24. Oktober 2024, 16:01 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Auch Hunde spielen als Klimasünder mittlerweile eine erhebliche Rolle. Denn kaum eine Industrie ist so umweltbelastend wie die Fleischindustrie. Wie aber kann man den Hund klimafreundlicher ernähren?
Je nach Größe und dem Fleischgehalt ihrer Futterrationen fressen Hunde bis zu 160 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Da rund 10,3 Millionen Hunde in deutschen Haushalten leben, nimmt der ökologische Pfotenabdruck bedenkliche Ausmaße an.1 Doch was tun? Den Hund vegan ernähren? Immer häufiger stellen sich Halter die Frage, welche Liebe größer ist – die zum Hund oder die zur Umwelt?
Vielleicht gibt es aber auch eine ganz andere Lösung. Auf der Suche nach alternativen tierischen Proteinquellen sind Futtermittelhersteller auf Insekten wie Hermetia illucens (Schwarze Soldatenfliege) und Tenebrio molitor (Mehlwürmer) gestoßen. Dabei hat man festgestellt, dass Insekten hochwertiges Protein und viele weitere Nährstoffe enthalten. Zudem ist Insektenzucht sehr viel nachhaltiger als industrielle Massentierhaltung. Sind Insekten daher das nachhaltige Hundefutter der Zukunft?
Übersicht
Ist Hundefutter aus Insekten gut für das Tier?
Hunde brauchen essenzielle Aminosäuren, die sie über das Futter erhalten. Ob diese vom Rind oder vom Mehlwurm stammen, ist ihrem Körper egal. Auf die ausreichende Menge kommt es an. Wichtig ist auch, wie effizient die Nährstoffaufnahme in den Hundeorganismus ist. Diese biologische Wertigkeit soll bei Insekten bei 85 % liegen. Insekten versorgen den Hund zudem mit vitalen ungesättigten Fettsäuren und auch der essenziellen Fettsäure Linolsäure. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Insektenfutter keine Antibiotika enthalten. Die „Stiftung Warentest“ hat Insektenfutter für Hunde getestet und fällt ein positives Urteil.2
Auf Nachfrage von PETBOOK erklärt Charlotte Granobs von der „Stiftung Warentest“, dass laut ihren Tests der Großteil der zehn getesteten Insektenfutter gut abgeschnitten habe. „Wir haben uns im Test sieben Trockenfutter und drei Nassfutter angeschaut, die jeweils Insektenprotein enthalten. Hierbei konnten die Trockenfutter tatsächlich mit so einem Standard-Trockenfutter für Hunde gut mithalten. Sechs von den sieben schnitten im Test mit ‚sehr gut‘ ab.“ Demnach versorgten diese die Hunde von Vitamin A bis Zink mit allem, was die Tiere so brauchten. Allerdings hätten drei Nassfutter mit Insektenprotein im Test nicht gut abgeschnitten. „Die waren im Schnitt alle mangelhaft. Daher können wir die nicht empfehlen.“
Hundefutter aus Insekten für Allergiker-Hunde
Vor allem für sensible Vierbeiner, die unter Allergien oder Futtermittelunverträglichkeiten leiden, kann diese exotische Proteinquelle die Lösung ihrer Probleme sein. Meist ist ein herkömmliches Protein vom Rind oder Huhn für die Allergie des Hundes verantwortlich. Zudem bewerben viele der Hersteller, dass das Futter aus Insektenprotein hypoallergen sei, das heißt, es weist ein geringes Allergiepotenzial auf, weil der Hund zuvor bisher nicht mit Insektenprotein in Berührung gekommen ist. Die Umstellung kann schrittweise erfolgen.3
„Tatsächlich ist die Verträglichkeit – also, das, womit Insektenfutter ja beworben werden – recht gut“, ordnet Charlotte Granobs von der „Stiftung Warentest“ im Gespräch mit PETBOOK das Insektenfutter ein. Allerdings müsse eine Sache klargestellt werden, betont sie.
„Prinzipiell kann jedes pflanzliche und tierische Protein theoretisch Allergien auslösen – auch bei Hunden.“ So auch die Proteine aus Insekten.
