24. November 2024, 7:42 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Hunde verstehen es, uns gezielt zu beeinflussen. Aber wie weit reicht ihre Manipulationsfähigkeit? Können die Veribeiner auch Krankheiten vortäsuchen? Und wenn ja, aus welchem Grund? PETBOOK-Redakteurin und Verhaltensbiologin Saskia Schneider ist der Frage einmal nachgegangen.
„Mami, ich kann heute nicht zur Schule – ich habe Bauchschmerzen“ Mal ganz ehrlich, wer von uns hat nicht als Kind schon mal Krankheiten vorgetäuscht, um nicht in die Schule zu müssen. Aber haben auch Hunde diese Fähigkeit? Immerhin sind unsere Vierbeiner intelligente Haustiere. Sie können uns Menschen nicht nur lesen und verstehen, sondern auch manipulieren. Aber können Hunde bewusst Krankheiten vortäuschen? Und wenn ja, tun sie dies auch aus demselben Grund wie wir Menschen – etwa, um nicht in die (Hunde-) Schule zu müssen?
Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn die Studienlage hierzu ist relativ dünn. Was sich aber mit Sicherheit sagen lässt: Hunde sind Meister darin, herauszubekommen, welches Verhalten ihnen Vorteile verschafft – und hierin liegt auch der Schlüssel zur Antwort.
Übersicht
Wie Hunde uns Manipulieren
Wir Menschen bilden uns ja oft ein, unsere Hunde unter Kontrolle zu haben. Dabei manipulieren uns die Vierbeiner im Alltag viel öfter als uns bewusst ist. Das Mittel der Wahl ist dabei meist: der Hundeblick! Mit ihm bringen die Tiere so manches Menschenherz zum Schmelzen und bewegen uns dazu, doch noch mal einen Happen vom Essen abzugeben.
Beim Hundeblick werden typischerweise die Brauen nach oben gezogen, was Hunden ein welpenhaftes und trauriges Aussehen verleiht, das uns Menschen emotional berührt. Das klappt so gut, dass Tiere, die das Brauenhochziehen besonders gut beherrschen, sogar schneller wieder aus dem Tierheim kommen, wie englische Wissenschaftler in einer Studie herausfanden, deren Ergebnisse im Fachmagazin „Plos One“ veröffentlicht wurden.
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Hunde sind in der Lage, uns bewusst zu täuschen
Doch Hunde manipulieren uns nicht nur mit Blicken. Um das, was sie haben wollen, zu bekommen, sind die Tiere sogar in der Lage, uns bewusst zu täuschen. Das fanden Schweizer Wissenschaftler 2017 in einer Studie heraus, die in der Fachzeitschrift „Animal Cognition“ veröffentlicht wurde.
Auf die Idee dazu kam Studienleiterin und Biologin Marianne T. E. Heberlein, bei der Beobachtung ihrer eigenen Hunde. Diese ließ sie beim Training für die Stubenreinheit nachts immer hinaus in den Garten und belohnte sie mit einem Leckerli, sobald sie ihr Geschäft verrichtet hatten. Eines Tages bemerkte sie jedoch, dass einer der Hunde nur so tat, als würde er pinkeln, um an das Leckerli zu kommen. 1
Auch die Untersuchungen von ihr und ihrem Team bestätigten die Annahme: Hunde besitzen die Fähigkeit, Strategien wie taktische Täuschungen zu nutzen, um für sie einen Vorteil zu erzielen.
Täuschen Hunde auch Krankheiten vor?
Das Vortäuschen von Krankheiten in dem Sinne, wie wir Menschen es verstehen, ist ein extrem komplexes Verhalten – auch für Hunde. Oft tun wir so, als seien wir krank, um etwas zu entgehen. Etwa der Arbeit oder der Schule. In dieser Situation finden sich Hunde eher selten wieder und es würde zudem voraussetzen, dass sie eine Vorstellung davon haben, zu welcher Uhrzeit oder an welchem Tag Dinge stattfinden, vor denen sie sich gerne drücken würden wie zum Beispiel einen Besuch beim Tierarzt.
