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Jäger spricht sich gegen Kupierverbot bei Jagdhunden aus: »Es geht um Tierschutz!

Jäger und Biologe Torsten Reinwald posiert mit seiner Bracke im Wald.
Torsten Reinwald ist Jäger und Biologe. Er spricht sich offen gegen ein mögliches Kupierverbot bei Jagdhunden aus. Foto: Recklinghausen/DJV & Getty Images
Dennis Agyemang
Redakteur

5. Juli 2024, 16:46 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Das Kupieren – also das Kürzen – von Ohren und Rute bei Hunden ist in Deutschland verboten. Ausgenommen davon sind einige Jagdhunde, die tatsächlich für den Jagdeinsatz vorgesehen sind. Nun soll im Rahmen einer Anpassung des Tierschutzgesetzes auch diese Ausnahme gekippt werden. Während Tierschützer ein mögliches Verbot begrüßen, spricht sich der Deutsche Jagdverband deutlich dagegen aus und erklärte PETBOOK die Gründe dafür.

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Die Vorstellung, dass Jagdhunden ein Teil der Rute abgeschnitten wird, ist für viele grausam und aus der Zeit gefallen. Da beruhigt es, dass im Rahmen einer Überarbeitung des deutschen Tierschutzgesetzes dies bald verboten werden könnte. Doch viele Jagende und auch der Deutsche Jagdverband sprechen sich offen gegen ein Kupierverbot bei Jagdhunden aus.

Ein Verbot sei ein Schritt in die falsche Richtung und schade dem Tierschutz sogar enorm, heißt es von Seiten der Jäger. PETBOOK sprach mit Biologe Torsten Reinwald über den Sinn des Kupierens, den Einsatz von Jagdhunden in der heutigen Zeit und die Vorurteile, denen Jäger im Hinblick auf Hundeausbildung regelmäßig begegnen. Er ist selbst Jäger und Pressesprecher des Deutschen Jagdverbandes.

»Das Kupieren der Ruten bei Jagdhunden dient dem Gesundheitsschutz der Hunde

PETBOOK: Warum werden die Ruten von Jagdhunden überhaupt kupiert? 
Torsten Reinwald: „Das Kupieren der Ruten bei Jagdhunden dient dem Gesundheitsschutz. Jagdhunde haben einen Beruf und müssen eine staatliche Prüfung ablegen, um in der Jagd eingesetzt werden zu dürfen. Sicherheit hat bei diesen Tieren höchste Priorität, ähnlich wie bei Menschen in bestimmten Berufen, die spezielle Schutzkleidung tragen. Bei einigen Jagdhunderassen wird die Rute um bis zur Hälfte gekürzt, um schwere Verletzungen zu verhindern, die durch Brombeeren, Schilf, Äste oder scharfe Steine entstehen können. Verletzungen an der Rute können zu Rückenmarksentzündungen führen, die im Ernstfall tödlich enden können. Der Eingriff findet in den ersten drei Lebenstagen statt und ist sehr unkompliziert und hat keine gravierenden Folgen für das Tier.“ 

Wie schmerzhaft ist der Eingriff für die Tiere? 
„Das kann ich nicht genau sagen. Was ich aber sicher weiß, ist, dass der Gesundheitsschutz, der durch das Kupieren erreicht wird, diesen Eingriff rechtfertigt. Im Vergleich zu den schweren Verletzungen, die bei der Jagd auftreten können, ist das Kupieren ein sehr geringer Eingriff.“ 

Gibt es gesundheitliche Nachteile durch das Kupieren, wie zum Beispiel Trauma oder Kommunikationsprobleme mit anderen Hunden? 
„Mir sind keine wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, die von einem Trauma durch das Kupieren berichten. Die Kommunikation der Hunde ist uneingeschränkt möglich, da die Rute nur bis maximal zur Hälfte eingekürzt wird.“ 

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»Studien zeigen, dass unkupierte Hunde schwere Verletzungen bei Stöberjagden davontragen

Was würde ein Verbot des Kupierens bei Jagdhunden bewirken? 
„Ein Verbot wäre kontraproduktiv für den Tierschutz, da die Hunde sich dann bei der Jagd schwer verletzen könnten. Studien aus Schottland zeigen, dass über die Hälfte der Jagdhunde, die für Stöberjagden in schwerem Gelände eingesetzt werden, schwere Verletzungen erleiden, wenn ihre Ruten nicht kupiert sind. Jäger erfüllen einen staatlichen Auftrag, und sollen beim Waldumbau helfen. Gut ausgebildete Hunde für die Jagd auf Hirsch oder Reh sind dafür essenziell.

