9. Oktober 2022, 13:08 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der eine hat wenig Zeit, der andere will sich keinen eigenen Vierbeiner anschaffen. Die Lösung: einen Hund teilen. Doch worauf ist zu achten? Und warum klappt die Methode selten bei Scheidungshunden? Alles Wichtige im Überblick.
Wir teilen Autos, Kleidung, Werkzeug und Wohnungen. Wer gemeinschaftlich Dinge nutzt, schont Ressourcen und findet dank des Internets in der Regel schnell Gleichgesinnte. Ähnlich läuft es auch beim Dogsharing, also wenn sich zwei Menschen einen Hund „teilen“, sich also gemeinsam um das Tier kümmern.
Übersicht
So funktioniert Dogsharing
Ähnlich wie bei einer Reitbeteiligung kümmern sich zwei Menschen um den Hund. Dafür kann es viele Gründe geben: Wenn sich die Lebensumstände geändert haben, wenn eine Partnerschaft zerbricht, wenn sich die Arbeitszeiten ändern oder ein Ortswechsel ansteht. Und auch aus der Perspektive des Co-Hundebetreuers gibt es Gründe: Eine zu kleine Wohnung, kein Budget – aber eine große Liebe zum Hund und die Sehnsucht, mit einem Tier zusammen zu sein und Verantwortung zu übernehmen.
In ihrem Alltag als Hundetrainerin erlebt Giulia Lautz viele Hundehalter, die die Fürsorge für ihren Liebling mit jemandem teilen. „Das Betreuungsmodell Dogsharing hat unserer Erfahrung nach in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, sagt die Inhaberin der Hundeschule „Martin Rütter Dogs“ in Wil/St.Gallen in der Schweiz.
Freiraum für Menschen, die einen Hund halten wollen
Lautz beobachtet den Trend vor allem bei der jüngeren Generation der unter 40-Jährigen. Auch berufstätige Singles wollen einen Hund halten. Sie jonglieren mit flexiblen Arbeitszeiten, kennen Schicht- und Teilzeitarbeit. Während es früher hieß, dass jemand, der arbeitet, besser keinen Hund halten soll, weiß man heute, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, auch als Erwerbstätiger einem Hund ein artgerechtes Leben zu bieten – eine davon besteht eben im Dogsharing. „Wenn alle Bezugspersonen am gleichen Strang ziehen, was die Erziehung des Hundes und die Erwartung an die Betreuung angeht, kann das eine gute Lösung sein“, sagt Giulia Lautz.
Fremde finden durch Dogsharing zusammen
„Dass sich mehrere Menschen um einen Hund kümmern, hat es schon immer gegeben. Großfamilie, Freunde, Nachbarn – in der Regel haben Hundehalter ein Netzwerk. Idealerweise haben sie sich vor der Anschaffung überlegt, wer sich neben ihnen um das Tier kümmern kann, etwa im Krankheitsfall oder auf Reisen“, sagt Hundefachwirtin Annette Möckel vom Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen (BHV) sowie Inhaberin der Hundeschule „icHunddu“.
Bei Dogsharing finden sich Gleichgesinnte, denen die Freude an der geteilten Hundebetreuung am Herzen liegt – finanzielle Interessen spielen keine Rolle. Im Gegensatz zu anderen Betreuungsformen: Hunde-Kitas oder Hunde-Pensionen haben Gebührensätze, Hundesitter und Dogwalker verlangen Stundenlöhne.
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Bedürfnisse des Hundes müssen im Zentrum stehen
Für Annette Möckel und Giulia Lautz stehen beim Dogsharing die Bedürfnisse des Hundes im Zentrum, nicht die Bedürfnisse des Menschen. Schließlich habe sich nicht das Tier für Herrchen oder Frauchen entschieden. „Wir Menschen treffen Entscheidungen für den Hund und es ist unsere Verpflichtung, achtsam und verantwortungsvoll mit den Lebewesen umzugehen. Hunde sind nicht dazu da, den Menschen glücklich zu machen“, so Möckel.
