16. Oktober 2024, 10:15 Uhr | Lesezeit: 15 Minuten
Länger, größer, extremer. Diesen Trend kann man heute bei einigen Hunderassen beobachten. Aber wie sah das ganze noch vor 100 Jahren aus? PETBOOK hat sich eines der ältesten Werke zu Hunderassen aus dem Jahr 1915 angesehen und stellt 17 Rassen vor, die oft nicht wiederzuerkennen sind.
Das Buch „Dogs Of All Nations“ von Walter Esplin Mason erschien im Jahr 1915 in Anlehnung an eine internationale Zuchtausstellung in Panama. Damit ist es eines der ältesten Werke, das den Zuchtstandard von Hunderassen aus der ganzen Welt beschreibt. Während man einige Vertreter sofort wiedererkennt, haben sich andere Hunderassen in den letzten 100 Jahren stark verändert. Von den knapp 200 beschriebenen Zuchtlinien haben wir 17 ausgewählt, deren Entwicklung besonders beeindruckend ist und mit dem aktuellen Zuchtstandard der Fédération Cynologique Internationale (FCI) vergleichen.
Der FCI ist der weltgrößte kynologische Dachverband. An seinen Vorgaben orientieren sich Hundezüchter rund um den Globus. Mehr als 350 Hunderassen erkennt der Verband an. Vergleicht man deren Aussehen mit den Abbildungen aus „Dogs Of All Nations“, sind manche heute kaum wiederzuerkennen. Es gibt aber auch Rassen, die der heutigen Zucht erschreckend ähnlich sehen. Denn wer dachte, dass platte Nasen, kupierte Schwänze oder Größen-Extreme eine Erfindung der Neuzeit wären, irrt!
Bull Terrier
Der Bull Terrier ist eine der Hunderassen, die sich in den vergangenen 100 Jahren mit am stärksten verändert hat. Am deutlichsten sieht man dies am Kopf und Nacken der Tiere. Zwar galt die Rasse damals schon als kräftig und muskulös – Walter Esplin Mason nennt sie die „Gladiatoren“ unter den Hunderassen. Aber zu Kopf, Nacken und Ohren schreibt er lediglich: „Der Schädel ist flach und breit zwischen den Ohren. […] Die Ohren sollten, wenn sie nicht kupiert sind, klein sein und halb aufgerichtet getragen werden.“
Im aktuellen Zuchtstandard des FCI heißt es zum Bullterrier: „Ein einzigartiges Merkmal ist sein ‚downface‘ (divergierende Kopflinien) und der eiförmige Kopf“. Außerdem sollten die Hunde „in der Lage sein, die Ohren steif aufgerichtet zu halten“ heißt es. Gewicht und Farbe sind hingegen gleich geblieben.
Mastiff
Der Mastiff gehörte damals schon zu den größten Hunderassen. In „Dogs Of All Nations“ ist von einem Gewicht von bis zu 85 Kilogramm die Rede. Insgesamt beschreibt ihn Walter Esplin Mason als „großen, massiven, mächtigen Hund“.
Dieser Eindruck wurde im Laufe der letzten 100 Jahre durch die Zucht noch mehr hervorgehoben. Immer massiver, größer und schwerer wurden die Hunde. Im heutigen Rassestandard des FCI finden sich keine genauen Angaben zu Größe oder Gewicht – auch keine Grenzwerte. Es heißt lediglich: „Möglichst viel Größe ist erwünscht“. Heute gilt der Mastiff mit einer Widerristhöhe von bis zu 90 Zentimetern und einem Gewicht von bis zu 100 Kilogramm als einer der größten und schwersten Hunde.
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Labrador Retriever
Der Labrador Retriever ist einer der Hunderassen, die sich vor allem in ihren Aufgaben stark verändert haben. Während der Labrador heute eine der beliebtesten Familienhunde ist – vor allem die blonde Variante – galt er vor 100 Jahren als „hart arbeitender Hund“. Es gab ihn lediglich in der Farbe Schwarz. Nach dem Rassestandard des FCI sind heute neben schwarz auch Fellfarben in gelb (blond) oder schoko (braun) erlaubt.
