31. Oktober 2022, 14:22 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Alte, kranke Hunde werden oft nicht mehr aus Tierheimen adoptiert. Im Hundehospiz finden sie manchmal aber trotzdem einen Platz für ihre letzten Wochen. Eine Frau in Brandenburg setzt sich für die Hundesenioren ein.
Sabine ist zwischen 13 und 15 Jahre alt, hat ein paar Krümel an der Schnauze und auch mit nur einem Auge einen Blick, der tief in die Seele geht. Sie ist eine kleine, weiß-braune Mischlingshündin und wohnt in Stevie’s Hundesenioren-Hospiz in Heideblick im Kreis Dahme-Spreewald (Brandenburg). „Ich kann keine Familie ersetzen“, sagt die Hundehospiz-Betreiberin Stephanie Badura (39), auch Stevie genannt. Sie versucht den Hunden, die in die Jahre gekommen sind und oft an Krebs oder anderen schweren Krankheiten leiden, aber genau das zu bieten: jedem einzelnen Tier viel Aufmerksamkeit, Fürsorge und Liebe zu schenken. Momentan gibt es in dem Hundehospiz in Brandenburg aber einen Aufnahmestopp.
»Kein Verständnis, wenn man seinen alten Hund einfach abgeben will
Badura erzählt, sie versinke bereits in Anfragen, die sie immer wieder ablehnen müsse, da es sich oft um Hunde handle, deren einzige Einschränkung ihr Alter sei. „Ich würde eine Niere geben, nur um noch einen Tag mit meinem Hund zu haben. Da fehlt mir dann das Verständnis, wenn man seinen alten Hund einfach abgeben will.“ Sie kümmere sich vor allem um alte und schwer kranke Hunde, die nicht mehr vermittelt werden könnten. Da sie nur 15 Plätze zur Verfügung habe, müsse sie genau schauen, wer den Platz am dringendsten brauche. Anfang Oktober beherbergte sie 14 Hunde, den letzten Platz will sie sich für schlimme Notfälle aufheben, wie sie sagt.
Wie viele Hundehospize es in Deutschland gibt, ist nicht klar. Eine Statistik dazu gibt es laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, welches das Veterinärwesen in Deutschland verwaltet, nicht. Laut Deutschem Tierschutzbund ist die Rolle der Hundehospize aber essenziell als Unterstützung für die Tierheime, die ohnehin schon überlastet seien. Anders als in Tierheimen werden im Hospiz keine Hunde vermittelt, sondern in ihren letzten Tagen versorgt und begleitet. Auch Baduras Hundehospiz in Brandenburg arbeitet mit einzelnen Tierheimen im Kreis Dahme-Spreewald zusammen, um den unvermittelbaren Vierbeinern einen Gnadenplatz zu ermöglichen.
Seit 2014 betreibt Badura ihr Hundehospiz. In ihrem jetzigen Haus lebt sie seit einem Jahr mit ihrem Partner Frank Lebok (49) und den Hunde-Senioren zusammen. Neben einem riesigen Garten und dem Futterlager für das regionale Frischfleisch und das Dosenfutter gibt es auch noch eine Quarantänestation. Diese sei eine von mehreren Vorgaben des Veterinäramts gewesen.
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„Das ist jedes Mal, wie wenn ein Kind stirbt“
Badura arbeitet mittlerweile in Teilzeit als Tierarzthelferin und kann die Hunde in der Quarantänestation deshalb oft selbst mit medizinischem Fachwissen versorgen, auch die Infusionen in der Ecke der Krankenstation verlegt sie eigenhändig. Sie ist aber auch froh, vier verschiedene Tierärzte als Unterstützung zu haben. Einschläfern könne sie die Hunde niemals selbst. „Ich versuche, die Distanz zu behalten, aber das ist jedes Mal, wie wenn ein Kind stirbt“, sagt sie. Der enge Austausch mit Tierärzten und Tierschutzvereinen sei laut Tierschutzbund wichtig, um den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann ein Tier erlöst werden sollte.
Lungenödem, Wasserkopf, Bauchspeicheldrüsenkrebs – die Liste der Krankheiten ist lang, die Liste der Medikamente und Futterzusätze noch länger. Die hat Badura für alle Fälle im PC gespeichert, sonst hat sie genauestens im Kopf, wer wann welche Medikamente, welches Futter und welche Zuneigung braucht. „Eine solche intensive Rundum-Betreuung ist im alltäglichen Tierheimbetrieb für die Tierheimmitarbeiter in der Regel gar nicht zu stemmen“, sagt eine Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes. Dort würden die Hunde zwar auch medizinisch versorgt, hätten aber nicht den Familienanschluss wie im Hospiz.
Die Betreuung im Hunde-Hospiz in Brandenburg kostet Zeit – und Geld. Badura startet den Tag morgens um halb 7 und geht um 23 Uhr wieder ins Bett, wie sie schildert. Dazwischen ist der Tag mit Gassirunden, Putzarbeiten, Haussanierung, Fütterung, Verarzten, Bürozeit und ihrer Teilzeitstelle voll. Den Urlaub opfert sie für die Hunde.
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Hohe Kosten und Existenzängste
Für Badura sei Entschädigung genug, wenn sie die positive Entwicklung der Hunde sieht: „Du siehst ein halbes Jahr später die Bilder und bist total glücklich“, sagte sie. Aber im Hinblick auf die steigenden Kosten kämpft auch sie mit Existenzängsten: „Ich wünsche mir, dass ich noch mit allen Hunden Weihnachten feiern kann und wir auch nächstes Jahr trotz der Kosten noch existieren können.“
Sie versucht alles, um Spenden zu sammeln: Man kann Beutel oder Kalender kaufen, aber auch direkte Geld- oder Sachspenden an das Hospiz richten. Das Hundehospiz in Brandenburg ist auch als Verein angemeldet, in dem man für 50 Euro im Jahr Mitglied sein kann. Oder man übernimmt eine Patenschaft für einen Hund, dem dadurch Futter und Medikamente finanziert werden. Werbung dafür macht Badura auch in den sozialen Medien, wo sie immer wieder schreiben muss, wenn „der Himmel einen neuen Stern“ hat.
Mischlingshündin Sabine kam im Dezember 2019 ins Hundehospiz in Brandenburg. Sie wurde ausgesetzt, ihr rechtes Auge wäre „fast geplatzt“ und so musste die Tierärztin noch aus ihrem Weihnachtsurlaub zurückkommen, um den kleinen Notfall zu operieren. Seitdem ging es ihr gut – bis jetzt. Badura ertastet während des Gesprächs einen Knoten an Sabines Hals. Neben der tiefen Erschütterung bedeutet das auch wieder Arztkosten, umfassende Betreuung und viele Stoßgebete. Mitte Oktober kommt aber die gute Nachricht: Ein CT habe ergeben, dass es sich um eine Zyste handelt, die behandelbar sei. Die Hoffnung bei Badura bleibt, dass der Himmel noch lange auf seinen „neuen Stern“ warten muss.
Mit Material von dpa