
26. März 2025, 16:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Niedersachsen ist eines der wenigen Bundesländer, das keine sogenannten „Listenhunde“ definiert hat. Doch zukünftig will die Stadt Göttingen fünf Rassen als „gefährlich“ einstufen lassen und die Hundesteuer für diese auf 744 Euro pro Jahr erhöhen. Seit Anfang März regen sich dagegen Proteste. Jetzt schaltete sich auch Hundetrainer und TV-Moderator Jochen Bendel ein – mit einer klaren Ansage an die Oberbürgermeisterin Göttingens.
„Liebe Oberbürgermeisterin, Sie müssen es doch besser wissen – wollen Sie wirklich einen Keil zwischen Ihren Bürgerinnen und Bürger treiben, diskriminieren, aus ungefährlichen Familienhunden plötzlich gefährliche Monster machen – wegen 30.000 Euro?“ So lauten die Vorwürfe von Jochen Bendel an Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt. Am 20. März hatte der Rat der Stadt Göttingen einstimmig die Entscheidung getroffen, neben der Erhöhung der Hundesteuer ab Juli erstmals bestimmte Rassen als „gefährlich“ einzustufen. Für diese würden dann in Zukunft 744 Euro statt 132 Euro Hundesteuer im Jahr anfallen. 1
In Niedersachsen gibt es eigentlich keine Rasseliste
Neben Schleswig-Holstein, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ist Niedersachsen eines der Bundesländer, die Rasselisten für bestimmte Hundearten ablehnen oder wieder abgeschafft haben. In diesen Bundesländern werden Hunde also unabhängig von ihrer Rasse als „gefährlich“ eingestuft – also nur dann, wenn wirklich schon einmal etwas passiert ist. Allerdings gibt es im Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz gelistete Hunderassen, die in Niedersachsen nicht eingeführt werden dürfen.
An den dort gelisteten Rassen orientiert sich auch die Bestimmung der als zukünftig „gefährlich“ geltenden Hunde in Göttingen. Das teilte Dominik Kimyon, Pressesprecher der Stadt Göttingen mit. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg habe die höhere Besteuerung durch den kommunalen Steuersatzungsgeber in einer anderen Kommune für sachlich gerechtfertigt und als mit dem Gleichheitssatz vereinbar erachtet. 2
Demnach gelten in Göttingen ab dem 1. Juli die fünf folgenden Rassen als „gefährlich“:
- Pitbull-Terrier
- American-Staffordshire-Terrier
- Staffordshire-Bullterrier
- Bullterrier
- Kreuzungen der oben genannten Rassen
Geht es hier ums Geld?
Bei aktuell 60 gemeldeten Hunden dieser Rassen würden die Einnahmen der Stadt Göttingen allein für diese Tiere aus der Hundesteuer rund 45.000 Euro im Jahr betragen – das wären 30.000 Euro Mehreinnahmen im Vergleich zur aktuellen Besteuerung. Doch darum ginge es nicht, wie Pressesprecher Dominik Kimyon erklärt: „Durch die erhöhte Besteuerung soll die Haltung gefährlicher Hunde eingedämmt werden, was im Wesentlichen auch der öffentlichen Sicherheit dient“. Mit der höheren Besteuerung soll von vornherein Einfluss auf die Anzahl solcher Hunde in Göttingen genommen werden.
„Fast 750 Euro Hundesteuer können sich viele nicht leisten“
Doch durch solch eine Einstufung würden Besitzer vorverurteilt und diskriminiert, wie Jochen Bendel in seinem Post auf Instagram kritisiert. Nicht umsonst hätte Niedersachsen bereits vor über zehn Jahren Listenhunde abgeschafft. „Das war revolutionär“, wie Bendel betont.
Denn der Fokus sollte auf den Haltern liegen und nicht auf den Hunden. Nicht eine bestimmte Rasse, sondern der Mensch, die Umgebung und die Sozialisierung machen aus einem Hund einen gefährlichen Hund, so Bendel.
