15. Juli 2024, 7:11 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Kinder lieben es, mit dem Hund spazieren zu gehen. Aber ist das überhaupt erlaubt?PETBOOK erklärt, ab welchem Alter Kinder alleine mit Hunden spazieren dürfen und wer haftet, wenn etwas passiert.
Welche Hundehalter kennen das nicht? Immer mal fragen Kinder, eigene oder die der Nachbarn, ob sie nicht auch mal mit dem Hund Gassi gehen dürfen. Nur ungern möchte man den Wunsch abschlagen, zudem es auch ganz praktisch sein kann, wenn einem die Runde um die Häuser mitunter abgenommen wird. Doch ist das überhaupt erlaubt, Kinder mit einem Hund alleine Spazierengehen zu lassen? Wie alt muss der Nachwuchs für die Gassirunde mindestens sein und wer haftet eigentlich, wenn unterwegs etwas passiert? PETBOOK klärt auf.
Eine einheitliche Vorschrift gibt es nicht
Von Regeln, ab welchem Alter jemand strafmündig ist, Auto fahren oder wählen gehen darf, haben die meisten Menschen schon gehört. Eine deutschlandweit einheitliche Vorschrift, ab wann es einem Kind erlaubt ist, alleine mit einem Hund unterwegs zu sein, gibt es jedoch nicht.
Zwar regeln die meisten Bundesländer per landesgesetzlicher Verordnungen zahlreiche Fragen zu Tierhaltung und Umgang mit den Vierbeinern. Meist ist dort nachzulesen, welche Tiere zu den sogenannten Listenhunden gehören, unter welchen Voraussetzungen Hunde als gefährlich gelten und wie diese gesondert aufgeführten Tiere zu halten sind. Auch finden sich dort Regelungen, wer mit einem als Listenhund oder gefährlich eingestuften Tier unterwegs sein darf. Das sind meist nur volljährige Personen.
Kinder unter 14 Jahren gelten in Bayern als ungeeignet zum Führen großer Hunde
In Brandenburg etwa dürfen Fremde, die zwar erwachsen sind, aber nicht als Halter des Listenhundes eingetragen sind, gar nicht mit dem Tier in der Öffentlichkeit spazieren gehen. Ein konkretes Mindestalter jedoch, ab dem ein Kind mit einem Hund, der nicht zu den Listenhunden gehört, Gassi gehen darf, wird in den meisten Hundegesetzen nicht genannt. 1
In Bayern heißt es zwar, dass „Kinder unter 14 Jahren in der Regel als ungeeignet zum Führen großer Hunde anzusehen“ seien. Daher könne „unter Umständen eine Beanstandung in Form einer Verwarnung durch die Polizei erfolgen“. In anderen Bundesländern oder Regionen, darunter Hamburg und Schleswig-Holstein, fehlen solche eindeutigen Hinweise jedoch. Dennoch gibt es Voraussetzungen für Personen, die einen Hund ausführen wollen. Und auch sie lassen nur wenig Interpretationsspielraum.2
Körperliche und geistige Fähigkeiten entscheiden
Demnach ist es keine gute Idee, mal eben den Fünfjährigen um den Block zu schicken, wenn Bello dringend muss und die Halter gerade keine Zeit haben. Denn trotz fehlender Altersangaben weisen die Landeshundegesetze der Bundesländer oft darauf hin, dass es bestimmter Voraussetzungen bedarf, um ein Tier Gassi führen zu dürfen. Diese Vorschriften gelten übrigens nicht nur für Kinder, sondern betreffen auch Erwachsene.
Wer mit einem Hund außerhalb des eigenen Grundstücks unterwegs sein möchte, muss etwa laut Hundeverordnung Brandenburg „körperlich und geistig die Gewähr“ bieten, das Tier „sicher zu führen, wenn er ihn durch Körperkraft (durch Festhalten an der Leine, am Halsband und des Körpers), gegebenenfalls in Verbindung mit Befehlen, davon abhalten kann, Menschen, Tiere oder Sachen zu schädigen, und wenn er Situationen und die Reaktionen des Hundes zutreffend einschätzen und schnell die richtigen Maßnahmen ergreifen kann“.
Ähnliche Formulierungen finden sich auch in den Hundeverordnungen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Daraus wird bereits klar, dass ein Hund, ganz gleich welcher Größe, und ein kleines Kind nicht einfach unterwegs sein dürfen, selbst, wenn es sich bei dem Tier um den Familienhund handelt.
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Anhaltspunkt: Was kann ein Kind im Straßenverkehr erkennen?
Einschätzen, wozu ein Kind in welchem Alter geistig in der Lage ist, können am besten die Eltern. Wer sein Kind nicht alleine zum Einkaufen oder zu Freunden gehen lassen würde, sollte es auch nicht in Begleitung eines Hundes auf die Straße schicken.
