
22. Januar 2025, 12:11 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Kaum eine Marke für Hundegeschirre ist so bekannt wie „Curli“. Vor allem Halter kleiner Hunderassen greifen oft auf die Produkte des Schweizer Herstellers zurück. Doch was dabei die Wenigsten wissen: Die Technik hinter den Produkten stammt aus dem Bergwandersport. Im Rahmen der „Top-Leaders“-Reihe sprach PETBOOK mit CEO Roland Primus über die Entstehungsgeschichte der Marke und warum Curli nur Geschirre, aber keine Halsbänder herstellt.
Wer einen kleinen Hund besitzt und nach einem hochwertigen und gut sitzenden Geschirr sucht, kommt um die Marke „Curli“ nicht herum. Das Schweizer Unternehmen stellt seit 2010 Hundegeschirre her und steckt viel Aufwand in die Fertigung und den Test der Produkte. Doch das ist den wenigsten Verbrauchern wirklich bewusst. Viele schätzen die Geschirre vor allem wegen ihrer guten Passform und der vielen bunten Designs. Dass dahinter eine ganze Philosophie steckt, die Hundebesitzern helfen möchte, eine Vertrauensbindung mit ihren Hunden aufzubauen, wird erst auf den zweiten Blick erkennbar. Warum dies auch der Grund ist, dass Curli niemals Halsbänder herstellen wird, verrät CEO Roland Primus im Interview.
Ein Hundegeschirr ist wie ein Kleidungsstück
PETBOOK: Herr Primus, Curli-Geschirre sind preislich eher im höheren Segment. Viele Hundehalter fragen sich vor allem bei den kleinen Geschirren, warum man so viel Geld ausgeben sollte.
Roland Primus: „Unsere Produkte sind preiswert im Sinne von ‚ihren Preis wert‘. Wir legen großen Wert auf Qualität, Funktion und Langlebigkeit. Ein billiges Produkt senkt den Preis auf Kosten der Qualität, während ein teures Produkt aus unserer Sicht seinen Wert nicht rechtfertigt.
Wir positionieren uns bewusst so, dass unsere Kunden für den Preis ein hochwertiges und zuverlässiges Produkt erhalten. Natürlich gibt es günstigere Produkte oder Plagiate, die oft unsere Designs kopieren, aber diese können in der Regel weder in Qualität noch in Funktion mithalten.“
Ich wurde auf die Marke aufmerksam, da ich selbst einen Hund habe. Gerade bei kleinen Rassen ist es nicht einfach, gut sitzende Geschirre zu finden. Dabei gibt es unzählige Anbieter und Produkte auf dem Markt. Was unterscheidet Curli von anderen?
„Es gibt mehrere Faktoren, die unsere Geschirre einzigartig machen. Zunächst sollten wir uns bewusst sein, dass ein Hundegeschirr im Grunde eine Kombination aus einem Kleidungsstück und einem funktionalen Zubehör ist. Es muss gut sitzen und gleichzeitig Kräfte aufnehmen können – ähnlich wie ein Klettergurt.
Curli unterscheidet sich vor allem durch einen präzisen Schnitt. Dieser sorgt dafür, dass das Geschirr optimal an den Hundekörper angepasst ist. Man könnte es mit einem perfekt sitzenden Anzug vergleichen: Ein hochwertiger Schnitt macht den Unterschied.“
Diesen Vergleich höre ich zum ersten Mal. Können Sie das konkretisieren?
„Die Qualität eines Geschirrs hängt stark von zwei Aspekten ab: der Passform und der Funktionalität. Der Schnitt bei Curli ist so gestaltet, dass er sowohl bequem sitzt als auch die Kräfte optimal verteilt, wenn der Hund an der Leine zieht. Hinzu kommen innovative Lösungen, etwa bei der Befestigung der Leine oder den Verschlüssen. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Produktionsqualität, insbesondere die Toleranzen.“
Was genau meinen Sie mit Toleranzen?
„Toleranzen beziehen sich auf die Genauigkeit in der Produktion. Wenn Sie zum Beispiel ein Sweatshirt tragen, sind die Ärmel wahrscheinlich nicht exakt gleich lang – das fällt aber meist nicht auf. Bei größeren Abweichungen, etwa 15 bis 20 Prozent, beginnt ein Kleidungsstück jedoch unangenehm zu sitzen oder falsch zu fallen.
Für Hundegeschirre bedeutet das: Wenn die Toleranzen bei der Produktion nicht genau eingehalten werden, passt das Geschirr nicht richtig, es verrutscht oder ist unbequem. Bei Curli legen wir größten Wert darauf, diese Abweichungen so gering wie möglich zu halten.“
Für den Schnitt der Geschirre wurden 1200 Hunde vermessen
Wie entsteht eigentlich ein Schnittmuster für einen Hund? Wer macht das, und wie wird es angefertigt?
