Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
„Der weiß genau, was er getan hat“

Können sich Hunde schämen? Biologin gibt Antwort 

Nahaufnahme Hund, der einen schuldigen Gesichtsausdruck hat
Dieser schuldige Blick löst bei uns Menschen schnell den Eindruck aus, der Hund würde sich schämen. Aber sind die Tiere wirklich dazu in der Lage? Foto: Getty Images
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

19. Februar 2024, 10:24 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

War ich das etwa? Hunde können mit ihrem Blick schnell den Eindruck erwecken, sie würden sich für das, was sie getan haben, schämen. Aber sind die Tiere wirklich zu so einer komplexen Emotion in der Lage? PETBOOK-Autorin und Verhaltensbiologin Saskia Schneider verrät die Antwort.

Artikel teilen

„Der weiß genau, was er getan hat!“ Das behaupten viele Hundebesitzer von ihrem Vierbeiner, wenn dieser mal wieder etwas angestellt hat. Nur kurze Zeit allein gelassen, wurde in der Abwesenheit von Frauchen und Herrchen eben mal das Sofa-Kissen zerpflückt oder auf den Teppich gepinkelt. Da ist der Ärger groß und während die Besitzer schimpfen sieht man dem Hund das Schuldbewusstsein gerade zu am ganzen Körper an: trauriger Blick, hängender Kopf, geduckte Haltung.

Für viele ist ganz klar: Der Hund schämt sich. Aber ist das wirklich so? Oder projizieren wir da unsere eigenen Moralvorstellungen auf das Tier? PETBOOK ist der Frage, ob Hunde sich schämen können, einmal auf den Grund gegangen.

Was bedeutet es, sich zu schämen?

Als Scham wird ein quälendes Gefühl der Verlegenheit, bezeichnet, das durch Reue, eine Bloßstellung oder durch die Erkenntnis des eigenen Versagens entsteht. Aber auch, wenn wir etwas Unanständiges, Unehrenhaftes oder Lächerliches getan haben und dies realisieren, schämen wir uns.

Das Gefühl der Scham hängt also sehr nah mit Werte- und Moralvorstellung zusammen. Diese können – je nach Kultur – unterschiedlich sein. So kann es bei uns am Tisch peinlich sein, zu rülpsen, während das in anderen Kulturen als Kompliment an den Koch gesehen wird.

Auch interessant: Kann ein Hund sich im Spiegel erkennen?

Scham ist ein komplexes Verhalten

Sich zu schämen ist also eine sehr komplexe Emotion, die voraussetzt, dass man eine Vorstellung von Werten oder Moral hat (was ist richtig und was ist falsch?), dass man realisiert, dass man diese gerade gebrochen hat und dann entscheidet, dass dies aus der eigenen Schwäche heraus geschehen ist und ein Fehler war bzw. man dies bereut.

Inwiefern Hunde zu all diesen Schritten in der Lage sind, ist extrem fraglich. Zudem ist es zu bezweifeln, dass es bei Hunden – so komplex und hoch sozialisiert sie auch sind – so etwas wie eine Moralvorstellung gibt.

Hunde haben kein schlechtes Gewissen

Zwar können Hunde sehr klar unterscheiden und lernen, welches Verhalten erwünscht und welches unerwünscht ist. Aber wenn sie einen Fehler machen, oder etwas tun, was eigentlich verboten ist, weil der Braten einfach zu verführerisch duftet oder der Drang, etwas zu zerbeißen, zu groß ist, haben sie danach kein schlechtes Gewissen, wie wir Menschen.

Auch interessant: Sollte man Hunden wirklich nie in die Augen schauen?

Warum der Eindruck entsteht, dass Hunde sich schämen

Hunde sind einfühlsame Wesen, die die Emotionen von uns Menschen sehr gut deuten können. So merken die Vierbeiner sofort, wenn wir wütend sind und versuchen uns mit ihrem Verhalten zu beschwichtigen. Sie kommen in geduckter Haltung, gesenkten Kopf und dem typischen Hundeblick auf uns zu. Wir Menschen interpretieren dieses Verhalten aber oft als Schuldeingeständnis. Das konnten auch mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen.

So stellte ein ungarisches Forscherteam 2021 in einer Befragung im Rahmen ihrer Studie fest, dass die Mehrheit der Hundebesitzer das Verhalten von Hunden in bestimmten Situationen als schuldig empfinden und glauben, dass die Tiere wissen, wann sie etwas Verbotenes getan haben. Hauptauslöser dafür sei der „schuldbewusste Blick“ des Hundes.

Woher der „schuldbewusste Blick“ wirklich kommt

Genau diesen „schuldbewusstem Blick“ untersuchte die US-amerikanische Psychologin Alexandra Horowitz in ihrer Studie. Dabei konnte sie zeigen, dass Hunde nicht häufiger einen „schuldbewussten Blick“ zeigten, wenn sie etwas Verbotenes taten – in dem Fall unbeobachtet ein verbotenes Leckerli fressen – als wenn sie dies nicht taten.

Im Gegensatz dazu hätten andere Studien beobachtet, dass Hunde vor allem dann schuldig schauen, wenn ihre Besitzer mit ihnen schimpfen, schreibt Horowitz in der Publikation ihrer Ergebnisse. Das deute darauf hin, dass der schuldbewusste Blick des Hundes eher eine Reaktion auf das Verhalten seiner Besitzer sei, als dass er ein Bewusstsein für eine Missetat habe.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass Schuld und Scham komplexe Verhaltensweisen sind. Sie zu empfinden, erfordert ein Verständnis von Ursache und Wirkung in Bezug auf die Zeit. Hunde leben aber im Hier und Jetzt und reagieren meist direkt auf Dinge. Dass sie einen Zusammenhang herstellen zwischen der Reaktion ihres Besitzers mit etwas, das vor ein paar Stunden passiert ist, ist höchst unwahrscheinlich.

Doch obwohl viele Studienergebnisse darauf hindeuten, dass Hunde nicht dazu in der Lage sind, Schuld oder Scham zu empfinden, können wir uns letztendlich nie sicher sein. Schließlich können uns die Tiere nicht erzählen, wie sie sich gefühlt oder woran sie gedacht haben, während sie darauf warten, dass wir nach Hause kommen und einen zerkauten Schuh finden.

Welche neue Erkenntnis die Forscher aus Ungarn jedoch zeigen konnten, war, dass der schuldige Blick des Hundes dazu führen kann, dass seine Besitzer weniger mit dem Tier schimpfen. Die Theorie, die Hunde würden uns mit ihrem Verhalten beschwichtigen, scheint also aufzugehen.

Mehr zum Thema

Quellen

Themen Hundeverhalten
Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale- Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für diesen .
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.