Basset Hound
Der Basset Hound ist eine der Hunderassen, die man auch vor 100 Jahren als solche erkannt hätte und nur wenig verändert daherkommt. Sein Kopf sei am vollkommensten, wenn er dem eines Bluthundes sehr ähnlich ist, beschreibt Walter Esplin Mason die Rasse. Die Stirn soll bis zu den Augen in Falten liegen. „Die Ohren sind so lang, dass sie bei der Jagd tatsächlich auf sie treten, tief angesetzt sind und lose wie Tücher in Falten hängend.“
Nach den heutigen Zuchtstandards ist man wieder etwas zurückgerudert. So heißt es, dass es am Kopf „eine kleine Menge an Falten“ geben dürfe. Die Ohren sollen nur geringfügig über das Ende der Schnauze reichen, aber nicht übermäßig herunterhängen. Das wird allerdings nicht von allen Züchtern beherzigt, wie zahlreiche Zuchtexemplare beweisen. Zudem wurden die Hunde im Laufe der Jahre massiger. Lag das angegebene Gewicht im Jahr 1915 noch bei durchschnittlich 25 Kilogramm, sind heute 25 bis 28 Kilogramm für Hündinnen und 30 bis 32 Kilogramm für Rüden üblich.1
Französische Bulldogge
Der „Frenchie“, wie die Französische Bulldogge auch liebevoll genannt wird, gehört ebenfalls zu den Hunderassen, die sich optisch nicht groß verändert haben. Auch im Jahr 1915 gab es die Hunde in vielen Farbschlägen. Und auch ihr markantestes Merkmal, der große Kopf mit den fledermausartigen Ohren, stand bereits in der Beschreibung der Rasse. Ebenso der eingezogenen Oberkiefer- und Nasenbereich, der kennzeichnend für den Kopf der Bulldogge ist.
Allerdings wurde die Französische Bulldogge damals noch in drei Größenkategorien eingeteilt: unter 20 Pfund (ca. 9 Kilogramm), zwischen 20 und 24 Pfund (9–11 kg) und 24 bis 28 Pfund (11–13 kg). Heute heißt es im Rassestandard des FCI dazu lediglich: „bei einer Bulldogge in gutem Zustand darf das Gewicht nicht weniger als 8 kg und nicht mehr als 14 kg betragen“.
Deutsche Dogge
Die Deutsche Dogge ist das Paradebeispiel für „größer, schwerer, extremer“ in der Welt der Hunderassen. Zwar heißt es bereits in „Dogs Of All Nations“, die Hunde seien bemerkenswert groß und sehr muskulös. Allerdings ist hier von einer Widerristhöhe von 76 Zentimeter und einem Gewicht von 55 Kilogramm die Rede. Diese Maße gelten nach aktuellem Rassestandard des FCI jedoch „nur“ noch für Hündinnen. Rüden sollen eine Mindestgröße von 80 Zentimeter Widerristhöhe aufweisen und bringen oft über 90 Kilogramm auf die Waage.
Interessant ist ein Detail über die Ohren. Diese wurden gerne kupiert, um sie kleiner erscheinen zu lassen. Doch weil der English Kennel Club dies verbot, konzentrierten sich die Züchter einige Jahre darauf, Hunde mit besonders kleinen Ohren hervorzubringen. Dabei hatte man zeitweise mit „vorübergehende Behinderungen“ in der Rasse zu leben, wie Walter Esplin Mason schreibt. Was genau damit gemeint ist, führt er nicht weiter aus.
Dackel
Der Dackel gehört zu den Hunderassen, die sich auf den ersten Blick nicht groß verändert haben. Schaut man genauer hin, fällt aber auf, dass die Merkmale auch hier immer extremer wurden. Der Rücken noch länger, die Beine noch kürzer – und manchmal auch krummer. Auch wenn das im FCI-Rassestandard nicht erwünscht ist. Die Vorderläufe sollen „gerade gestellte […] von guter Knochenstärke mit gerade nach vorn gerichteten Pfoten“ sein, heißt es.
Zwergspitz (Pomeranian)
Ursprünglich waren Spitze Hof und Wachhunde. Es gab sie aber schon damals in verschiedenen Größen, wie Walter Esplin Mason berichtet. Bei den Spitzen, die als Begleithunde gehalten wurden, lag das Gewicht seinen Angaben nach zwischen 18 bis 24 Pfund (8–11 kg).
Aber in letzter Zeit hätten die Züchter die Sorte perfektioniert, schreibt Mason. „Je kleiner sie sind, desto mehr geschätzt werden sie. Es gibt viele Poms mit einem Gewicht von etwa drei oder vier Pfund, und einige ausgewachsene Exemplare sind bis zu einem Gewicht von einem halben Pfund ausgestellt worden.“ Umgerechnet sind das gerade mal etwas mehr als 200 Gramm! Solche Hunde gelten heute als Qualzucht, werden aber von unseriösen Züchtern als sogenannte „Teacup-Hunde“ angepriesen. Der heutige Zuchtstandard legt zwar kein Gewicht fest, doch die Tiere sollen eine Widerristhöhe von etwa 21 Zentimeter aufweisen.