„Ein Schnittmuster für Hunde entsteht ähnlich wie bei Menschen, allerdings mit einem anderen Fokus. Bei uns steht die Funktion im Vordergrund, also die Fähigkeit des Geschirrs, Kräfte aufzunehmen.
Der Prozess beginnt mit der Vermessung von Hunden. Dabei werden zentrale Parameter wie Brustumfang, Rückenlänge und Bauchlänge erhoben. Diese Daten dienen als Grundlage, um eine mathematische Formel zu entwickeln, die für eine breite Hundepopulation den besten Kompromiss zwischen Passform und Funktion bietet. Das Schnittmuster wird dann so skaliert, dass es für verschiedene Größen optimal passt.“
Wie viele Hunde mussten Sie denn für so ein Schnittmuster vermessen?
„Insgesamt etwa 1200 Hunde.“
Wo kamen die alle her?
„Wir haben etwa 210 Hunde direkt gemessen. Zusätzlich haben wir über ausgewählte Hundehalter und Fragebögen mit Messanleitungen weitere Daten gesammelt.“
Und werden diese Messungen regelmäßig aktualisiert?
„Ja, vor allem bei neuen Produktentwicklungen. Wenn sich beispielsweise Trends in der Hundepopulation ändern – etwa, wenn eine Rasse wie die Französische Bulldogge plötzlich sehr populär wird – passen wir die Schnittmuster an. Auch bei neuen Stoffen, die sich unterschiedlich dehnen oder verschieben, sind Anpassungen nötig.“
„Mit den Hundegeschirren, die es gibt, würden wir nie in die Berge gehen“
Hunde gibt es ja in vielen verschiedenen Größen und Körperformen – ein Dackel hat einen ganz anderen Schnitt als ein Husky oder eine Bulldogge. Wie geht man mit dieser Vielfalt um?
„Das Geheimnis liegt in der Datenauswertung. Wenn wir Hunde vermessen, erkennen wir anhand der Daten mathematische Regeln. Diese zeigen uns, wo Sprünge oder Veränderungen in den Größenverhältnissen auftreten – etwa zwischen Rückenlänge, Brustumfang und Bauchlänge.
Wir entwickeln einen Größenschlüssel, der genau diese Unterschiede berücksichtigt. Die Kunst liegt darin, Schnittmuster zu schaffen, die diese Verhältnisse optimal auffangen und den besten Kompromiss zwischen Passform und Funktion für jede Hundekörperform bieten.“
Das bedeutet, obwohl die Körperformen von, sagen wir, Zwergspitz und Dackel unterschiedlich sind, könnte dasselbe Geschirr beiden Hunden passen, wenn sie etwa gleich groß sind?
„Genau. Der Fokus auf den Brust- und Schulterbereich sorgt dafür, dass die Geschirre auch bei unterschiedlichsten Körperformen gut sitzen.“
Wie entstand eigentlich die Idee zu den Geschirren?
„Die Ursprungsidee stammt von Mark Zimmermann, einem Geschäftspartner von mir, der einen Hund hatte. Wir kommen ursprünglich aus dem Bergsport und tragen selbst Klettergurte. Eines Tages sagte er: ‚Mit den Hundegeschirren, die es gibt, würden wir nie in die Berge gehen.‘
Diese Aussage hat uns inspiriert. Aus unserer eigenen Erfahrung mit Klettergurten wussten wir, wie wichtig Passform und Bewegungsfreiheit sind. So entstand die Idee, ein Hundegeschirr zu entwickeln, das den gleichen hohen Ansprüchen gerecht wird. Es war ein Bedürfnis, etwas besser zu machen, weil das vorhandene Angebot einfach nicht überzeugte.“
Eine Schnalle wird im Test 4000-mal geöffnet und geschlossen
Bei Curli fällt auf, dass Geschirre und Leinen sehr leicht sind. Hat das auch mit der Orientierung an Bergwander- oder Kletterausrüstung zu tun?
„Absolut. Unsere Erfahrung aus dem Bergsport hat uns gelehrt, wie wichtig Leichtigkeit ist. Man sagt auch: ‚Performance is key, but stupid light is dangerous.‘ Das bedeutet, dass man Gewicht sparen sollte, jedoch ohne Sicherheit und Funktion zu kompromittieren.
Ein Beispiel: Bei unseren Geschirren werden die Gurtbänder in die Nähte eingenäht, anstatt flächig aufgenäht zu werden. Diese Methode ist stabiler und stammt direkt aus unserer Erfahrung mit Bergsportausrüstung.“
Ich habe gehört, dass die Geschirre auch strengen Tests unterzogen werden …
„Ja, wir führen umfassende Tests durch. Wir prüfen etwa, wie viel Kraft jede Komponente – Naht, Gurtband, Stoff und Schnalle – aushält. Ein gutes Design erreicht ein Gleichgewicht: Alle Teile haben eine ähnliche Festigkeit, damit nicht das schwächste Glied das gesamte Produkt gefährdet. Darüber hinaus simulieren wir Langzeitnutzung. Eine Schnalle wird beispielsweise 4000-mal unter wechselnden Bedingungen wie Hitze, Kälte und UV-Strahlung geöffnet und geschlossen – das entspricht etwa fünf Jahren täglicher Nutzung.“
Sind solche Tests gesetzlich vorgeschrieben, oder ist das Ihr eigener Anspruch?