Sie werden nicht nur für Stöberjagden, sondern auch für andere Aufgaben wie die Kadaversuche bei der Afrikanischen Schweinepest eingesetzt. Ein Verbot würde das Verletzungsrisiko erhöhen und könnte dazu führen, dass Hunde bei der Ausübung ihrer Aufgaben schwer verletzt werden oder sterben. Jagdhunde sind nicht nur Arbeitstiere, sondern auch Familienmitglieder. Daher liegt uns ihr Schutz besonders am Herzen.“ 

Sie hatten erwähnt, dass sich Hunde bei der Jagd im Eifer des Gefechts verletzten können. Um welche Verletzungen handelt es sich dabei? 
„Hauptsächlich reden wir von Verletzungen bei Stöberjagden und Nachsuchen. Jagdhunde bewegen sich in schwerem Gelände und folgen Duftspuren von Tieren. Sie suchen Wildschweine, Rehe oder Hirsche in dichtem Unterholz. Wenn sie welche aufspüren, dann bellen sie, damit die Wildtiere die Brombeeren oder das Schilf verlassen und alarmieren gleichzeitig die Treiber. Verletzungen können im Gesicht, an den Pfoten oder an den Flanken auftreten. Moderne Schutzwesten aus Kevlar-Gewebe schützen die Hunde vor Dornen und Angriffen von Wildschweinen, aber die Rute bleibt ein verletzungsanfälliger Bereich.“ 

Jagdhunde tragen bei der Jagd stichsichere Westen

Bleiben wir mal bei den Schutzwesten für die Hunde: Was für technische Innovationen kommen bei der Jagd noch zum Einsatz? 
„Neben den stichsicheren Westen, welche die Hunde vor Verletzungen durch Schilf, Brombeeren oder auch die Eckzähne der Wildschweine schützen sollen, kommen auch GPS-Navigationssysteme am Halsband zum Einsatz. Ich kann mithilfe einer App auf dem Smartphone sehen, wo sich mein Hund befindet, ob er läuft oder steht und in welcher Frequenz er bellt etc.“ 

„Das Vorurteil, die Ausbildung von Jagdhunden sei gewaltsam, hält sich hartnäckig“

Sie haben mir im Vorgespräch erzählt, dass sie das Vorurteil nervt, dass viele denken, dass Jäger ihre Hunde im Rahmen der Ausbildung gewaltsam traktieren. 
„Ja, das Vorurteil, die Ausbildung von Jagdhunden sei gewaltsam, hält sich hartnäckig. Aber das stimmt nicht. Die Ausbildung basiert hauptsächlich auf Motivation und Vertrauen. Ein Hund, der geschlagen wird, vertraut seinem Besitzer nicht und wird bei der Jagd nicht zuverlässig im Team arbeiten. Alle Hunde brauchen klare Grenzen und Konsequenz, aber immer auf eine motivierende Weise. Ein einfaches Beispiel ist das Training mit Futter. Mein Hund muss sich auf seinen Platz legen, während ich sein Fressen zubereite. Fressen darf er erst, wenn ich ihm das Signal gebe. Diese Impulskontrolle und die konsequente Einhaltung der Regeln sind entscheidend für eine erfolgreiche Ausbildung und ein harmonisches Zusammenleben. Grenzen und Regeln bedeuten Freiheit.“ 

Was denken Sie, warum das Vorurteil vorherrscht, dass Hunde von Jägern schlecht behandelt und immer bestraft werden? 
„Wenn ich alte Bücher aus dem 19. Jahrhundert zur Jagdhundeausbildung lese, schüttelt es mich. Da steht drin, dass man seinem Hund auf die Pfoten treten soll, damit er lernt, bei Fuß zu gehen. Nein, das muss ich nicht machen.“ 

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„Ich bin ein großer Freund davon, mich an der Hundesprache zu orientieren“

Das klingt schrecklich. Warum steht so etwas in den Lehrbüchern? 
„Das war damals weitverbreitet, nicht nur bei der Jagd. Egal, ob es sich um einen Polizeihund oder ein anderer Hund handelte – der Umgang mit den Tieren war anders als heute. Ich bin ein großer Freund davon, mich an der Hundesprache zu orientieren. Ich bin auch Biologe, vielleicht liegt es daran.“ 

Können Sie dafür ein Beispiel geben? 
„Ja, zum Beispiel bei Welpen. Wenn er nicht bei Fuß gehen will, kann ich mich am Verhalten der Mutter orientieren. Ich mache Schnappbewegungen mit Zeigefinger und Daumen an seiner Flanke, wie die Mutter es tut, um ihren Nachwuchs zu erziehen. Das ist viel besser, als auf die Zehen zu treten. Gutes Verhalten kann ich natürlich auch belohnen, aber nur Leckerlis reichen nicht für eine gute Hundeausbildung. Es braucht Konsequenz.“ 

Zum Abschluss eine private Frage: Sie haben mir erzählt, dass Ihr Hund taub geworden ist und Sie nun vor neuen Herausforderungen bei der Jagd stehen. Welche Herausforderungen sind das genau? 
„Er ist wirklich schwerhörig. Ich musste meine Kommunikation umstellen. Ich habe glücklicherweise immer viel über Gestik und Körpersprache mit ihm geübt, daher ist es relativ einfach, ohne Worte auszukommen. Er ist fast zwölf Jahre alt, daher stöbert er schon seit ein paar Jahren nicht mehr. Bei der Nachsuche ist er über eine 10 Meter lange Leine mit mir verbunden. Wir haben regelmäßigen Blickkontakt und ich sehe, was er macht. Er zeigt mir durch sein Verhalten, ob wir auf der richtigen Fährte sind oder ob er etwas Interessanteres in der Nase hat. Dadurch gibt es keine großen Einschränkungen.“ 


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