13. August 2024, 6:04 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ich bin so oft gefragt worden: „Warum nimmst du keinen Hund aus dem Tierschutz?“ Allein der Unterton, in dem die Frage gestellt wird, macht mich wütend, denn der ist oft vorwurfsvoll und anklagend. Im nächsten Moment folgt ein Monolog darüber, wie toll und dankbar Hunde aus dem Tierschutz sind und wie schlecht Rassehunde, die seien alle überzüchtet und krank. Ich sehe die Sache aber komplett anders.
Erst kürzlich hatte ich eine Begegnung mit jemandem, der stolz darauf war, zwölf Hunde aus dem Tierschutz zu haben. Er erzählte mir von seinem Engagement für einen Verein und dass er regelmäßig ins Ausland fliege, um die Tiere Hunde nach Deutschland zu holen. Das sei sein Herzensprojekt.
Ich habe dazu nichts gesagt, obwohl ich eine andere Meinung dazu vertrete. Er hingegen schaute auf meinen Australian Shepherd und sagte: „Ich finde es nicht richtig, dass Leute sich Australian Shepherds kaufen. Das sind Arbeitshunde. Die werden verhaltensauffällig, wenn man die nicht beschäftigt.“ Fein. Ich finde, dass Leute, die zwölf Hunde halten mal darüber nachdenken sollten, ob das nicht schon Animal Hoarding ist.
Der Tierschutz ist mir unsympathisch geworden
Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich bin selbst Tierschützer. Bei mir war’s der Klassiker: Als Jugendliche habe ich im Tierheim gearbeitet. Richtig krass wurde es, als ich als Journalistin mit Tierschützern und Organisationen wie Peta zusammengearbeitet habe. Jeder, der Tierschutz ernsthaft betreibt, weiß, wie sehr man sich in Gefahr begibt, wenn es darum geht, Tierquälern das Handwerk zu legen.
Aber seit der Tierschutz so massiv von selbst ernannten Gutmenschen unterwandert wird, ist er mir unsympathisch geworden. In Deutschland nimmt der Tierschutz Einfluss auf die Politik. Einige Ansätze sind gut und richtig. Man sollte auf jeden Fall Qualzuchten und damit Rassen wie Französische Bulldoggen oder Möpse verbieten. Gleichzeitig darf man nicht zulassen, dass Rassen Qualzuchtmerkmale angedichtet werden, die gar keine sind. Damit meine ich etwa die Merle-Farbe bei Australian Shepherds. An dem Verbot der Rassehundezucht wird von Organisationen wie Peta seit Jahren gearbeitet. Das ist ideologische Verblendung, die an der Lebensrealität der Menschen komplett vorbeigeht.
Immer weniger Menschen sind in der Lage, vernünftig mit Hunden umzugehen
Wenn Menschen weiter Hunde halten wollen, müssen das mehrheitlich Vierbeiner sein, die nicht zu anspruchsvoll sind. Wir leben nun mal in einer Welt, in der immer weniger Menschen dazu in der Lage sind, vernünftig mit Hunden umzugehen und sie zu verstehen. Wir kommen nicht mal mit uns selbst und unseresgleichen klar, wie sollen wir da erst mit einer fremden Art zurechtkommen?
Davon abgesehen bin ich nicht bereit, mir von selbst ernannten Tierschützern vorschreiben zu lassen, dass keine Rassehunde mehr gehalten und gezüchtet werden dürfen. Wir leben nun mal in einer Welt, in der es keine Natur mehr gibt, sondern in der alles von Menschen gesteuert wird. Wenn man die Hunde-Population verringern möchte, weil die Tierheime voll sind, sollte man erst mal kontrollieren, woher die Hunde kommen, die dort abgegeben werden. Man wird feststellen, dass diese mehrheitlich von Vermehrern stammen und/ oder aus dem Ausland.
Kriminelle unter dem Deckmantel des Tierschutzes
Zum Beispiel werden seit Jahrzehnten von sogenannten Tierschutzorganisationen gezielt Welpen für den deutschen Markt produziert. Da ruft man als Interessent an, sagt, man möchte einen Hund aus dem Tierschutz und wird gefragt: „Was willst du haben? Wir besorgen dir alles, was du willst!“
Dann gibt es Kriminelle, die unter dem Deckmantel des Tierschutzes Flugpaten suchen, 600 Euro für einen Hund aus dem Ausland kassieren und so das Geschäft ihres Lebens mit dem Mitleid der Menschen machen. Impfpässe und sämtliche Papiere sind gefälscht, weil man gute Kontakte zu Tierärzten und Behörden hat. Das sind keine Einzelfälle.
