25. Juli 2024, 14:32 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Kastrieren oder nicht kastrieren? Das ist die große Frage, die sich Hundehalter mindestens einmal im Leben ihres Vierbeiners stellen. Dabei gibt es viel, das für eine Kastration spricht. Es gibt aber auch Argumente, die dagegen sprechen. Daher gibt es mit der chemischen Kastration eine temporäre Verhütungsmethode für den Rüden – ohne Narkose noch Operation. Doch was hat es damit auf sich?
Kaum eine Frage spaltet Hundehalter dermaßen wie die Frage, ob man seinen Hund kastrieren lassen sollte oder nicht. Während viele ihrem Hund aus den verschiedensten Gründen weder Narkose noch Operation zumuten wollen, gibt es auch viele, die einfach „nicht in die Natur“ eingreifen wollen. Zwar kann eine Kastration in vielen Fällen besser für das Tier sein, doch – wie bei uns Menschen – birgt jeder medizinische Eingriff auch Risiken.
Im Fall von Hunden kann eine Kastration auch Veränderungen im Wesen und Sozialverhalten mit sich bringen. Ein Umstand, der viele Halter verunsichert. Daher klingt es fast zu gut, um wahr zu sein, dass man mithilfe einer chemischen Kastration – ohne all die Risiken – auf Zeit testen kann, wie sich der eigene Rüde nach dem operativen Eingriff verhalten würde.
„Der Vorteil ist, dass keine Körperteile entfernt werden“
„Mit der Kastration des Rüden werden meist zwei zentrale Ziele verfolgt“, erklärt Tierärztin Dr. Vanessa Herder gegenüber PETBOOK. Neben einer Verbesserung des Sozialverhaltens spiele es eine große Rolle, die Reproduktionsfähigkeit der Hunde zu limitieren. „Während die Entfernung der Hoden endgültig ist und Reproduktionsfähigkeit sicher eliminiert wurde, ist oft nicht gut vorauszusagen, ob die Veränderung des Sozialverhaltens den gewünschten Effekt erzielt.“
Mit der chemischen und immunologischen Kastration der Rüden könne getestet werden, ob das Verhalten in der gewünschten Weise verändert wird, z. B. Hunde weniger aggressiv sind, erklärt die Veterinärin. „Der Vorteil ist, dass keine Körperteile entfernt werden und die chemische Kastration reversibel ist“, so Dr. Herder weiter.
Was passiert bei einer chemischen Kastration?
Eine chemische Kastration wirkt hormonell und erfordert daher keine Narkose oder Operation. Dabei wird ein kleines Hormonimplantat – ähnlich wie der Mikrochip zur Kennzeichnung eines Hundes – unter die Haut des Rüdens gesetzt.1 Dabei sorgt ein Wirkstoff namens Deslorelin im Chip dafür, dass der Hund – je nach Dosis zwischen sechs und zwölf Monaten – unfruchtbar wird.2
Dieser Wirkstoff stoppt die Hormonproduktion in den Hoden und kastriert den Hund somit chemisch für einige Zeit. Vorstellen kann man sich diesen Kastrations-Chip – stark vereinfacht – wie das Verhütungsstäbchen, das bei uns Menschen einige Frauen im Oberarm haben und das über einen Zeitraum nach und nach Hormone zur Schwangerschaftsverhütung abgibt.3 Beim Hund ist dies nur kleiner. Auch ist der Vierbeiner nicht sofort nach dem Eingriff unfruchtbar, da bereits gebildete Spermien noch in den Nebenhoden sind.
Nebenwirkungen der chemischen Kastration sind nicht zu unterschätzen
Den Hormonchip muss der Tierarzt nach Anwendungsbeendigung übrigens nicht wieder entfernen. Laut einigen Tierärzten seien chemisch kastrierte Hunde während der Wirkungszeit sexuell inaktiv. Damit seien sie auch weniger aggressiv gegenüber Artgenossen und auch insgesamt seien die behandelten Rüden während ihrer vorübergehenden Unfruchtbarkeit entspannter.
Allerdings hat die chemische Kastration nicht nur Vorteile, sondern birgt auch einige Risiken und Nebenwirkungen. So können Schwellungen, Entzündungen oder Verhärtungen an der Injektionsstelle auftreten. Außerdem können die Hoden schrumpfen und das Fell sich verändern. Neben höherer Fresslust und einem niedrigeren Aktivitätslevel – was im Zweifelsfall zu Übergewicht führen kann – können eben auch Veränderungen des Verhaltens auftreten.
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»Der Hund ist durch die Hormonchips hochgradig aggressiv geworden
„Und die sind nicht zu unterschätzen“, sagt Hundetrainerin Désirée Scheller gegenüber PETBOOK. „Viele Tierärzte pflanzen die Hormonchips den Hunden recht wahllos unter die Haut, weil der Halter ausprobieren möchte, ob sich das Verhalten des Vierbeiners dadurch bessert. Kaum ein Tierarzt klärt darüber auf, was für ein Hormonchaos in so einem Hund entsteht. Und das beim Einsetzen, aber auch nachher beim Auslaufen dieses Medikaments.“
So habe Scheller schon Hunde erlebt, die durch das Hormonchaos der chemischen Kastration extrem aggressiv geworden seien. „Ich habe damals einen Hund bei meiner Mutter gehabt, der auch diesen Hormonchip hatte. Den konnte ich drei Monate lang nicht betreuen, bis sich das alles wieder akklimatisiert hat, weil er uns angegangen ist. Er ist hochgradig aggressiv geworden.“ Daher sollten Halter eine chemische Kastration nicht auf die leichte Schulter nehmen und sich gut überlegen, ob sie das wirklich für ihren Hund wollen, so Scheller abschließend.