„Das heißt, die Futter sind nicht hypoallergen, auch wenn viele das immer so bewerben. Das stimmt nicht. Aber allergisch reagieren kann man nur auf etwas, mit dem man schon mal in Berührung gekommen ist.“ Daher könne das Futter – zumindest anfangs – von empfindlichen Hunden gefressen werden. Allerdings könnten Allergikerhunde durchaus eine Allergie gegen das Futter entwickeln, erklärt Granobs.
Ist Insektenfutter gut für die Klimabilanz?
Dem Hund Insektenfutter zu geben, schlägt sich positiv bei der Klimabilanz nieder. Vergleicht man z. B. Mehlwürmer in der Züchtung, Haltung und Verarbeitung mit Rindern, stellt man fest, dass sie nur einen Bruchteil an Ressourcen wie Wasser, Futter und Platz benötigen. Dadurch sind auch die CO₂-Emissionen deutlich geringer. Verursacht die Produktion von einem Kilogramm Protein aus Rindfleisch bis zu 175 Kilogramm Treibhausgas, erzeugt man für die Produktion von einem Kilogramm Insektenprotein nur 14 Kilogramm. Auch die Bodenverschmutzung bzw. die Gülle, die ins Grundwasser geht, ist bei Rindern, Schweinen und Geflügel erheblich. Die Ausscheidungen der Tiere setzen große Mengen Stil Ammoniak ( NH3) frei. Pro Kilogramm zugenommenes Körpergewicht verursachen Schweine 1140 Milligramm NH3, Insekten nur 1 Milligramm NH3.4
Der einzige Nachteil bei der Erzeugung von Insektenfutter ist der erhöhte Energieaufwand. Manche der Insekten brauchen nämlich eine konstante Temperatur von 30 Grad Celsius (Mehlwürmer vertragen es hingegen kühl). 5 Will der Hersteller sich die Kosten für das Heizöl sparen, kann er z. B. die Abwärme einer anderen Fabrik nutzen. Die Verbraucher werden es ihm danken, wenn die exorbitanten Heizölkosten nicht auf das Produkt umgeschlagen werden müssen.6
Die Sache mit den Schlachtabfällen
Ganz so klar sieht die „Stiftung Warentest“ die Nachhaltigkeitsfrage aber nicht beantwortet, erklärt Charlotte Granobs. „Das ist ziemlich schwer zu vergleichen.“ Zwar sei der CO₂-Fußabdruck von Insekten deutlich kleiner als der von Rind oder Geflügel. Aber die Insekten, die ins Futter kommen, müssten extra für diesen Zweck gezüchtet werden. „Bei normalem Trockenfutter wird ganz viel verwendet, was bei der Lebensmittel- und Fleischproduktion für den Menschen ohnehin abfällt. Beispielsweise tierische Nebenprodukte. Dafür wird nicht extra ein Tier geschlachtet, bei den Insekten dagegen schon.“
Noch sei der Fleischkonsum in Europa dermaßen hoch, dass man gar keine eindeutige Antwort dazu treffen könne, ob der Fleischanteil in gewöhnlichem Trockenfutter – der meist aus Schlachtabfällen bestehe, so schwer aufwiegt. „Noch kann man gar nicht sagen, ob die insektenbasierten Futter jetzt wirklich besser sind, weil es einfach so viele Schlachtnebenprodukte gibt.“
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Worauf sollte man beim Insektenfutter für den Hund achten?
Worauf man auf jeden Fall achten sollte, ist die Zusammensetzung des Insektenfutters. So kann es nämlich vorkommen, dass der Insektenanteil gering ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Bezeichnung als „Hundefutter auf Insektenbasis“ deklariert ist. Auch Tierärztin Dr. Vanessa Herder würde Insektenfutter für Hunde nicht pro forma ausschließen, wie sie gegenüber PETBOOK erklärt. Das Problem sei ihrer Meinung oft ein ganz anderes.
„Ich kenne Hundebesitzer, die ihre Hunde gerne auf Insektenfutter umstellen würden, doch ist es den Besitzern bisher nicht gelungen, die Hunde davon zu überzeugen, Insektenfutter zu fressen. Die Hunde haben das Insektenfutter immer verweigert.“ Daher ihr Tipp: Im Zweifelsfalls könnte man versuchen für diese wählerischen Hunde zunächst Fleisch und Insektenfutter zu mischen, um die Hunde daran zu gewöhnen.7