Grundvoraussetzung für die gemeinsame Betreuung eines Tieres ist, dass sich der Hundebesitzer und der Co-Sharer gut verstehen. Dazu zählen Toleranz und gegenseitige Freiräume. Dennoch sollten klare Absprachen getroffen werden: Wo verbringt der Hund wann wie viel Zeit? Was bekommt das Tier zu futtern, wie ist es um die Tischmanieren bestellt? „Ich kann nur empfehlen, dass es einen Hauptbesitzer geben sollte, der die Verantwortung trägt und wichtige Entscheidungen trifft, etwa wenn es um tierärztliche Behandlung geht“, sagt Annette Möckel. Ihr Tipp: „Absprachen am besten schriftlich festhalten und wie einen Vertrag unterzeichnen.“
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Zeit lassen, gemeinsame Vokabeln verwenden
Beide Hundeexpertinnen sind sich einig: Nicht jeder Vierbeiner ist fürs Dogsharing geeignet. Zwar sind Hunde soziale Lebewesen, die in den meisten Fällen problemlos mit mehreren Bezugspersonen zurechtkommen. Aber auf jeden Fall sollte man dem Tier Zeit lassen, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Der Co-Betreuer soll die Gelegenheit erhalten, eine Beziehung zum Tier aufzubauen.
Anfangs ist es ratsam, gemeinsam etwas zu unternehmen. Bei Hunden, die stark auf ihren Besitzer bezogen oder einfach schon älter sind, treten unter Umständen Verlustängste auf, dann ist Geduld gefragt.
Wichtig ist auch die Abstimmung über einheitliche Signale und Regeln, so sollte etwa das gleiche Rückrufwort verwendet werden. Die neue Bezugsperson muss genau wissen, wie der Hund auf andere Hunde, Spaziergänger, Radfahrer oder spielende Kinder reagiert.
Wie erlebt das Tier eine Trennung?
Hunde sind eng an den Menschen gebunden. Sie trauern, wenn ein Mensch verschwindet – etwa wenn ein Kind den Haushalt der Eltern verlässt, wenn Paare sich scheiden lassen oder wenn ein Familienmitglied stirbt. Was sollte man bei einer Trennung bedenken? „Grundsätzlich sind die meisten Hunde flexibel und anpassungsfähig. Sie benötigen allerdings Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen“, sagt Annette Möckel.
Ihr Rat für Besitzer von „Scheidungshunden“: „Hunde stresst es, wenn Menschen ihre Konflikte über sie ausleben – das sollte also tunlichst vermieden werden. Es gibt Konzepte, wie das geregelt werden kann. Am besten ist, wenn eine Hauptbezugsperson bestimmt wird.“ Hilfe und fachliche Unterstützung bieten Hundeschulen des BHV.
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Projekt „Scheidungshund“ eher selten erfolgreich
Für eine geteilte Fürsorge ist es nötig, dass Konflikte zwischen den Ex-Partnern emotional geklärt sind. Giulia Lautz hat die Erfahrung gemacht, dass sich Herrchen und Frauchen nach der Trennung gerne weiter gemeinsam um ihren Hund kümmern wollen – aber dann mit dem Projekt scheitern. „Theoretisch klingt es einfach. Findet das Ex-Paar partnerschaftlichen Umgang miteinander, kann das funktionieren“, so Lautz.
In der Praxis schaue es dann leider anders aus. Da ist die Situation für Herrchen und Frauchen emotional schwierig. Das wiederum spürt auch der Hund und das kann ihn belasten. „In den allermeisten Fällen scheitert das Projekt ‘Scheidungshund‘ früher oder später. Der Hund bleibt am Ende dann doch bei einem Partner, während der andere sich ganz zurückzieht“, so die Erfahrung der Hundetrainerin.