Fast 750 Euro Hundesteuer könnten sich viele zudem nicht leisten, kritisiert der TV-Moderator. „Ist es das wirklich wert, dass Leute nicht mehr wissen, wie sie die Versicherung, die Tierarztkosten, die Hundesteuer, die erhöhten Kosten für diesen Hund weiterbezahlen sollen?“
„Unsinnige Abzockemethoden“
Auch die Mitarbeiter des Tierschutzvereins Werretal befürchten, dass durch die erhöhte Hundesteuer in Göttingen die Verwahrlosung und illegale Haltung bei den betroffenen Rassen zunehmen könnten. Daher rief der Tierschutzverein am 19. März auf seinem Facebook-Kanal zur Mahnwache gegen die Stigmatisierung bestimmter Hunderassen in Göttingen auf.
Die finanzielle Belastung könnte zudem zu einer erhöhten Abgabe der Tiere führen. Sollten durch die höheren Steuern mehr Hunde, die dann als „gefährlich“ gelten, im Tierheim abgegeben werden, so rechnet die Initiative mit jährlich mit 5700 Euro Ausgaben für die Stadt für die Versorgung des Hundes inklusive Verhaltenstraining. 2
„Das ist eine Milchmädchenrechnung“, sagt Bendel. Tierheime und Vereine sind bereits überfüllt und befinden sich finanziell wie personell an ihren Grenzen. „Möchten Sie wirklich, dass der Tierschutz in Ihrem Regierungsbezirk weiterhin ans Limit getrieben wird durch solche unsinnigen Abzockemethoden?“, wendet sich der Hundetrainer direkt an Oberbürgermeisterin Petra Broistedt.
Was sagt die Oberbürgermeisterin zu den Vorwürfen?
PETBOOK fragte Petra Broistedt zu den Vorwürfen des TV-Moderators um ein Statement an. Im Auftrag der Oberbürgermeisterin antwortete Pressesprecher Dominik Kimyon, dass viele andere Städte im Hinblick auf die Hundesteuer teils schon seit vielen Jahren ähnlich vorgingen wie die Stadt Göttingen, etwa Hannover, Braunschweig und Osnabrück. Treibender Aspekt sei die Sicherheit, die dadurch erhöht werden soll.
Auf die konkreten Ansagen von Jochen Bendel ging Kimyon nicht weiter ein, teilte aber mit, dass sich der Tierschutzverein Werratal e. V. ein Gespräch mit der Stadtverwaltung wünscht. „Dazu werden wir einladen.“
Bleibt also abzuwarten, wie die Gespräche verlaufen. Für Jochen Bendel ist klar: „Wir lassen uns das nicht bieten!“ In seinem Post ruft er abschließend alle Tierschützer dazu auf, eine Online-Petition zu unterschreiben. Diese wurde bereits am 2. März von Natalie Schneemann ins Leben gerufen, die selbst Halterin eines Staffordshire-Bullterriers ist, wie man ihrem Facebook-Profil entnehmen kann. Eine Initiative des Tierschutzvereins Werretal unterstützt die Petition.

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Jochen Bendel kippte schon einmal erfolgreich Hundesteuer
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Bendel gegen eine Erhöhung der Hundesteuer für „Listehunde“ einsetzt. Anfang Januar 2024 erhöhte die Stadt die Hundesteuer für „gefährliche Hunde“ auf 960 Euro pro Jahr. Auch der Hundetrainer selbst war als Anwohner der niedersächsischen Kreisstadt betroffen und startete kurzerhand eine Petition gegen die „diskriminierende“ Erhöhung der Listenhundesteuer (PETBOOK berichtete).
Nur kurze Zeit später machte die Stadt einen Rückzieher. Damals verriet der Moderator PETBOOK schon vorab, dass es zu vielversprechenden Gesprächen mit lokalen Politikern kam: „Ich bekam relativ schnell vom Bürgermeister und der Stadtregierung die Möglichkeit, zusammen mit dem Tierschutzverein hier vor Ort unsere Petition und unser Anliegen vorzustellen.“ Mit Erfolg: Am 25. Januar beschloss der Rat der Stadt Cuxhaven, die erhöhte Steuer für bestimmte Hunderassen aus der Steuersatzung der Stadt wieder zu entfernen – und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2024, wie die niedersächsische Tageszeitung „Kreiszeitung“ berichtete.