17. Januar 2025, 12:12 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Hunde sind so unterschiedlich wie Menschen. Ihre Persönlichkeit, ihr Temperament und ihre Erfahrungen beeinflussen, wie sie auf Training und Erziehung reagieren. Im PETBOOK-Interview stellen die beiden Hundetrainer Eva Birkenholz und André Vogt die verschiedenen Hundepersönlichkeiten kurz vor und geben Tipps, wie man sie individuell am besten trainiert.
Nicht jeder Hund reagiert gleich auf Erziehung – und genau das macht die Hundeerziehung so vielseitig. Ob lebhaft, schüchtern oder eigensinnig: Jeder Hund hat seine Eigenheiten, die ein individuelles Training erfordern. Nur wer den Charakter seines Hundes versteht, kann dauerhaft und erfolgreich mit ihm arbeiten. In ihrem neuen Buch „Typgerechte Hundeerziehung: Jede Hundepersönlichkeit individuell trainieren“ geben die bekannten Hundetrainer André Vogt und Eva Birkenholz praktische Tipps und erklären diese an den verschiedenen Hundepersönlichkeiten. PETBOOK sprach mit den beiden über das Konzept der verschiedenen Hundetypen und wollte wissen, wie Halter ihren eigenen Hund einschätzen können.
Darum geht es bei typgerechter Hundeerziehung
PETBOOK: Eva und André, in eurem neuen Buch stehen die Hundetypen im Vordergrund. Ist das etwas das ihr schon lange bei euch im Training integriert oder ist es ein neuer Ansatz?
André Vogt: „Das ist tatsächlich schon sehr lange Teil unseres Grundkonzepts. Im klassischen Hundetraining lag der Fokus oft auf dem Lernverhalten der Hunde, mit einem großen Augenmerk auf Kommandos wie ‚Sitz‘ oder ‚Platz‘. In den letzten Jahren hat sich aber der Fokus stark verändert. Wir haben festgestellt, dass die Beziehung zwischen Mensch und Hund eine zentrale Rolle spielt.
Es geht nicht nur darum, was der Hund lernen soll, sondern auch darum, zu verstehen, wie er tickt und was seine Bedürfnisse sind. Wie wir uns als Halter verhalten und wie wir unsere Hunde wahrnehmen, beeinflusst den Trainingserfolg erheblich. Dieser Ansatz eröffnet uns viele neue Perspektiven, nicht nur beim Training, sondern auch beim Verständnis des Hundes als Sozialpartner.“
Eva Birkenholz: „Genau, und obwohl wir keine formalen Tests bei unseren Kunden durchführen, können wir durch unsere langjährige Erfahrung oft sehr gut einschätzen, welcher Typ von Hundehalter vor uns sitzt. Das ermöglicht uns, schnell die passende Trainingsmethodik auszuwählen, die dann effektiv auf die Bedürfnisse des Hundes und des Halters zugeschnitten ist.“
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„Wenn ein Kunde mit einer bestimmten Problematik zu uns kommt, beginnen wir mit einem ausführlichen Gespräch“
Fängt das Training immer mit einem Gespräch mit den Kunden an?
Eva Birkenholz: „Ja, das ist tatsächlich der erste Schritt in unserem Training, besonders im Einzeltraining. Wenn ein Kunde mit einer bestimmten Problematik zu uns kommt, beginnen wir mit einem ausführlichen Gespräch. Hier wollen wir verstehen, welche Schwierigkeiten bestehen, welche Wahrnehmungen der Halter von seinem Hund und welche Erwartungen er an das Training hat. Das ermöglicht es uns, wertvolle Informationen zu sammeln und ein erstes Bild von der Situation zu gewinnen.“
André Vogt: „Für uns ist es außerdem interessant zu hören, wie der Hundehalter seinen Hund einschätzt. Oft ist das Bild, das Menschen von ihrem Hund haben, ganz anders, als die Realität es zeigt. Diese Einschätzung gibt uns Hinweise darauf, welche Trainingsansätze sinnvoll sein könnten.“
Viele Halter schätzen ihre Hunde falsch ein
Gab es Situationen, in denen Kunden ihren Hund ganz falsch eingeschätzt haben?
André Vogt: „Ja, das ist ein häufiges Phänomen. Ein Klassiker ist, wenn jemand sagt, dass sein Hund total unsicher ist, besonders in Hundebegegnungen. Oft zeigt sich dann, dass der Hund in Wirklichkeit sehr forsch auf andere Hunde zugeht und eher dominant ist. Wir müssen in solchen Fällen das Training dann entsprechend anpassen und dem Halter verdeutlichen, dass es nicht um Unsicherheit geht, sondern um ein ganz anderes Verhalten. Es ist wichtig, dies sensibel zu kommunizieren, damit der Halter den Hund besser versteht und seine Erwartungen anpassen kann.“
Eva Birkenholz: „Das ist eine spannende Herausforderung, denn wir müssen nicht nur das Verhalten des Hundes richtig einschätzen, sondern auch empathisch und respektvoll mit dem Halter kommunizieren. So schaffen wir eine Basis, auf der wir gemeinsam am Training arbeiten können.“
„Menschen sind sehr unterschiedlich, und das muss man bei der Trainingsgestaltung berücksichtigen“
Geht ihr im Training auch auf unterschiedliche Typen von Menschen ein?