Auch im Zuchtstandard festgelegt ist der „fuchsähnliche“ Kopf der Zwergspitze. Schaut man sich heutige Vertreter der Rasse an, geht der Trend allerdings weg vom Fuchs und hin zum Teddy. Dieser Look wird zum einen durch die Zucht kürzerer Schnauzen und einer größeren, vorgewölbten Stirn erreicht, aber auch durch spezielle Haarschnitt bzw. Frisuren betont.
Deutscher Schäferhund
Der Deutsche Schäferhund gilt als eine der bekanntesten Hunderassen und in seinem Heimatland immer noch ziemlich beliebt. Rein optisch hat sich die Rasse fast kaum verändert bis auf ein wichtiges Detail: dem Rücken. Diesen beschreibt Walter Esplin Mason in „Dogs Of All Nations“ im Jahr 1915 noch als gerade.
Das änderte sich allerdings. So wurden irgendwann Hunde favorisiert, deren Kruppe – damit ist die hintere Region des Rückens gemeint – schräg nach unten läuft. Auch heute heißt es noch im Rassestandards des FCI: „Die Kruppe soll lang und leicht abfallend (ca. 23° zur Horizontalen) sein und ohne Unterbrechung der Oberlinie in den Rutenansatz übergehen.“
Für die Hunde bedeutet das Schmerzen beim Laufen, Fehlstellungen, Arthrose und Hüftprobleme. Daher sind viele Züchter heute wieder dazu übergegangen, Schäferhunde mit geradem Rücken zu züchten.
Samojede
Der Samojede gehört zu den weniger bekannten Rassen. Wer ihn jedoch kennt, nennt als eines der charakteristischsten Merkmale das schneeweiße Fell. Das gehörte allerdings nicht immer zum Samojeden. So gab es die Hunde laut Mason auch mit schwarzen, braunen oder sogenannten Wolfsflecken. Heute sind höchstens wenige „Bisquit-Abzeichen“ erlaubt.
Ansonsten ähnelten die Hunde dem, was heute als Zuchtstandard gilt. Wie beim Zwergspitz fällt aber auch hier auf, dass das Aussehen der Rasse immer mehr verniedlicht wird und die Hunde immer mehr großen weißen Teddys ähneln.
Boston Terrier
„Der Schädel ist quadratisch, flach, faltenfrei, abrupte Brauen, weit auseinander liegende Augen, groß und rund und dunkel gefärbt. Die Schnauze ist kurz, quadratisch, breit und tief und faltenfrei“, so beschreibt Mason den Boston Terrier. Ebenso wie der Mops und die Französische Bulldogge zählen diese Hunde zu den sogenannten brachycephalen, also kurzköpfigen, Rassen.
Wie kurz die Schnauze sein sollte, wurde 1915 zwar noch nicht festgeschrieben. Schaut man sich die Abbildungen des Boston Terriers oder die anderer brachycephaler Rassen wie dem Toy Spaniel, dem Mops oder dem Pekingesen an, scheint ein extrem kurzer Fang auch damals schon nichts Ungewöhnliches zu sein.
Der heutige Rassestandard des FCI schreibt vor, dass die Länge Schnauze maximal etwa ein Drittel der Schädellänge betragen darf. Kürzer geht also immer, auch wenn betont wird, dass der Hund dabei nicht in seiner Atmung eingeschränkt sein soll, was aber heute wohl für die große Zahl der Vertreter der Rasse zutrifft – auch in seriösen Zuchten.
Chihuahua
Der Chihuahua galt auch 1915 schon als die kleinste aller Hunderassen – somit hat sich hier also wenig verändert. Wer aber dachte, dass die Hunde heute so klein wie nie sind, täuscht sich. Denn in „Dogs Of The World“ wird zum Gewicht ein Bereich von einem halben bis vier Pfund angegeben. Das entspricht 200 Gramm bis 1,8 Kilogramm, was auch für heutige Verhältnisse extrem ist. So legt der heutige Zuchtstandard des FCI ein Idealgewicht zwischen 1,5 und 2,5 Kilogramm fest. Hunde mit weniger als einem Kilogramm würden aus der Zucht ausgeschlossen, heißt es.
