
12. Februar 2025, 17:25 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Stress kann auf Dauer krank machen. Das gilt für Menschen, aber auch für Tiere. So wird schon lange über den Zusammenhang zwischen Stress und Krebs diskutiert und geforscht. Doch was ist dran an dieser Vermutung und was bedeutet das konkret für die Gesundheit von Hunden?
Krebs gilt als eine der häufigsten Todesursachen bei Hunden – aber bekommen sie ihn durch Stress? Fast 50 Prozent aller Vierbeiner, die älter als zehn Jahre sind, erkranken an Krebs.1 „Tatsache ist, dass immer mehr Hunde vorzeitig eingeschläfert werden, weil sie an Krebs leiden. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe“, erklärt Hundepsychologe Marc Ebersbach im Gespräch mit PETBOOK. Zum einen würden Hunde wie Menschen immer älter, was dazu führe, dass das Krebsrisiko mit zunehmendem Alter steige.2
„Zudem ist zu beobachten, dass Hunde heute einer immer höheren Stressbelastung ausgesetzt sind, was zum Beispiel zu einer Erhöhung des Cortisols in ihrem Blut führt“, erklärt der Hundeexperte. Aber warum sind Hunde denn so im Stress?
„Viele Halter versuchen ihren Hunden mit teils brachialen Methoden das beizubringen, was man von ihnen erwartet“
„Die Gründe für die zunehmende Stressbelastung unserer Hunde sind vielfältig.“ So seien Hunde früher eher in ländlichen Regionen gehalten worden und hätten allgemein entspannter den Menschen begleiten können. Doch das habe sich extrem verändert, führt Marc Ebersbach aus.
„Heute leben Hunde überwiegend auch in Großstädten, werden als Sozialpartner betrachtet, an die hohe Anforderungen gestellt werden“, fasst der Hundepsychologe zusammen. „Da nicht jeder Hund von Natur aus dieser Rolle gerecht wird, versuchen viele Halter mit zum Teil brachialen Methoden den Hunden das beizubringen, was man von ihnen erwartet.“
Dabei beobachte der Hundeprofi teils verstörende Szenen, verrät Ebersbach. „Wenn ich durch die Straßen gehe und sehe, wie manche Hunde von ihren Menschen korrigiert werden und was das bei ihnen an situativer Furcht auslöst, da könnte ich verrückt werden.“
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Die Sache mit den Stresshormonen
Stress sei nicht nur ein emotionales Gefühl für Hunde, sondern eine körperliche und psychische Reaktion auf belastende oder herausfordernde Situationen, erklärt der Experte. Es handelt sich um einen natürlichen Mechanismus des Körpers, der auf mögliche Bedrohungen oder hohe Anforderungen reagiert, um das Überleben zu sichern. Deshalb schüttet der Körper in solchen Situationen Stresshormone aus.
Das dabei entstehende Stresshormon Cortisol ist dafür bekannt, dass es sich im Körper schneller aufbaut als es wieder abgebaut wird. Der schnelle Anstieg in Stresssituationen und der langsamere Abbau danach könnten dazu führen, dass Hunde bei chronischem Stress einen dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel aufweisen. Dies wiederum kann negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Unter anderem eine Schwächung des Immunsystems und ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Krebs – so die Theorie.
Ist Stress auf Dauer krebserregend?
Doch was sagt die Wissenschaft dazu? Die Tierärztin und Wissenschaftlerin Dr. Vanessa Herder erklärt im PETBOOK-Interview, dass diese Frage nicht so einfach zu beantworten ist. Seit Jahrzehnten werde ein Zusammenhang zwischen Stress und Tumorerkrankungen immer wieder diskutiert. Doch „die wissenschaftliche Datenlage bei Hunden und Menschen ist in dieser Frage nicht schlüssig. In verschiedenen Nagetiermodellen konnte die Forschung zeigen, dass Stress das Fortschreiten der Krebserkrankung beschleunigt“.
Zwar konzentriere sich der Großteil der Forschung auf den Menschen. Dennoch gebe es Studien, die zeigten, „dass die Vermeidung von Stress im Sinne einer Senkung erhöhter Entzündungsparameter und Cortisolwerte, z.B. durch die Gabe von Medikamenten, bei Krebspatienten – Menschen und Versuchstieren – Leben retten kann“.
„Stress ist nicht immer negativ“
Bei wissenschaftlichen Studien stehe der Mensch im Mittelpunkt, erklärt Dr. Herder. „Oft ist es aufgrund der Unterschiedlichkeit der untersuchten Patienten nicht möglich, zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen. An Nagetieren konnte unter standardisierten Bedingungen gezeigt werden, dass Stress das Wachstum von Krebs und Metastasen verursachen kann.“
Diese Studien zeigten, dass hormonelle, zelluläre und molekulare Mechanismen eine entscheidende Rolle spielen, ordnet Herder ein. Stress sei aber auch relativ, räumt die Veterinärmedizinerin ein. „Stress ist nicht immer negativ. Über einen kurzen Zeitraum hilft er dem Körper, sich anzupassen.“
Wenn aber Intensität, Dauer und Art des Stressauslösers zu stark werden, kann es zu einer toxischen Wirkung kommen. Diese könne dann das Krankheitsrisiko erhöhen. „Die schädlichen Auswirkungen von Intensität und Dauer sind bei jedem Tier und jedem Menschen sehr individuell. Was für den einen extrem stressig ist, kann für den anderen völlig stressfrei sein“.

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Psychosomatischer Stress nicht der einzige Faktor für Krebserkrankungen
Allerdings müsse man auch sagen, dass die wissenschaftliche Daten- und Studienlage zu diesem Thema noch sehr gering sei, ordnet Dr. Vanessa Herder ein. Zwar seien Hund und Mensch beide Säugetiere und in vielen biologischen Prozessen bei Entzündungen und Stress sehr ähnlich, aber eben nicht identisch. Daher sollte von einem direkten Rückschluss vom Menschen auf den Hund abgesehen werden. Da psychosomatischer Stress nicht der einzige Faktor für Krebserkrankungen sei, handele es sich hier um ein sehr komplexes Gebiet.
„Man muss bedenken, dass auch Ernährung, Virusinfektionen, Umweltfaktoren, genetische Voraussetzungen und vieles mehr einen Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf von Krebserkrankungen haben.“
Grundsätzlich könne man aber eines sagen, erklärt Dr. Herder. „Beim Menschen hat sich gezeigt, dass ein gutes Stressmanagement bei Krebspatienten einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat. Möglicherweise gilt das auch für Hunde. Allerdings sind hier noch viele Fragen offen, welche die Forschung noch klären muss, so Vanessa Herder abschließend.