
22. März 2025, 16:06 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ein harmloser Satz beim Gassigehen kann für Halter unkastrierter Rüden schnell zum Problem werden: „Meine Hündin ist läufig.“ Was dann folgt, ist oft Stress pur – für Mensch und Tier. Doch es gibt eine Alternative zur Operation, die immer mehr Tierbesitzer nutzen.
Wer als Halter eines unkastrierten Rüden beim Gassigehen diesen Satz von anderen Hundebesitzern hört, bekommt womöglich Schweißausbrüche: „Meine Hündin ist läufig.“ Stress ist dann vorprogrammiert. Denn im Gegensatz zu Katzen werden Hunde nicht in der Regel pauschal kastriert oder sterilisiert. Zudem scheuen viele Besitzer den teuren Eingriff. Ein Hormonchip für Hunde kann hierzu eine Alternative sein. Was es dabei zu beachten gibt, erklären zwei Experten.
Vorübergehende Lösung bei Verhaltensproblemen
Wird beim Spaziergang eine läufige Hündin angekündigt, geraten viele Besitzer eines unkastrierten Rüden in Alarmbereitschaft. Um das aufgeregte Tier unter Kontrolle zu bringen, hilft oft nur: Leine dran und schnell einen anderen Weg einschlagen. Doch auch das bewahrt nicht immer vor Stress. Wer eine dauerhafte Kastration nicht möchte, kann auf eine hormonelle Lösung zurückgreifen. „Dieses Implantat gibt kontinuierlich Wirkstoffe ab und sorgt damit für einen Stopp der Testosteronproduktion“, erklärt Ursula von Einem vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte.
Durch den Eingriff wird der Rüde unfruchtbar und zeigt weniger sexuelles Interesse – ein Effekt, der sich unter anderem an deutlich kleineren Hoden zeigt. Je nach Präparat hält die Wirkung mehrere Monate an.
Kastration testen – ohne Operation
Geeignet ist das Verfahren vor allem für Hunde, bei denen eine chirurgische Kastration nicht infrage kommt – etwa aus gesundheitlichen Gründen oder bei Zuchtrüden. Viele Tierhalter nutzen das Implantat aber auch, um die Auswirkungen einer Kastration zunächst zu testen.
„Manche Rüden leiden sehr, wenn läufige Hündinnen im Umfeld sind. Sie werden in dieser Zeit verhaltensauffällig, nehmen stark ab oder laufen ständig weg“, berichtet von Einem. In solchen Fällen könne die hormonelle Maßnahme spürbare Erleichterung bringen – allerdings nur, wenn das Verhalten tatsächlich durch Sexualtrieb verursacht wird. Bei Problemen, die durch Angst oder mangelnde Erziehung bedingt sind, zeigt sie keine Wirkung.
Unterschiedliche Varianten – und wie lange sie wirken
Axel Wehrend, Fachtierarzt für Reproduktionsmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen, erläutert: „Es gibt zwei verschiedene Implantate auf dem Markt, die sich durch ihren Wirkstoffgehalt und die Wirkdauer unterscheiden.“ Während das kleinere Modell mindestens sechs Monate wirkt, hält das größere in der Regel ein Jahr – mit individuellen Schwankungen.
Lässt die Wirkung nach, vergrößern sich die Hoden wieder. Spätestens dann sollte eine erneute Behandlung erfolgen, um hormonelle Schwankungen zu vermeiden.
Wichtig: Der Folgechip muss gesetzt werden, bevor die Wirkung des alten vollständig nachlässt.
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Jetzt auch für Hündinnen möglich
Seit 2007 ist die Methode in Deutschland für Rüden zugelassen. Neuerdings dürfen Tierärzte das kleinere Implantat auch bei Hündinnen einsetzen. Während die Hormone wirken, werden sie nicht läufig und damit nicht unwiderstehlich attraktiv für Rüden, zudem gibt es keine Blutungen, wie Wehrend erklärt.
Allerdings darf die Therapie nur bei sehr jungen Hündinnen begonnen werden – und zwar vor der Pubertät. „Sie dürfen noch nicht in der Pubertät sein“, betont der Experte. Der erste Chip muss demnach im Alter von zwölf bis sechzehn Wochen gesetzt werden. Danach ist eine regelmäßige Erneuerung möglich. Für bereits geschlechtsreife Hündinnen ist der Chip hingegen tabu, da sonst Erkrankungen der Eierstöcke wie Zysten oder Vereiterungen sowie Dauerläufigkeit drohen.
Nur bei geschlechtsreifen Rüden erlaubt
Anders als bei Hündinnen gibt es für Rüden kein Höchstalter – wohl aber eine Altersuntergrenze. Eingesetzt darf er laut Wehrend nur bei bereits geschlechtsreifen Tieren. Der Grund: Während der Entwicklung wandern die Hoden aus der Bauchhöhle in den Hodensack, wobei sich die Leistenspalten verschließen. Ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen, könnten sich verkleinerte Hoden wieder zurück in die Bauchhöhle bewegen.
Nach dem Setzen des Chips folgt zunächst eine sogenannte Stimulationsphase, in der der Testosteronspiegel vorübergehend ansteigt. Dies äußert sich in gesteigertem Sexualverhalten. Erst danach kommt es zur gewünschten Wirkung. „Wie lange die Stimulationsphase dauert, ist von Tier zu Tier unterschiedlich, spätestens nach sechs Wochen sollte sie vorbei sein“, so Wehrend. „Bei vielen setzt die dämpfende Wirkung nach etwa zwei Wochen ein.“ In seltenen Fällen bleibt die Wirkung ganz aus – dann spricht man von einem „Therapieversager“.

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Wiederholungen im Laufe des Hundelebens möglich
Wie oft ein Hund diesen Hormonchip bekommen darf, ist nicht abschließend geklärt. Von Einem sieht kein Problem in einer langfristigen Anwendung: Die Methode sei auch für die Lebensdauer durchführbar. Wehrend zeigt sich hier zurückhaltender: „Ich selbst kenne eine ganze Reihe von Rüden, die schon ihr viertes Implantat erhalten haben“, sagt er, weist aber auf die bislang begrenzte Datenlage hin.
Zu den wenigen bekannten Nebenwirkungen zählen Veränderungen im Fell – es kann sich wellen, weicher werden oder stärker ausfallen. Außerdem haben kastrierte Hunde einen geringeren Energiebedarf. Wird nicht entsprechend gefüttert, kann Übergewicht die Folge sein.