oder Ihrer Pizza immer nur einen Bissen bekommen und müssten dann wieder warten. Ständig ein Hungergefühl zu haben, ist frustrierend. Der Magen-Darm-Trakt kommt nicht zur Ruhe, weil er permanent mit der Verdauung beschäftigt ist. Kein Wunder, dass viele dieser „Futter-Junkies“ auf dem Spaziergang Unrat fressen.
Hunde, die mit ihrem Menschen in solch einer Futter-Beziehung leben, tun mir in jeder Hinsicht leid. Denn nicht nur für den Hund ist diese Beziehung eine Belastung. Der Alltag mit dem Futter-Junkie sieht nämlich so aus, dass er uns permanent manipuliert. Er läuft so lange schön bei Fuß und hält Blickkontakt, bis wir ihm den Keks gegeben haben. Danach zieht er wieder an der Leine. Oder er geht Treppenstufen nur noch gegen „Bezahlung“ hoch.
Wenn der Hund dann mal ohne „funktionieren“ soll, beißt er in die Leine und zeigt uns sprichwörtlich die Mittelkralle. Dann weiß man als Hundehalter wieder, wo man in der Beziehung steht, und das macht keinen Spaß.
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Leckerli ersetzten niemals die Beziehungsarbeit
Als Hundehalter wünschen wir uns, dass wir unserem Tier etwas bedeuten. Wir möchten eine innige Beziehung zu ihm, die auf gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Wärme basiert. Leckerli können meiner Meinung nach als Brücke dienen, damit der Vierbeiner wieder Vertrauen fasst. Oder um jungen Hunden Grundkommandos beizubringen. Aber sie ersetzen niemals die Beziehungsarbeit.
Nicht nur Kinder, auch unsere Vierbeiner wünschen sich einen souveränen Weggefährten, der ihnen hilft, schwierige Situationen zu meistern. Verbindlichkeiten müssen innerhalb der Mensch-Hund-Beziehung definiert werden. Die Einhaltung von Regeln gibt dem Hund Sicherheit.
Ja, wir müssen aushalten lernen, dass Hunde Grenzen nicht sofort akzeptieren wollen und ihnen trotzdem mit Ruhe und Klarheit begegnen. Das kann je nach Charakter verdammt schwer sein. Aber es lohnt sich, in die Selbstreflexion zu gehen und in kleinen Schritten Veränderungen herbeizuführen. Probieren Sie es mal aus, es lohnt sich.
Manuela Lieflaender ist zertifizierte Hundepsychologin. Auf ihrem Instagramkanal teilt sie regelmäßig ihren Alltag mit ihrem Australian-Shepherd-Rüden Elvis.