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Nachgeforscht

Können Hunde „rassistisch“ sein? Verhaltensbiologin gibt Antwort

Schäferhund, bellt und droht einem Menschen
Manche Hunde reagieren auf Menschen mit bestimmten Merkmalen aggressiv – vor allem, wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Aber können Hunde auch rassistisch sein? Foto: scooby53/Getty Images
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

17. Januar 2024, 15:12 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Manche Hunde haben Angst vor Männern, andere vor Personen mit bestimmten Körpermerkmalen. Meist liegt dies an schlechten Erfahrungen, die die Tiere im Jugendalter machen. Aber können Hunde auch rassistisch sein? Diese Behauptung hört oder liest man immer wieder. PETBOOK-Redakteurin und Verhaltensbiologin Saskia Schneider ist dieser Frage auf den Grund gegangen.

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Im Jahr 1982 gab es einen Horrorfilm namens „White Dog“. Darin attackierte und tötete ein weißer Schäferhund explizit Menschen mit dunkler Hautfarbe. Die US-amerikanische Filmproduktionsgesellschaft Paramount Pictures fand den Film so verstörend, dass sie seine Veröffentlichung für zehn Jahre blockierte. Tatsächlich steckt in der Geschichte ein wahrer Hintergrund. So gab es zur Zeit der Postkolonialisierung in Südafrika Hunde, die gezielt darauf abgerichtet wurden, Menschen mit dunkler Hautfarbe zu attackieren oder zu vertreiben. Sie sollten die Häuser der mittlerweile „weißen Minderheit“ bewachen. In einem Artikel des Fachmagazins „History Workshop Journal“ heißt es, die Tiere wurden „zu Rassisten gemacht“. Aber können Hunde wirklich rassistisch sein?

Wie ist Rassismus definiert?

Unter Rassismus versteht man im Allgemeinen eine entsprechende Einstellung, Denk- und Handlungsweise gegenüber Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen. Reagiert ein Hund auf Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe mit Aggression oder Angst, könnte man dies also schon als „rassistisch“ bezeichnen, denn in diesem Moment, hat der Hund die Einstellung, dass von Menschen mit diesen Merkmalen eine gewisse Gefahr ausgeht.

Tatsächlich berichten Besitzer immer mal wieder davon, dass ihr Hund etwa Personen mit Cappys, langen Mänteln oder eben auch Menschen mit dunkler Hautfarbe anbellt oder anknurrt. Ein recht interessanter Fall machte 2019 in den US-amerikanischen Medien die Runde. Darin ging es um einen rassistischen Schäferhund in Collierville, einer Stadt im Südwesten des US-Bundesstaats Tennessee.

Auch interessant: So zeigen Hunde, dass sie sich bedroht fühlen

Der rassistische Hund von Tenessee

Der Hund namens Caesar gehörte dem Pfarrer Reverend Jacek Kowal. Dieser hatte für sein Pfarrhaus eine Reinigungskraft eingestellt, die „weiß“ war, heißt es in einem Artikel der „Washington Post“. Als diese das Reinigungsunternehmen verließ, übernahm LaShundra Allen den Job, eine Afroamerikanerin. Allerdings versperrte ihr die Sekretärin des Pfarrers bereits am ersten Arbeitstag den Zugang zum Pfarrhaus mit der Begründung „Vater Jacek’s Hund sei ein wenig rassistisch.“

Allen schickte daraufhin eine Beschwerde wegen rassistischer Diskriminierung an die Diözese Memphis. Nach mehrwöchiger Überlegung antworteten sie, dass dies kein Fall von Diskriminierung sei, sondern zu Allens Sicherheit, da der Hund nach Ansicht der Kirche tatsächlich „rassistisch und speziell feindselig gegenüber Schwarzen“ sei.

Können Hunde rassistisch sein? Das sagt die Wissenschaft

Ist es möglich, dass Hunde Vorurteile gegenüber einer bestimmten Menschengruppe entwickeln können? Dieser Frage nahmen sich über die Jahre mehrere Forscher an. Eine der neuesten Studien zu diesem Thema stammt von Carlee Beth vom Fachbereich Psychologie an der University of Illinois Springfield.

Hawkins und ihre Co-Autorin Alexia Jo Vandiver stellten die These auf, dass Hunde nicht von Geburt an eine bestimmte „Rasse“ nicht mögen. Vielmehr liege das Problem bei ihren Bezugspersonen, die möglicherweise bewusste oder unbewusste rassistische Einstellungen haben. Dies könnten die Hunde spüren und auf entsprechende Personen dann reagieren.

Um ihre These zu beweisen, analysierten die Forscherinnen Daten aus einer Online-Befragung von 2439 Hundebesitzern, die sich selbst als „weiß“ bezeichneten, und 201 afroamerikanischen Hundebesitzern.

Verhalten der Hunde hängt von dem ihrer Besitzer ab

Das Ergebnis der Studie war wenig überraschend. So berichteten die Befragten, die sich selbst als „weiß“ bezeichneten, dass ihre Hunde mehr positives Verhalten gegenüber anderen „weißen Personen“ und mehr negatives Verhalten gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe zeigten. Bei Hundebesitzern, die Personen mit anderer Hautfarbe eher negativ gegenüber eingestellt waren, war dieser Effekt noch stärker.

Das traf auch auf die Gruppe afroamerikanischer Hundebesitzer zu – obwohl die Stichprobengröße hier nur ein Zehntel der anderen Gruppe betrug. Die Autoren der Studie schließen daraus, dass das Verhalten der Hunde gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe von dem ihrer Besitzer abhängt. Hierfür muss der Besitzer nicht einmal selbst rassistisch sein.