André Vogt: „Absolut! Das ist für uns ein zentrales Element eines erfolgreichen Trainings. Menschen sind sehr unterschiedlich, und das muss man bei der Trainingsgestaltung berücksichtigen. Einige Hundehalter benötigen eine sehr einfühlsame Herangehensweise, während andere vielleicht auch mal einen lockeren Spruch vertragen. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu erkennen und entsprechend darauf einzugehen.“
Eva Birkenholz: „Genau. Ich sehe die Fähigkeit, Menschen lesen zu können, als eine der wichtigsten Eigenschaften eines guten Trainers an. Jeder Kunde hat seine eigene Persönlichkeit, und es ist entscheidend, sensibel für diese unterschiedlichen Charaktere zu sein. Wir möchten unseren Kunden nicht von oben herab begegnen, sondern ihnen auf Augenhöhe erklären, welche Veränderungen notwendig sind und wie wir diese zusammen erreichen können.“
Was gibt es denn für Hundetypen und wie unterscheiden sie sich? Könnt ihr das für unsere Leser kurz zusammenfassen?
Eva Birkenholz: „Zunächst einmal ist es wichtig zu erwähnen, dass unser Buch absichtlich nicht wissenschaftlich ist. Wir verwenden möglichst wenige Fachbegriffe, um eine verständliche Sprache für den normalen Hundebesitzer zu sprechen. In der Wissenschaft werden Hunde oft nur in Kategorie A und B unterteilt. Wir hingegen haben mehrere Typen definiert.“
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Von Draufgängern und Couchpotatoes
André Vogt: „Genau! Zu den Typen gehören zum Beispiel der Draufgänger, ein mutiger Hund, der mit viel Energie durch die Welt geht. Dann gibt es den Sturkopf, der im Training etwas mehr Überzeugungsarbeit braucht, um sich an Regeln zu halten. Der Sensible ist ein weiterer Typ – dabei handelt es sich oft um Hunde, die vorsichtig sind und behutsam angegangen werden müssen. Und schließlich haben wir den gemütlichen Couchpotato, der einfach langsamer unterwegs ist und mehr Motivation braucht.“
Das klingt interessant! Gibt es denn Mischformen dieser Typen?
André Vogt: „Auf jeden Fall! Es gibt immer Mischformen und die Hunde können sich je nach Situation unterschiedlich verhalten. Ein Draufgänger kann in bestimmten Momenten sensibel reagieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Typen nicht starr sind: Sie können sich in verschiedenen Kontexten anpassen.“
„Meist wissen Hundehalter intuitiv, wie ihr Hund ist“
Wie finden Halter heraus, welchem Typ ihr Hund angehört?
Eva Birkenholz: „Meist wissen Hundehalter intuitiv, wie ihr Hund ist, weil sie ihn gut kennen. Sie können die Grundtendenz erkennen. Es ist jedoch wichtig zu akzeptieren, dass Hunde sich in verschiedenen Situationen unterschiedlich verhalten können, und das ist völlig in Ordnung.“
André Vogt: „Richtig. Oft gibt es spezifische Situationen, die das Verhalten eines Hundes beeinflussen. Wenn man an einem bestimmten Verhalten arbeiten möchte, sollte man verschiedene Trainingsansätze nutzen, die zur Situation passen.“
Könnt ihr ein Beispiel für solch eine Situation nennen?
Eva Birkenholz: „Nehmen wir an, das Klingeln an der Tür führt zu Aufregung. Ist der Hund sensibel, braucht er vielleicht mehr positive Bestärkung für das gewünschte Verhalten, während ein Draufgänger eine andere Herangehensweise erfordert. Es ist wichtig, das Training entsprechend anzupassen.“
Kommt es dadurch vor, dass Menschen Ratschläge, die sie etwa im Internet finden, versuchen umzusetzen, obwohl sie gar nicht zu ihrem Hund passen?
Eva Birkenholz: „Definitiv! Oft googeln Leute Lösungen für Probleme und landen bei unpassenden Ratschlägen, die nicht zu ihrem Hund oder ihrer Situation passen. Man sollte die Probleme nicht nur nach Rasse oder Symptomen bewerten, sondern den spezifischen Kontext betrachten.“

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„Es gibt keine festen Regeln, wer nicht zu wem passt“
Gibt es Hundetypen oder Menschentypen, von denen ihr denkt, dass sie nicht gut zusammenpassen?
André Vogt: „Es gibt keine festen Regeln, wer nicht zu wem passt. Gelegentlich gibt es Konstellationen, die herausfordernder sind, aber sowohl Hunde als auch Menschen können sich anpassen. Das Training ist auch eine Selbsterfahrung für den Halter, und es geht darum, die Verhaltensweisen zu reflektieren.“
Eva Birkenholz: „Beispielsweise, wenn ein ungeduldiger Mensch einen sehr gemächlichen Hund hat, kann das in der Beziehung Frustration erzeugen. Wichtig ist, dass wir lernen, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Eigenschaften des Hundes zu verstehen und darauf einzugehen.“
André Vogt: „Es ist uns besonders wichtig, eine gesunde Beziehung zwischen Hund und Halter aufzubauen und den Halter in seiner Rolle als Führungsfigur zu stärken. Der Hund ist ein Lebewesen, das Führung braucht, und es liegt an uns, ihm eine klare Orientierung zu geben, damit er ein glückliches Leben führen kann.“