Meist wissen Hunde aber erst kurz vor Betreten der Praxis, dass es zum Veterinär geht. Selbst, wenn die Vierbeiner Anzeichen für einen Tierarztbesuch schon früher deuten können, reagieren sie dann eher mit Meideverhalten: Sie verstecken sich oder möchten nicht mitgehen. Die wenigsten Hunde kämen hier auf die Idee, eine Krankheit vorzutäuschen, zumal dies ein sehr komplexes Verhalten wäre: hinlegen, sich schlapp und unmotiviert geben, jammern und vieles mehr.
Verhalten für Aufmerksamkeit
Manchmal tun auch wir Menschen aber auch so, als seien wir krank, um etwas zu bekommen – Aufmerksamkeit oder Hilfe etwa. Ähnliches lässt sich tatsächlich auch bei Hunden beobachten. So humpelte der Hund unseres Redakteurs Dennis Agyemang nach einer Verletzung auch weiter, als diese schon längst verheilt war. Er hatte gelernt: Wenn ich humpele, bekomme ich von meinen Besitzern viel Aufmerksamkeit.
Ob der Hund dabei auch die kognitive Verknüpfung machte, dass das Humpeln eine Verletzung implizieren würde und sich Herrchen deswegen mehr um ihn kümmert, ist nicht auszuschließen, aber fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass der Vierbeiner einfach gelernt hat: Wenn ich mich so bewege, erhalte ich Aufmerksamkeit. Ähnliche Fälle werden auch von vielen anderen Hundehaltern berichtet. 2
Hunde können Verhalten spiegeln
Ein etwas seltenerer Fall ist, wenn Hunde Verhaltensweisen zeigen, die wir mit Krankheiten oder Verletzungen assoziieren, weil sie uns Menschen imitieren. Als gute Beobachter und sozial an Menschen orientierte Tiere, sind Hunde in der Lage, das Verhalten ihrer Besitzer zu spiegeln.
Trainer wissen das schon lange und machen sich dieses Verhalten beim Einstudieren von Tricks („Do as I do“) zunutze. Tatsächlich wurde die Fähigkeit 2006 aber auch von englischen Wissenschaftlern in einer Studie untersucht und bestätigt.
Meist muss das Spiegeln des Verhaltens kleinschrittig trainiert werden. Doch manche Hunde zeigen es auch von selbst. So kann es vorkommen, dass, wenn der Besitzer humpelt oder sich ständig kratzt, der Hund beginnt, dies auch zu tun. Ähnliche Beobachtungen gibt es übrigens auch für Katzen. Hierbei handelt es sich allerdings um ein Nachahmen und nicht um eine Täuschung.
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Fazit: Manipulation ja, Täuschung nur bedingt
Hunde können uns manipulieren, sind durchaus in der Lage etwas vorzutäuschen, um daraus einen Vorteil zu ziehen. Bisher gibt es jedoch kaum Untersuchungen, ob Hunde dabei auch Verhalten zeigen, dass Symptome von Krankheiten oder Verletzungen vortäuschen soll.
Zwar sind die Vierbeiner durchaus in der Lage, Verhaltensweisen wie Humpeln oder sich Kratzen zu zeigen, obwohl es dafür keine körperliche Ursache gibt. Allerdings wahrscheinlich nicht, weil sie im Kopf haben: „Mein Herrchen denkt, ich bin verletzt oder krank“ sondern vielmehr aus der Erfahrung heraus: Wenn ich mich so bewege, bekomme ich Aufmerksamkeit. Daher kann nicht gesagt werden, inwieweit die Tiere vortäuschen, krank zu sein, wie wir es tun.
Wenn der Hund schlapp im Korb liegt oder andere Anzeichen einer Krankheit zeigt, sollte man das also immer ernst nehmen und im Zweifel zum Tierarzt gehen. Selbst, wenn dies kurz vor dem verhassten Bürsten oder Krallenschneiden passieren sollte.