Hunderassismus ist menschengemacht

Wenn eine Person etwa seltener mit Menschen anderer Hautfarbe sozial interagiert – aufgrund von Vorurteilen oder einfach, weil das soziale Umfeld wenig Gelegenheiten dazu bietet – hat auch der Hund wenig Möglichkeit, eine gute Sozialisierung gegenüber dieser ethnischen Gruppe aufzubauen. Dann können die Tiere mit Angst oder Aggression reagieren.

Das kann auch bei anderen Merkmalen geschehen und hat an sich nichts mit Rassismus zu tun. So können Hunde, die selten Männer mit Bärten gesehen haben, in Ermangelung einer Sozialisierung später negativ reagieren, wenn sich ihnen ein bärtiger Mann nähert.

Ebenso kann man Hunde aber auch ein aggressives Verhalten gegenüber Menschen mit bestimmten Körpermerkmalen gezielt antrainieren. Dafür muss der Hund nicht einmal schlechte Erfahrungen mit diesen Personen gemacht haben. Hier reicht schon eine positive Verstärkung des Verhaltens.

Hunde sind keine Rassisten

Das Verhalten von Hunden gegenüber anderen Individuen basiert zum einen auf einer angeborenen inneren Grundlage. Verhaltensbiologen sprechen hier vom „Antrieb“ – Umgangssprachlich könnte man es auch Instinkte nennen. Zum anderen beeinflussen frühere Erfahrungen und individuelle Interaktionen mit anderen Wesen, wie Artgenossen oder Menschen, ihr Verhalten.

Rassismus an sich ist ein soziales Konstrukt. Es beinhaltet voreingenommene Einstellungen, Vorurteile und diskriminierendes Verhalten gegenüber Personen verschiedener Ethnien. Zu solchen komplexen Gedanken-Konstrukten sind Hunde schlicht nicht in der Lage – auch wenn die Tiere in sozialen Strukturen leben und mit ihnen vertraut sind.

Macht ein Hund keine oder negative Erfahrungen mit Menschen einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit, kann das jedoch dazu führen, dass er misstrauisch und sogar aggressiv gegenüber anderen Menschen mit ähnlichen körperlichen Merkmalen wird. Das ist jedoch kein Rassismus, sondern eine konditionierte, also erlernte, Reaktion.

Sind Hunde innerhalb der Art „rassistisch“?

Ähnliche Reaktionen gibt es nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber anderen Hunden. So kann es durchaus sein, dass Tiere, die seltenen oder gar keinen Kontakt zu Artgenossen anderer Hunderassen hatten, auf diese später negativ reagieren.

Häufig ist das bei Hunderassen wie dem Mops oder dem Chow Chow der Fall. Viele Artgenossen begegnen diesen Rassen mit Angst oder Aggression, weil ihnen durch die Zucht das hundetypische Gesicht fehlt. Ihre Schnauzen sind platt oder in so viele Falten gelegt, dass die Mimik dieser Rassen schwerer zu lesen ist.

Es können aber auch andere Körpermerkmale wie Größe oder auch Fellfarbe eine Rolle spielen. So gibt es Hunde, die auf komplett weiße Tiere mit Angst reagieren, wenn sie diese noch nie zuvor gesehen haben.

Frühe Sozialisierung wichtig

Um aggressives oder ängstliches Verhalten gegenüber Menschen oder anderen Hunden mit bestimmten Merkmalen zu verhindern, ist es wichtig, den Hund möglichst früh zu sozialisieren.

Am besten funktioniert das bei Welpen in der sogenannten sensiblen Prägungsphase. In dieser Zeit lernen die Hunde alle für sie relevanten Reize entsprechend zu bewerten. Diese Erfahrungen prägen später ihr Verhalten. Sammeln die Hunde in dieser Zeit viele positive Erlebnisse mit vielen verschiedenen Menschen, werden sie auch als erwachsene Tiere eine freundliche Grundhaltung gegenüber verschiedenen Personen haben.

Aber auch später können Hunde noch lernen, dass von Menschen oder Tieren, die anders aussehen als das, was sie bereits kennengelernt haben, keine Gefahr ausgeht. Allerdings muss man hier aktiv für positive Erlebnisse sorgen. Etwa, indem man die entsprechende Person, vor der der Hund Angst hat, bittet, dem Tier ein Leckerli zuzuwerfen.

Fazit

Die Frage, ob es möglich ist, dass ein Hund „rassistisch“ ist, kann man in gewisser Weise also schon mit „Ja“ beantworten. Insbesondere, wenn seine Bezugsperson explizit oder implizit negative Einstellungen gegenüber Menschen anderer Hautfarbe und Ethnien, oder nur begrenzte Erfahrung im Umgang mit ihnen hat. In diesem Fall orientieren sich Hunde, wie auch Kinder, an dem, was sie in den Handlungen ihrer Bezugspersonen sehen.

Rassismus an sich ist jedoch ein Konzept, was den Tieren fremd ist. Es handelt sich dabei um ein soziales Konstrukt von uns Menschen. Reagiert ein Hund negativ auf andere Personen, liegt dies entweder an mangelnder Sozialisierung, schlechten Erfahrungen oder auch daran, dass der Hund ganz gezielt zu solch einem Verhalten konditioniert wurde.

Quellen

Mehr zum Thema

Weitere Quellen:

Themen Hundeverhalten
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