„Das ist unser eigener Anspruch.“
Warum erfährt der Kunde nichts davon? Wäre das nicht ein gutes Verkaufsargument?
„Das ist eine Gratwanderung. Einerseits möchten wir die Philosophie hinter unseren Produkten nicht zu sehr preisgeben, damit Mitbewerber uns nicht einfach kopieren. Andererseits sind solche Tests teuer. Wir setzen darauf, dass die Qualität unserer Produkte den Kunden überzeugt, auch ohne explizite Werbung dafür.“
Eine Rollleine war das erste Produkt von curli
Offen gesagt, hatte ich mich damals für Curli entschieden, weil es eine große Farbauswahl gibt. Ist das bei vielen Kunden ein entscheidender Faktor?
„Absolut, das ist ein wichtiger Punkt. Ein Geschirr muss sich im Grunde dreimal verkaufen: Das erste Mal, wenn es durch seine Optik – wie etwa die Farbe – ins Auge fällt. Das zweite Mal, wenn der Kunde es kauft und von der Qualität überzeugt ist. Und das dritte Mal, wenn er das Geschirr weiterempfiehlt oder selbst ein weiteres kauft, weil es sich in der Praxis bewährt hat.“
Was war eigentlich das erste Produkt von Curli?
„Eine Rollleine – also eine Leine, die sich per Knopfdruck aufrollt. Daher stammt auch der Name ‚Curli‘“
Die gibt es aber nicht mehr, oder?
„Nein, wir haben uns auf Geschirre spezialisiert und uns bewusst in diese Nische begeben. Zwar haben wir auch Leinen im Angebot, aber die Rollleine war nicht unser Fokus. Produkte wie Rollleinen erfordern ein Maß an Spezialisierung, das wir lieber anderen Experten wie Flexy überlassen.“
Welches Produkt läuft am besten?
„Unser Hauptprodukt sind Geschirre, vor allem für kleine bis mittelgroße Hunde. Diese Zielgruppe ist auch zahlenmäßig die größte, da es einfach mehr kleine Hunde gibt als große. Allerdings sehen wir bei Geschirren für mittelgroße bis große Hunde derzeit einen starken Zuwachs. Leinen werden ebenfalls immer beliebter, besonders in Kombination mit unseren Geschirren.“

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Unsere Philosophie ist es, Produkte zu entwickeln, die primär dem Hund guttun
Curli gibt es schon seit über zehn Jahren. Welche Trends konnten Sie in dieser Zeit beobachten und gibt es neue Produkte oder Entwicklungen, die bald auf den Markt kommen?
„Seit unserer Gründung 2010 hat sich der Markt stark verändert, und Geschirre haben zunehmend an Bedeutung gewonnen – auch bei größeren Hunden. Wir haben dieses Jahr sechs neue Produkte eingeführt und arbeiten kontinuierlich an Innovationen.
Derzeit konzentrieren wir uns darauf, neue Technologien in der Verarbeitung von Stoffen und Nähten einzuführen. Außerdem entwickeln wir neue Ansätze für die Nutzung von Leinen. Ein weiterer Fokus liegt darauf, unsere durchgehenden Größenschlüssel weiterzuentwickeln – ein Konzept, das uns von der Konkurrenz unterscheidet.
Unsere Produkte sind alle patentiert, um unsere Innovationen zu schützen. Das ist wichtig, weil wir oft Nachahmer haben, die unsere Ideen ohne den gleichen Entwicklungsaufwand kopieren. Aber wir bleiben dran, um weiterhin die besten Lösungen für Hunde und ihre Halter zu bieten.“
Warum gibt es eigentlich keine Halsbänder von Curli?
„Zu Beginn hatten wir das Bedürfnis, auch Halsbänder anzubieten. Doch in Gesprächen mit Tierärzten und durch unsere Beschäftigung mit der Anatomie des Hundes haben wir erkannt, dass Halsbänder oft schädlich sind. Gerade im Halsbereich liegen viele empfindliche Drüsen, Arterien und Venen. Halsbänder üben Druck aus, der Stress und gesundheitliche Probleme verursachen kann.
Unsere Philosophie ist es, Produkte zu entwickeln, die primär dem Hund guttun. Ein Halsband erfüllt diese Voraussetzung aus unserer Sicht nicht, daher haben wir entschieden, keines anzubieten.“