16. August 2024, 6:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Als Hundehalter stolpert man früher oder später über Begriffe wie Patella-Luxation oder Hüftgelenkdysplasie. Dabei handelt es sich um Gelenkerkrankungen, die relativ häufig bei Hunden vorkommen. Bei einigen Rassen sogar so häufig, dass sie in der Rassenbeschreibung erwähnt werden. Aber wie erkenne ich, ob der eigene Vierbeiner betroffen ist und ab wann sollte ich zum Tierarzt? PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender sprach darüber mit Professor Martin Kramer, Leiter der Chirurgie in der Gießener Klinik für Kleintiere.
Wenn man als Hundehalter im Park oder Café sitzt und andere Hunde beobachtet, fällt einem häufig auf, dass deren Gangbild nicht normal aussieht. Ist das Einbildung? Oder sind wirklich so viele Hunde von Gelenkerkrankungen betroffen? Professor Martin Kramer von der Justus-Liebig-Universität Gießen ist Leiter der Klinik für Kleintiere, Chirurgie. Von ihm wollte ich wissen, wie häufig Gelenkerkrankungen bei Hunden vorkommen und ab wann Handlungsbedarf besteht.
Kleine Hunde haben häufig Probleme mit dem Knie, große Hunde leiden oft unter Kreuzbandriss
PETBOOK: Herr Professor Kramer, wie häufig sind Gelenkerkrankungen beim Hund? Und was sind die Ursachen?
Prof. Martin Kramer: „Gelenkerkrankungen kommen häufig bei Hunden vor. Wie häufig lässt sich nicht sagen, weil wir mit diesen Fällen ständig konfrontiert werden. Die Ursachen für die Erkrankungen sind in der Regel genetisch bedingt oder durch Verletzungen entstanden.“
Welche Gelenkerkrankungen treten am häufigsten auf?
„Genau wie wir Menschen leiden Hunde unter Arthrose. Das kommt zum Beispiel von einer Hüftgelenksdysplasie, die genetisch bedingt ist. Durch die Inkongruenz (das fehlende Zueinanderpassen, Anm. d. Red.) des Gelenkes kommt es dann zum Verschleiß.
Kleine Hunde haben häufig Probleme mit dem Kniegelenk. Die Kniescheibe springt beim Laufen heraus. Sie hoppeln dann und oftmals springt die Kniescheibe danach wieder ins Gelenk. Das nennt man Patella-Luxation. Die Erkrankung ist genetisch bedingt, seltener durch Unfälle.
Größere Rassen wie Rottweiler, Berner Sennenhunde oder Retriever sind eher von einem vorderen Kreuzbandriss betroffen, welcher zu Instabilitäten im Gelenk führt. Es liegt eine Rasseprädisposition vor und die Ursache ist meist ein sogenanntes Bagatelltrauma, also eine kleinere Verletzung. Betroffene Tiere müssen in der Regel operiert werden.“
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Wie werden Gelenkerkrankungen bei Hunden behandelt?
Neben der Hüftdysplasie gibt es auch die Ellbogendysplasie. Welche Rassen sind hiervon besonders betroffen und wie wird diese behandelt?
„Eine Ellenbogendysplasie kommt vor allem bei großen Hunderassen vor, wie unter anderem dem Retriever oder dem Deutschen Schäferhund. Auch sie ist genetisch bedingt. Trotzdem ist es grundsätzlich so, dass jeder Welpe erst mal gesund geboren wird. Die Ellenbogendysplasie kann aber bereits zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat auftreten. Dann wird eine Gelenkspiegelung erforderlich. Lose Knochenteilchen werden entfernt und das Gelenk wird gespült. Trotzdem werden sich Arthrosen entwickeln, da das Gelenk an Stabilität verloren hat. Dadurch entstehen Arthrosen und der Gelenkknorpel wird abgenutzt. Arthrosen gibt es in verschiedenen Ausprägungsgraden und können sehr schmerzhaft sein.“
Wie werden Arthrosen behandelt?
„Bei Gelenkarthrosen ist unter anderem die richtige Physiotherapie sehr wichtig. Zudem spielt die Ernährung eine große Rolle. Die betroffenen Tiere sollten kein Übergewicht haben, zudem sollte man spezielle Futtermischungen, etwa mit Muschelextrakten, einsetzen. Wenn der Hund Schmerzen hat, werden zudem Schmerzmittel eingesetzt.
Generell sollte man bei Hunden mit Gelenkerkrankungen darauf achten, dass sie gleichmäßig laufen. Das Laufen im Wald auf weichem Boden tut ihnen gut, schwimmen ist ebenfalls von Vorteil. Das wilde und lange Spielen mit Artgenossen hingegen ist durch die abrupten Richtungswechsel für die Gelenke solcher Hunde nicht zu empfehlen.“
Lahmt der Hund oder hat er Scherzen, sofort zum Tierarzt
Wann sollte man als Halter mit dem Hund zum Tierarzt gehen?
„Wenn das Tier lahm geht oder Schmerzäußerungen zeigt, sollte man zum Haustierarzt gehen. Besteht die Lahmheit dauerhaft, muss geröntgt werden, um eine korrekte Diagnose zu erhalten. Damit kann über die weitere Vorgehensweise entschieden werden. Bei der Patella-Luxation beispielsweise ist gegebenenfalls keine O.P. erforderlich, wenn die Kniescheibe von selbst wieder ins Gelenk springt und die Lahmheitsphasen nur sehr kurz sind.“
Man sollte den Hund bei Auffälligkeiten also nicht sofort röntgen lassen?
„In der Regel arbeiten die Tierärzte nach einer korrekt durchgeführten klinischen Untersuchung erst mal mit Schmerzmitteln und einer Physiotherapie. Wenn dieses Vorgehen zu keiner Besserung führt, ist eine weitere Diagnostik erforderlich.“
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Es gibt eine Vielzahl von Techniken für die Behandlung einer Gelenkerkrankung beim Hund
Manche Tierärzte sagen, dass das Röntgen bei einer Hüftdysplasie nichts bringe, weil man ohnehin eine Physiotherapie machen muss. Wie sehen Sie das?
„Das sehe ich nicht so. Je nach Schweregrad und Klinik der Hüftdysplasie gibt es inzwischen viele Therapiemöglichkeiten bis hin zum künstlichen Gelenk. Das ist natürlich nur erforderlich, wenn der Hund dauerhaft starke Schmerzen hat. Es gibt eine Vielzahl von Techniken für die Behandlung einer Hüftdysplasie. Aber es muss erst mal das Ausmaß der Erkrankung festgestellt werden. Das ist sehr individuell. So gibt es Hunde, die haben eine hochgradige Hüftgelenksdysplasie und laufen trotzdem sehr lange ohne Lahmheit und schmerzfrei. Bei anderen ist der Befund weniger auffällig und trotzdem haben sie starke Schmerzen.“
Ist es sinnvoll, präventiv eine Gangbildanalyse machen zu lassen?
„Das halte ich für wenig sinnvoll. Wenn man als Tierbesitzer überzeugt ist, dass der Hund auffällig läuft, sollte man dies bei seiner Haustierärztin abklären lassen. Ansonsten halte ich präventive Maßnahmen für nicht geeignet, um dem Tier eine bessere Lebensqualität zu geben.“