15. Januar 2025, 6:53 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ein Beißvorfall mit einem Hund kann für alle Beteiligten ein zutiefst schockierendes und emotional belastendes Erlebnis sein. PETBOOK-Autorin und Hundetrainerin Katharina Marioth gibt wichtige Tipps zur Ersten Hilfe.
Wenn der Hund plötzlich gebissen hat, ist das für Mensch und Tier oft ein einschneidendes Erlebnis. Meist passiert es bei einer Situation, die harmlos erschien und die plötzlich eskaliert. In solchen Momenten ist es von größter Bedeutung, die Ruhe zu bewahren, klar zu handeln und die richtigen Schritte einzuleiten. So können Verletzungen minimiert und den Betroffenen – sei es Mensch oder Tier – schnellstmöglich geholfen werden. Ebenso essenziell ist die anschließende Arbeit an der emotionalen Verarbeitung des Beißvorfalls, um bleibende Traumata zu verhindern.
Situation sichern
Hat der Hunde gebissen, steht zunächst die Sicherheit aller Beteiligten im Vordergrund. Die Situation muss unter Kontrolle gebracht werden, um weiteren Schaden zu verhindern. Es ist entscheidend, die Hunde voneinander zu trennen. Dabei sollten Sie Hilfsmittel wie eine Decke, eine Jacke oder einen Stock verwenden, um die Tiere voneinander abzuhalten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Niemals sollten Sie versuchen, mit bloßen Händen zwischen die Hunde zu greifen, da das Verletzungsrisiko hierbei hoch ist. Danach müssen beide Hunde angeleint oder separiert werden, um die Situation unter Kontrolle zu behalten. Gleichzeitig können Sie in Erwägung ziehen, einen provisorischen Maulkorb zu basteln, etwa aus einem Schal oder einer Leine, um den sicheren Transport eines aggressiven oder gestressten Hundes zu ermöglichen.
Verletzungen bei Mensch und Hund versorgen
Die unmittelbare Versorgung von Verletzungen ist essenziell, um Infektionen oder Komplikationen vorzubeugen. Wenn ein Mensch gebissen wurde, sollten die Wunden unverzüglich mit klarem Wasser gespült werden, um Schmutz zu entfernen. Die Verwendung eines Desinfektionsmittels ist unerlässlich, bevor die Verletzung mit einem sterilen Verband abgedeckt wird. Ein Arztbesuch sollte in jedem Fall erfolgen, da Hundebisse bekanntermaßen ein erhöhtes Risiko für Infektionen bergen.
Bei Hunden ist die Untersuchung der Wunde ebenso wichtig. Besonders bei starker Blutung ist ein Druckverband erforderlich, um den Blutfluss zu stoppen. Leichte Verletzungen kann man reinigen und desinfizieren, aber tiefe oder größere Wunden erfordern unbedingt die Aufmerksamkeit eines Tierarztes. Falls Sie unsicher sind, wie man eine Verletzung richtig versorgt, empfiehlt es sich, im Voraus einen Erste-Hilfe-Kurs für Hunde zu besuchen, um in einer solchen Situation vorbereitet zu sein.
Informationsaustausch und Dokumentation
Ein weiteres wichtiges Element ist der Austausch von Kontaktdaten zwischen den beteiligten Hundehaltern. Stellen Sie sicher, dass Sie nicht nur die Namen und Telefonnummern, sondern auch die Haftpflichtversicherungsdaten notieren. Eine sachliche und umfangreiche Dokumentation des Vorfalls ist ebenfalls von großem Nutzen. Machen Sie Fotos von den Verletzungen, der Umgebung und, falls möglich, von den Hunden. Solche Aufzeichnungen können später bei der Klärung von Versicherungsansprüchen oder rechtlichen Fragen hilfreich sein.
Der nächste Schritt ist die Benachrichtigung Ihrer Hundehaftpflichtversicherung. Informieren Sie die Versicherung umgehend, um die Schadensregulierung so reibungslos wie möglich zu gestalten. Hilfreich ist es, die Versicherungsnummer sowie die Kontaktdaten stets griffbereit, beispielsweise auf Ihrem Handy, zu haben. Sollte der Beißvorfall schwerwiegender Natur sein, kann es erforderlich sein, den Vorfall bei den zuständigen Behörden wie dem Ordnungsamt oder der Polizei zu melden. Das gilt insbesondere, wenn erhebliche Verletzungen entstanden sind. Eventuell sollten Sie von Beginn an auch einen Rechtsanwalt beauftragen.
