2. Oktober 2024, 14:15 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Beim Thema Gicht denken die meisten vermutlich an ältere Männer mit Bierbauch und verformten, schmerzenden Fingern. Allerdings ist dies ein stereotypischer Trugschluss, denn auch Frauen können – wenn auch wesentlich seltener als Männer – davon betroffen sein. Und auch im Tierreich kommt diese schmerzhafte Entzündung durchaus vor.
Gicht ist bei Menschen recht weitverbreitet und gehört sogar zu den häufigsten Stoffwechselerkrankungen ohnehin. Aber auch im Tierreich kommt Gicht vor, weiß Veterinärin Dr. Vanessa Herder. „Gicht ist eine Erkrankung, die bei Menschen, Vögeln und Reptilien vorkommt und mit einer Ablagerung von Urat-Kristallen in Gelenkstrukturen einhergeht.“ Doch was genau passiert bei Gicht im Körper und wie kommt sie überhaupt zustande?
Was ist eigentlich Gicht?
Gicht ist eine Form von Arthritis und wird durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken verursacht. Harnsäure ist ein Stoffwechselprodukt, welches normalerweise über den Urin ausgeschieden wird. Allerdings kann es vorkommen, dass der Körper zu viel Harnsäure produziert oder diese nicht richtig ausscheidet. Dabei kann es zu einer Ansammlung von Harnsäurekristallen in den Gelenken kommen. Dies führt wiederum zu Entzündungen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Tritt dies auf, spricht man von Gicht.
Interessanterweise tritt Gicht häufiger bei Männern als bei Frauen auf. Das liegt daran, dass die Ausscheidung der Harnsäure über die Niere durch Östrogen begünstigt wird. Daher sind im Schnitt 9 von 10 Betroffenen männlich.1 Während Gicht bei Männern meist ab dem 40. Lebensjahr auftritt, kommt sie bei Frauen in der Regel erst nach den Wechseljahren vor.2 Risikofaktoren, die Gicht begünstigen können, sind neben Übergewicht unter anderem Medikamente, die den Harnsäurespiegel erhöhen sowie Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte in der Ernährung, Alkoholkonsum oder auch zuckerhaltige Getränke.
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Können Hunde und Katzen auch Gicht bekommen?
Doch können auch Hunde und Katzen Gicht bekommen? Das ist etwas komplizierter, erklärt Dr. Vanessa Herder im Gespräch mit PETBOOK. „Gicht kommt nicht bei Tieren vor, die das Enzym Urikase haben. Es gibt keine überzeugenden Fälle von Gicht bei Hunden und Katzen. Wenige Fallberichte beschreiben eine Gicht-ähnliche Erkrankung, hierbei handelt es sich allerdings um Einzelfälle, die einer weiteren Abklärung bedürfen.“
Auch der Dalmatiner, der hohe Harnsäure-Werte habe, entwickele keine Gicht, sagt Dr. Herder. Allerdings könne bei älteren Hunden gelegentlich eine Gelenkerkrankung vorkommen, die der Gicht sehr ähnele. Allerdings handele es sich bei dieser Pseudo-Gicht – auch Pseudogout genannt – um eine mit Kalzium-Kristallen assoziierte Gelenkerkrankung und diese sei recht selten, weiß die Expertin.
Wird Gicht einfach nur oft übersehen?
„Bei der Pseudogout werden Kalzium-Kristalle in und um die Gelenke herum abgelagert. Sie stellen sich oft als einzelne Massen in Gelenknähe dar und können sich über Monate oder Jahre entwickeln“. Diese Massen trete meist im Zusammenhang mit Entzündungen auf, so Dr. Vanessa Herder. „Eine schwerwiegende Form tritt bei der Deutschen Dogge auf, bei der mehrere Gelenke betroffen sein können. Es wird von einem Gendefekt ausgegangen.“
Doch wie auch Dr. Herder sagt: Die Forschungslage zu Gicht oder Pseudogout bei Hunden und Katzen ist noch recht dünn. Da es sich hier um eine Form von Arthritis handelt, kann es durchaus sein, dass sie oft auch übersehen wird. So gibt es Hinweise darauf, dass es wohl doch Gicht bei Hunden und Katzen geben könnte. Laut einer Studie der Hochschule für Veterinärmedizin in Seoul aus dem Jahr 2022, bei der vier Hunde und eine Katze untersucht wurden, soll angeblich Gelenkgicht bei den Tieren festgestellt worden sein. Laut diesem Bericht wurde bei allen teilnehmenden Tieren vorab Lahmheit als Hauptbeschwerde festgestellt.
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Eine Studie kommt zu überraschenden Ergebnis
Auffallend war, dass alle in diesem Fallbericht beschriebenen Hunde eine purinreiche – also sehr fleischreiche – Ernährung hatten, während ein Hund – nennen wir ihn „Hund Nummer 2“ – auch ohne kommerzielle Ernährung, eine hohe Fruktosezufuhr hatte. Im Gegensatz zum Menschen waren alle Tiere in diesem Fallbericht weiblich. Allerdings waren drei der Hunde sowie die Katze kastriert, weshalb ihnen Eierstöcke, Eileiter sowie Gebärmutter fehlten und sie somit hormontechnisch einen Zustand wie nach der Menopause hatten.
Bei Hund 2 wird vermutet, dass dieser durch die langfristige Einnahme von einem entwässernden Medikament die gichtähnlichen Symptome zeigte. Ähnlich wie bei den anderen zuvor erwähnten Risikofaktoren waren viele Tiere übergewichtig und bis auf zwei waren alle Tiere 6 Jahre und älter. Das zeige laut den Autoren dieser Studie, dass die untersuchten Tiere ähnliche Risikofaktoren wie Menschen haben, wenn es um Gicht geht. Dabei seien auch die zeitlich variierende Symptome ähnlich wie bei der menschlichen Gicht.3
„Dies ist der erste Bericht, der bestätigt, dass artikuläre Gicht bei Hunden und Katzen auftreten kann“, schreiben die Forschenden in ihrem Bericht. „Gicht sollte auch in die Differenzialdiagnose der Arthritis einbezogen werden, und es sind weitere Untersuchungen bei diesen Tieren erforderlich.“