Die Verkehrswacht etwa erläutert auf ihrer Homepage, was Kinder in welchem Alter im Straßenverkehr wahrnehmen. „Mit etwa fünf Jahren können Kinder Farben gut erkennen und zwischen hell und dunkel unterscheiden. Sie sehen, ob eine Ampel auf Grün oder Rot steht“, heißt es dort. Entfernungen und Geschwindigkeiten zu beurteilen, falle ihnen in diesem Alter jedoch noch extrem schwer. Sie könnten demnach „nicht einmal zwischen einem stehenden und einem fahrenden Fahrzeug unterscheiden“. 3
Das Bewusstsein für eine Gefahr entwickle sich bei Kindern erst noch später, so die Verkehrswacht. Erst ab etwa acht Jahren könne ein Kind bestimmte Gefahrensituationen bereits im Vorfeld erkennen. Zuvor bemerke es eine Gefahr erst, wenn sie bereits eingetreten ist und für entsprechende Reaktionen keine Zeit mehr bliebe. Ein Kind also in bereits im Vorschulalter mit einem Hund allein Gassi gehen zu lassen, wäre schon allein deswegen unverantwortlich.4
Tierheime geben Gassi-Hunde nur an Erwachsene
Die meisten Tierheime lassen ehrenamtliches Gassigehen mit ihren Hunden erst zu, wenn die Person volljährig ist. Eltern dürfen ihre Kinder zwar mitnehmen, wenn sie Hunde aus dem Tierheim für einen Spaziergang abholen. Doch selbst dann weisen Tierheime darauf hin, dass die begleitenden Kinder mindestens zwölf Jahre alt sein müssen, um in Begleitung mit dem Hund unterwegs sein zu dürfen. 5 6
Dass Tierheime nur Erwachsene mit Ihren Hunden Gassi gehen lassen, hat vor allem haftungsrechtliche Fragen. Kinder unter sieben Jahren haften in Deutschland grundsätzlich nicht für Schäden, die sie verursachen. Zudem gilt für Privatleute, die ihr Tier mit anderen spazieren gehen lassen: Als Halter haften sie prinzipiell und in unbegrenzter Höhe, wenn etwas passiert. Selbst dann, wenn sie gar nicht in der Nähe waren, als das Unglück passierte.
Normalerweise haftet in Deutschland nur, wer mindestens fahrlässig gehandelt hat, wie es juristisch heißt. Ohne dieses Verschulden gibt es keine Haftung. Sehr laienhaft ausgedrückt heißt das: Wer etwas kaputt gemacht hat, muss es eben „ersetzen“. Sei es die teure Vase oder das ruinierte Parkett. Das dürfte einleuchten.
Tierhalter haften immer
Bei der Tierhalterhaftung jedoch sieht es anderes aus. Geregelt ist sie in § 833 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Denn dabei handelt es sich um eine sogenannte Gefährdungshaftung, wie sie etwa auch für Autohalter gilt.
Die Gefährdungshaftung spielt eine Rolle bei Tätigkeiten, die zwar erlaubt sind – also das Halten eines Hundes oder der Betrieb eines Autos – aber dadurch automatisch eine gewisse Gefahr für die Umgebung schaffen. Kommt es nun zu einem Schaden, muss dem Schädiger, in dem Fall dem Hundehalter, gerade kein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden, nicht mal fahrlässiges Handeln. 7
Um etwa den Halter eines Hundes haftbar machen zu können, muss sich also in der Regel lediglich eine sogenannte tierspezifische Gefahr, die aber von vornherein vermutet wird, realisiert haben. Die „Gefahr“, die allein vom Dasein eines Hundes ausgeht, muss also eingetreten sein.
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Hundehalter müssen jederzeit damit rechnen, haftbar gemacht zu werden
So sprach das Hanseatische Oberlandesgericht 2019 einer Radfahrerin rund 25 000 Euro zu, weil sie auf einem kombinierten Rad- und Fußweg über einen nicht angeleinten Hund stürzte und sich verletzte. Der Hund hatte zuvor unvermittelt die Richtung gewechselt und war der Frau dadurch in die Quere gekommen. Und genau damit habe sich eben eine typische Tiergefahr realisiert, weshalb der Halter haften musste. 8
Dass die Frau nicht geklingelt hatte, brachte ihr zwar weniger Geld ein, als wenn sie sich angemessen verhalten hätte. Der Fall zeigt aber auch: Hundehalter müssen jederzeit damit rechnen, haftbar gemacht zu werden. Man sollte sich also auch aus diesem Grund gut überlegen, wen man mit dem eigenen Vierbeiner losziehen lässt. Denn die Frage, wer für Schäden aufkommt, sollte etwas passieren, ist eindeutig geklärt.
Übrigens: Zwar können auch Personen, die einen fremden Hund ausführen, unter bestimmten Umständen für Schäden haftbar gemacht werden, die der Hund verursacht. Für Kinder, die mit einem Hund Gassi gehen, gilt das so aber nicht.