Es darf nicht das Ziel sein, so viele Hunde wie möglich aus dem Ausland zu holen
Natürlich gibt es Gegenbeispiele von Vereinen und Privatpersonen, die es gut meinen. Trotzdem ist „gut gemeint“, aber oftmals „schlecht gemacht“, weil nicht jeder Straßenhund für ein Leben in Deutschland geeignet ist und nicht jeder Hundekäufer sachkundig genug.
Deshalb verstehe ich nicht, warum echte Tierschützer nicht in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe in dem jeweiligen Land leisten. Aus meiner Sicht sollte man weiter daran arbeiten, die Bevölkerung vor Ort aufzuklären und politisch Einfluss zu nehmen. Nur so kann man Hunden langfristig helfen. Es darf nicht das Ziel sein, so viele Hunde wie möglich aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. So wird man die Probleme vor Ort nie lösen.
Hier müssen Verbote ausgesprochen werden, statt seriöse Zuchten zu verbieten, die ihre Hunde im Notfall wieder bei sich aufnehmen. Diese Maßnahme wird maßgeblich dazu beitragen, Tierheime zu entlasten. Parallel sollten Gelder dafür aufgewendet werden, Menschen schon im Kindergarten und in der Schule darüber aufzuklären, welche Bedürfnisse Hunde haben und wie groß die Verantwortung ist, die man als Hundehalter in dieser Gesellschaft zu tragen hat.
Anmerkung: Dieser Text erschien am 12. Juli 2024 in anderer Fassung und wurde von der Autorin noch einmal überarbeitet und ergänzt.
Zucht zu hinterfragen, ist legitim
„Jedes Jahr nehmen die deutschen Tierheime über 75.000 Hunde neu auf. Tiere, die unüberlegt angeschafft wurden und nicht mehr gewollt sind, die aus schlechter Haltung kamen oder deren Besitzer verstarben. Daher ist die Frage, ob weiterhin tausende Hunde gezüchtet werden müssen, legitim.
Ja, Tierheimhunde haben eine Vorgeschichte – sie aber als ‚schwierig‘ abzustempeln, wird den vielen tollen und einzigartigen Tieren nicht gerecht. Straßentieren aus dem Ausland sollte in erster Linie vor Ort geholfen werden. Nicht jeder Hund eignet sich für ein Leben im Privathaushalt. Beim Import braucht es für eine erfolgreiche Vermittlung eine Vorauswahl der Tiere hinsichtlich Gesundheit und Verhalten. Zudem sollten sich Mensch und Hund vor der Adoption kennenlernen und die Tierschützer weiter als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Am Ende trifft die Entscheidung über Adoption oder Kauf jeder für sich. Dafür, dass ein Rassehund vom Züchter gesund oder ‚weniger anspruchsvoll‘ ist, gibt es aber auch keine Garantie.“
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Nachtrag der Autorin
Für Tierschützer ist es schwer zu verstehen, dass Menschen möglicherweise andere Lebensentwürfe haben als sie selbst. Diese Erfahrung habe ich erneut gemacht, nachdem dieser Beitrag veröffentlicht worden ist. Es hagelte Kritik und massive Beleidigungen. Das hat mich in keiner Weise überrascht. Denn ich arbeite seit über 30 Jahren mit dem Tierschutz zusammen und kenne meine „Pappenheimer“. Dass diese inzwischen noch aggressiver geworden sind, weil sie im Netz anonym auftreten können, war vorauszusehen.
In meinem Beitrag habe ich die Intoleranz und Censor Culture mancher Tierschützer kritisiert. Es hat eine gewisse Ironie, dass sich die Empfänger meiner „Botschaft“ anschließend genauso verhalten haben, wie von mir zuvor beschrieben. Sogar Videos von rumänischen Sheltern wurden mir geschickt. Ich könnte jetzt mal wieder einen Beitrag schreiben nach dem Motto „Augen auf beim Auslandstierschutz“, dieser ist nämlich ein riesiges Business. Darüber kann man etliche Geschichten erzählen, die nichts mit der „Rettung“ von Straßenhunden zu tun haben. Diese habe ich daher noch einmal im Text ergänzt.
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