Ansonsten schreibt Mason über den Chihuahua: „Er ist bemerkenswert spielfreudig und exklusiv in seinen Zuneigungen.“ Den Kopf beschreibt er als rund mit scharfer, spitzer Nase und großen, aufrechten Ohren. Nach heutigen Zuchtkriterien sei von überragender Bedeutung zu beachten, dass der Kopf apfelförmig ist, heißt es in der Rassenbeschreibung des FCI. Diese besondere Form des Schädels wird durch sein rundes und apfelförmiges Aussehen charakterisiert, bei dem der Hirnschädel erheblich gewölbt ist.2
Chow-Chow
Der Chow-Chow ist eine Rasse mit Ursprung in China und wird auch gern als „Löwenhund“ bezeichnet. Zwar ist von dem Begriff „Löwe“ im Jahr 1915 noch keine Rede, aber die charakteristische dunkle bzw. blaue Zunge besaß der Chow-Chow auch damals schon. Ebenso wie seinen „mürrischen“ Gesichtsausdruck. So heißt es in „Dogs Of The World“: „Die Ohren sind klein, spitz und aufrecht und sollten weit vorn über den Augen platziert werden, ein Merkmal, das dem Hund einen charakteristischen Ausdruck oder ‚finsteren Blick‘ verleiht, der der Rasse eigen ist.“
Auch im Rassestandard des FCI wird dieses Merkmal des Chow-Chows besonders hervorgehoben. Zwar steht darin auch, dass dieser Ausdruck niemals durch lose Falten bildende Kopfhaut erzielt werden dürfe. Doch leider sieht man heute viele Chow-Chows, die so viele Falten im Gesicht haben, dass es ihnen schwerfallen dürfte, die Augenlider zu heben. Eine Hunderasse also, die sich erst in jüngster Zeit zum Schlechteren verändert hat.
Mops
Ähnlich dem Frenchie oder Boston Terrier hat sich auch diese Hunderasse kaum verändert. Auch wenn es oft heißt, die Möpse würde immer plattere Nasen bekommen. Schaut man sich die Beschreibungen und Abbildungen in „Dogs Of The World“ an wird klar, dass auch 1915 schon gern ins Extreme gezüchtet wurde.
Vergleicht man die Formulierungen von Mason bei der Beschreibung der Rasse mit denen im heutigen Rassestandard des FCI, finden sich erstaunliche Parallelen. Manchmal stehen dort sogar exakt dieselben Sätze. Und auch wenn in den heutigen Standards betont wird, der Mops solle trotz seiner extremen Körpermerkmale frei von Atem- oder Augenproblemen sein, findet sich heute auch in der anerkannten Zucht kaum ein gesundes Exemplar mehr.
Dobermann
Der Dobermann ist eine Hunderasse, die sich in einigen Punkten zum Positiven verändert hat. Während es 1915 noch üblich war, die Rute auf etwa 15 Zentimeter zu kürzen und die Ohren um einiges zu kupieren, damit sie spitz nach oben stehen, ist dies heute nicht mehr Teil des Zuchtstandards.
Dieser wurde zwar erst 2015 angepasst, doch nun heißt es dort: „Die naturbelassenen Ohren sind an der höchsten Stelle des Oberkopfes seitlich angesetzt und liegen im Idealfall an den Wangen an“ Auch die Rute „bleibt naturbelassen und wird im Idealfall in leichtem Bogen nach oben getragen.“
Auffällig ist allerdings die Veränderung der Größe. Wies der Dobermann vor 100 Jahren eine Widerristhöhe von durchschnittlich 60 Zentimeter auf, sind es heute 68 bis 72 Zentimeter beim Rüden und 63 bis 68 Zentimeter bei der Hündin.
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Shar Pei
Saluki
Bernhardiner
Der Bernhardiner besitzt ein „prächtiges Aussehen, schönes Temperament und Fügsamkeit“, schreibt Mason über die Hunde. Sie würde mit Recht als eines der schönsten Beispiele und edelsten Vertreter der Hunderassen angesehen. Der Kopf sei groß und massiv, der Fang kurz und quadratisch. Hängende Lefzen und Augenlider charakterisieren die Rasse, die auch damals mit einem Gewicht von knapp 100 Kilogramm zu den Schwergewichten gehörte.
Im heutigen Rassestandard des FCI ist das Gewicht nicht definiert. Stattdessen ist für Rüden ein Höchstmaß von 90 Zentimeter Widerristhöhe festgelegt. In der Regel wiegen Bernhardiner zwischen 60 und 90 Kilogramm schwer, werden aber gern auf Masse gezüchtet, sodass es auch Hunde mit 120 Kilogramm Gewicht gibt.
Zumindest was die hängenden Augenlieder und Lefzen angeht, hat man in der Zucht mittlerweile nachgebessert. So wurde der Standard 2016 angepasst und es heißt nun, dass ein natürlicher, gefestigter Lidschluss angestrebt würde. Ein sehr kleiner Knick aber möglichst mit wenig sichtbarer Bindehaut am Unterlid und kleiner Knick am Oberlid seinen jedoch zulässig. Viele Exemplare der Rasse sind heute dennoch ein lebender Beweis dafür, dass sich nicht alle Züchter daran zu halten scheinen.