Immer einen Tierarzt aufsuchen
Ein Tierarztbesuch ist unverzichtbar, auch wenn keine offensichtlichen Verletzungen nach einem Beißvorfall beim Hund erkennbar sind. Oftmals werden Bisswunden durch das dichte Fell verdeckt oder erscheinen zunächst harmlos, bergen jedoch ein hohes Infektionsrisiko. Idealerweise konsultieren Sie einen Tierarzt, der auch in der Verhaltensmedizin ausgebildet ist, da dieser zusätzlich medikamentöse Unterstützung zur Traumabewältigung bieten kann. Besonders bei Tieren, die nach dem Vorfall stark verängstigt sind oder aggressiv reagieren, kann eine solche Behandlung sinnvoll sein.
Hund Ruhe und Sicherheit geben
Die psychischen Folgen eines Beißvorfalls sollten nicht unterschätzt werden. Sowohl Hunde als auch ihre Halter können durch das Ereignis erheblich traumatisiert sein. Für den betroffenen Hund ist es entscheidend, dass man ihm Zeit und Ruhe gibt, um sich zu erholen. Halten Sie die Umgebung so ruhig wie möglich und vermeiden Sie stressige Situationen. Die Sicherheit, die der Hund jetzt spürt, wird ausschlaggebend für seine weitere Entwicklung sein.
Zudem ist es ratsam, einen Hundetrainer oder Verhaltensberater hinzuzuziehen, der Erfahrung mit traumatisierten Hunden hat. Gemeinsam können Sie schrittweise daran arbeiten, das Vertrauen und die Sicherheit des Hundes wieder aufzubauen. Dies könnte beinhalten, den Hund langsam und unter kontrollierten Bedingungen wieder an Begegnungen mit anderen Hunden heranzuführen.
Hilfe suchen, um Traumata zu verhindern
Auch für die betroffenen Halter ist es wichtig, die psychischen Auswirkungen ernst zu nehmen. Ein solcher Beißvorfall hinterlässt oft Unsicherheit und Angst, die den weiteren Umgang mit dem Hund beeinflussen können. Sprechen Sie mit anderen Hundehaltern, Freunden oder der Familie über das Erlebte, und scheuen Sie sich nicht, bei Bedarf professionelle Unterstützung durch einen Psychologen oder Therapeuten in Anspruch zu nehmen.
Das Erkennen und Verstehen von Hundeverhalten ist ebenfalls ein zentraler Punkt, der helfen kann, ähnliche Vorfälle in der Zukunft zu vermeiden. Eine intensivere Beschäftigung mit der Körpersprache von Hunden und die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Trainer können hierbei sehr hilfreich sein.
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Trauma verarbeiten und eine stärkere Bindung zum Hund aufbauen
Präventive Maßnahmen sind der Schlüssel, um Beißvorfälle zu vermeiden. Es beginnt damit, die Körpersprache Ihres Hundes genau zu beobachten und seine Bedürfnisse zu respektieren. Vermeiden Sie Situationen, die Ihren Hund überfordern oder unsicher machen, und sorgen Sie dafür, dass er gut sozialisiert ist. Grundlegende Kommandos wie ein sicherer Rückruf und ein verlässliches Abbruchsignal sollten regelmäßig geübt werden. Maulkorbtraining kann ebenfalls hilfreich sein, um die Sicherheit in herausfordernden Situationen zu gewährleisten.
Am Ende ist die Verarbeitung eines Beißvorfalls mit Hund ein Prozess, der Geduld und Hingabe erfordert. Mit der richtigen Unterstützung und einer durchdachten Herangehensweise können sowohl der Hund als auch der Halter lernen, das Erlebte zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen. Es ist nicht nur möglich, aus einem solchen Ereignis zu lernen, sondern auch, eine noch stärkere Bindung zu Ihrem Hund aufzubauen und eine harmonischere Zukunft zu schaffen.
Mein persönlicher Tipp: Wenn Sie Opfer eines Beißvorfalls wurden oder Ihr Hund gebissen hat: Buchen Sie sich schnellstmöglich Hilfe – das seelische Trauma, was folgt, ist groß. Ich biete seit einiger Zeit mit einem psychologischen Coach gemeinsam Stunden zu diesem Thema an – denn was folgen kann, sind: Angstzustände, erhöhter Stress, Panikattacken bis hin zu PTBS. Unterschätzen Sie dieses Thema auf keinen Fall. Ihr Hund kann nur heilen, wenn Sie sich auch heilen.
Zur Autorin: Katharina Marioth ist IHK und behördlich zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensgutachterin für gefährliche Hunde des Landes Berlin. In ihrem Berufsalltag arbeitet sie eng mit Veterinären, Wissenschaftlern und anderen Spezialisten zum Thema Hund zusammen.